Biokerosin im Flugverkehr: Nachhaltig aber teuer
Forscher und Ingenieure haben Biokerosin für den Flugverkehr entwickelt, das kein CO2 freisetzt. Doch der regenerative Kraftstoff wird bislang nur wenig genutzt.
Die Zukunft des Fliegens könnte weit oben im Norden Deutschlands beginnen. In Schleswig-Holstein, wo sich vor der Küste die Windräder fast immer drehen, arbeiten die Lufthansa, die Universität Bremen und die Raffinerie Heide am Klima-Kerosin. Der Deal: Forscher und Ingenieure entwickeln regenerativen Kraftstoff, den die Raffinerie aus überschüssigem Windstrom produziert – und die Lufthansa zukünftig kauft.
Das Modell zeigt, wie sich das Henne-Ei-Problem lösen ließe, vor dem auch die Luftfahrt steht. „Die Produktion des Kraftstoffs alleine reicht natürlich nicht. Wir brauchen einen Abnehmer“, sagt Raffinerie-Chef Jürgen Wollschläger. Bislang gibt es noch gar keinen richtigen Markt für das CO2-freie Kerosin: Die Airlines sagen, es fehle an Produzenten. Und die potenziellen Produzenten sagen, es fehle an Abnehmern, die bereit sind die viel höheren Preise zu zahlen. Aktuell sind die Kosten drei bis fünf Mal so hoch wie bei normalem Kerosin.
Um die Produktion hochzufahren und die Kosten zu senken, drängen die deutschen Fluglinien Lufthansa, Condor und Tuifly auf eine industriepolitische Initiative Deutschlands und der Europäischen Union. „So könnte man die Voraussetzungen für ein hinreichendes Angebot von Produktionsanlagen und Kraftstoffen schaffen“, meint der Luftfahrtverband BDL. Frankreich und Norwegen gehen bereits einen Schritt weiter. Dort gelten zukünftig Quoten für Biokerosin, die die Airlines verpflichten, den klimafreundlichen Kraftstoff einzusetzen, also dem normalen Kerosin beizumischen. Der Anteil soll schrittweise steigen und so ein Markt dafür entstehen. Technisch ist das längst machbar: Die Triebwerke der heutigen Flugzeuge kommen damit klar.
Das Biokerosin sollte nicht in Konkurrenz zu landwirtschaftlichen Nutzflächen stehen
Um in der Öffentlichkeit keine neue „Kein-Essen-in-den-Tank“-Empörung auszulösen, wird dabei auf sogenanntes Biokerosin der zweiten Generation gesetzt. Das soll nicht in Konkurrenz zu landwirtschaftlichen Nutzflächen und der Lebensmittelproduktion stehen. Es kann aus Algen oder Abfällen hergestellt werden.
Der Einsatz von Ökokerosin wird das Fliegen verteuern. Der Kraftstoff ist schon heute der größte Betriebskostenblock der Airlines, die sich in Europa gerade eine wilde Preisschlacht liefern, was ihren finanziellen Spielraum einschränkt. Letztlich werden die Passagiere den Klimaschutz in der Luftfahrt bezahlen – daher ist die Frage, ob es hier wirklich einen großen Durchbruch geben kann.
Die Fluglinie KLM hofft beim Biokerosin vor allem auf Unternehmenskunden. Konzerne, die jährliche Nachhaltigkeitsberichte vorlegen müssen, stehen zunehmend unter „Flugscham“-Druck. Bei der niederländischen Airline können sie ihre Mitarbeiter für einen Aufpreis CO2-arm fliegen lassen – KLM setzt dafür entsprechend Ökokraftstoff ein. Deutschland-Chef Stefan Stefan Gumuseli kündigte gegenüber dem Tagesspiegel an, das Programm bald auch hierzulande einzuführen.
Felix Wadewitz
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