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Können Flugzeuge bald mit klimaschonendem Kerosin abheben?
© imago images / CHROMORANGE

Treibstoff aus Luft, Wasser und Licht: Forscher entwickeln klimaschonendes Kerosin

Aus Kohlendioxid, Wasser und Sonnenlicht macht eine neue Technik klimaschonendes Kerosin. Ist das die Lösung fürs Billigfliegen?

Ein bislang ungelöstes Problem bei den Maßnahmen gegen den Klimawandel ist der Luftverkehr: Rund sechs Millionen Barrel oder knapp eine Milliarde Liter Kerosin verbrennen weltweit in den Turbinen der Jets. Und das an jedem Tag. Jedes Jahr sind das rund 350 Milliarden Liter, die derzeit nahezu ausschließlich aus Erdöl hergestellt werden und die daher die Klimaerwärmung mit riesigen Mengen Kohlendioxid befeuern.

Während die Energiewende bei der Produktion von Strom und Heizenergie, im Verkehr auf der Straße oder auf dem Wasser zumindest eingeläutet ist, schien bisher für die nächsten Jahrzehnte zumindest für die praktisch alternativlosen Langstreckenflüge kein Ersatz für Kerosin in Sicht zu sein. Doch nun wollen Christian Sattler vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln und seine Kollegen Kerosin nachhaltig aus Kohlendioxid, Wasser und der Kraft des Sonnenlichts herstellen.

Bislang funktioniert diese Technik zwar nur im Liter-Bereich. „In zehn bis 15 Jahren aber scheinen Anlagen im Industriemaßstab möglich, die täglich vielleicht 300.000 Liter Kerosin nachhaltig herstellen können“, meint Christian Sattler.

Für Bio-Kerosin fehlt die Anbaufläche

Zwar lässt sich Kerosin bereits bisher nachhaltig etwa aus Pflanzen herstellen. Nur gibt es einfach nicht genug Fläche für den Anbau dieser Gewächse. Die Fluggesellschaft „Air New Zealand“ hat bereits vor zehn Jahren ausgerechnet, dass zehn Prozent der Fläche Neuseelands nötig wären, um nur das Bio-Kerosin für den Inlandsflugverkehr herzustellen.

Praxistauglich ist der Flugzeugtreibstoff vom Acker damit wohl kaum. Natürlich gibt es auch die Möglichkeit, mit überschüssigem Strom aus Solar- und Windkraftanlagen Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zu spalten und den Wasserstoff dann mit Kohlendioxid zu Kerosin und anderen flüssigen Treibstoffen zu verarbeiten. Allerdings wissen Ingenieure und Forscher, dass bei jedem einzelnen Schritt solcher Prozesse nur ein Teil der eingesetzten Energie das gewünschte Produkt liefert und der oft deutlich größere Rest im Prinzip verloren geht.

Lassen die Forscher also den ersten Schritt aus, in dem aus Wind oder Sonnenlicht Strom hergestellt wird, und produzieren den benötigten Wasserstoff ohne Umweg über Elektrizität direkt aus Sonnenenergie, sparen sie Energie und Kosten gleichermaßen.

Wasserspalterei mit Licht

Normale Sonnenstrahlen reichen jedoch bei Weitem nicht, um Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zu spalten. „Wir benötigen dafür hohe Temperaturen und eine chemische Reaktion“, erklärt Christian Sattler. Dabei können die DLR-Forscher auf altbewährte Methoden zurückgreifen. So kennen Chemiker einige hundert Reaktionen, bei denen Metalle oder andere Elemente Sauerstoff aufnehmen. Im von der Europäischen Union und der Schweiz gemeinsam geförderten Projekt „SUN-to-LIQUID“ verwenden Forscher vom DLR, von der Eidgenössisch-Technischen Hochschule (ETH) in Zürich und weiteren Institutionen dazu das Seltene-Erden-Metall „Cer“.

Anfangs kommt auf jedes Cer-Atom ein Sauerstoff-Atom, im Laufe der Reaktion entreißt dieses Cer-Oxid dem Wasser bei sehr hohen Temperaturen das Sauerstoff-Atom. Das Cer hat nun zwei Sauerstoff-Atome als Partner, während vom Wasser nur Wasserstoff übrig bleibt. In einem sehr ähnlichen Prozess holt sich das Cer-Oxid auch vom Kohlendioxid ein Sauerstoff-Atom und erzeugt dabei Kohlenmonoxid.

Aus Gas wird Kerosin

In der Summe entstehen also aus Wasserdampf und Kohlendioxid die Gase Wasserstoff und Kohlenmonoxid. Diese Mischung nennen Chemiker aus gutem Grund „Synthese-Gas“: Daraus kann man flüssige Treibstoffe wie Kerosin und Benzin herstellen, in dem bereits in den 1920er Jahre entwickelten und seither in verschiedenen Ländern von Deutschland bis Südafrika im Industriemaßstab eingesetzten „Fischer-Tropsch-Verfahren“.

Diesen Prozess verwenden die DLR- und ETH-Forscher nun mit einigen Anpassungen, um damit in einer eigens dafür in Móstoles südwestlich der spanischen Hauptstadt Madrid errichteten Versuchsanlage aus Synthesegas Kerosin herzustellen.

Das mit reichlich zusätzlichem Sauerstoff beladene, feste Cer-Oxid heizen die Forscher weiter bis auf rund 1500 Grad Celsius auf. Dabei gibt es Sauerstoff ab, der als wertvoller Grundstoff für verschiedene Prozesse weiterverwendet werden kann. Danach kann das Cer-Oxid weiteres Synthese-Gas produzieren. Die dafür benötigten hohen Temperaturen erzeugen die Forscher in sogenannten „Solartürmen“, um die große Felder mit Spiegeln angeordnet sind, die das auftreffende Sonnenlicht genau auf den Reaktor fokussieren, der in diesem Turm eingebaut ist. Die Technik dieser Solartürme haben DLR-Forscher seit den 1980er Jahren maßgeblich entwickelt, heute liefern solche Anlagen in Spanien bereits große Mengen Sonnenstrom.

Ein Geschäft für Regionen, in denen sonst nur Hitze blüht

Wirtschaftlich betreiben lassen sich Solartürme am besten in den Trockengebieten der Erde, in denen der Himmel die meiste Zeit wolkenlos ist. In der Nähe von Mitteleuropa bieten sich dafür der Süden Spaniens oder die Wüstengebiete Nordafrikas und auch der Arabischen Halbinsel an.

In Ländern wie Marokko, in denen bereits Solar- und Windkraftanlagen im großen Maßstab Strom für den Eigenbedarf, aber auch für den Export produzieren, könnten in Zukunft also solche Solartürme Kerosin für die Luftfahrt produzieren. Aber auch andere Trockengebiete zum Beispiel in Zentralasien, im Süden Afrikas, in Australien und in Nord- und Südamerika eignen sich dafür.

Auch in kühleren Regionen, in der kanadischen Provinz Alberta gibt es in den „Badlands“ genannten Trockengebieten bereits ein solches Solar-Kraftwerk. Um den heutigen Kerosin-Durst der Luftfahrt zu stillen, müsste man nicht einmal ein Prozent der geeigneten Trockengebiete weltweit mit solchen Anlagen bebauen, haben Experten vom „Bauhaus Luftfahrt e. V.“ ausgerechnet. Dieser Verein wurde gemeinsam von Bayern und großen Luftfahrtunternehmen wie Airbus und MTU 2005 gegründet und beschäftigt sich seither mit der Zukunft der Mobilität und vor allem der Luftfahrt.

Heute kostet Kerosin 60 Cent pro Liter, 128 Cent käme das nachhaltig produzierte

Als Zutaten für das so gewonnene nachhaltige Kerosin benötigen die Forscher reines Wasser. „Dazu kann man Meerwasser oder auch verschmutztes Wasser nehmen, das mit der Abwärme aus der Anlage gereinigt wird“, erklärt DLR-Forscher Christian Sattler. Die zweite Zutat ist Kohlendioxid, das aus der Luft gewonnen werden soll. Das ist bisher zwar relativ aufwendig.

Aber Forscher am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) entwickeln gerade große Anlagen, die diesen Prozess erheblich günstiger machen. In zehn Jahren könnte man mithilfe dieser Prozesse in einer Anlage, die mit 38 Quadratkilometern die Fläche einer Kleinstadt bedeckt, täglich rund 300.000 Liter Kerosin herstellen.

2,23 Euro könnte der Liter Kerosin aus solchen Anlagen nach einer Studie des Bauhaus Luftfahrt e. V. dann kosten. Unter sehr günstigen Bedingungen ließen sich die Kosten sogar auf 1,28 Euro pro Liter senken. Und wenn der als Nebenprodukt entstehende Sauerstoff verkauft werden kann, wären weitere Kostensenkungen möglich.

Da Kerosin aus Erdöl derzeit rund 60 Cent pro Liter kostet und die Treibstoffkosten nur einen kleineren Teil der Flugkosten ausmachen, dürften die Ticket-Preise bei einer Umstellung auf nachhaltiges Kerosin aus Solartürmen daher nur moderat steigen.

„Außerdem entwickeln wir das Verfahren ja weiter“, erklärt DLR-Forscher Christian Sattler. Anstelle von Cer-Oxid könnte man für die chemische Reaktion zum Entfernen des Sauerstoffs aus Wasser und Kohlendioxid auch andere Materialien wie Perowskit-Mineralien verwenden, die Metalle und Sauerstoff enthalten und erheblich preiswerter sind. „Besonders interessant könnten Schwefeloxide sein, die ohnehin beim Gewinnen von Metallen aus Erzen anfallen“, meint Christian Sattler.

Mit Kerosin aus den Solartürmen könnten Flugzeuge also auch in einer klimaschonend geprägten Zukunft noch fliegen. Ob damit auch noch die ganz billigen Billigflüge möglich sein werden, wird der Markt zeigen.

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