Elitewettbewerb - wohin?: 1000 exzellente Seiten
DFG und Wissenschaftsrat ziehen Bilanz über die Exzellenzinitiative der Unis. Ein bisschen Kritik und Hinweise für die nächste Runde gibt es auch.
Deutschlands Exzellenzinitiative – man packt sie nun mit beiden Händen. Über 1000 Seiten haben die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und der Wissenschaftsrat vollgeschrieben, um über Wirkungen und Nebenwirkungen des Uni-Wettbewerbs zu berichten. Wer das alles lesen soll? Jedenfalls Dieter Imboden und die neun Mitglieder seiner Kommission. Der Umweltphysiker von der ETH Zürich soll die Exzellenzinitiative bis zum Januar evaluiert haben. Dafür soll der enzyklopädische Bericht von DFG und Wissenschaftsrat, die den Wettbewerb im Auftrag von Bund und Ländern durchgeführt haben, eine Basis bilden. Erst danach will die Politik offiziell entscheiden, wie es mit der Exzellenzinitiative weitergeht.
Die Unis hatten von Beginn an Kritik
Von Beginn an gab es aus den Unis Kritik an der Exzellenzinitiative, unabhängig davon, ob ihr politisches Ziel – die Ausdifferenzierung der Hochschullandschaft – geteilt wurde oder nicht: Der hohe Zeitaufwand für die Anträge halte von der Forschung ab. Im Wettbewerb werde Mainstream honoriert, der dann über die neu geschaffenen Professuren dauerhaft Innovationen an anderer Stelle blockiere. Die zahlungskräftigen Eliteunis würden anderen Unis ihr Personal wegnehmen.
In dem von DFG und Wissenschaftsrat geschaffenen Papierberg kommen solche Sorgen nicht vor, einige andere kleine Kritikpunkte schon. Das Gesamtergebnis lautet aber erwartungsgemäß, der Wettbewerb sei ein voller Erfolg gewesen. Die Unis seien international sichtbarer geworden. In Physik und Chemie sei schon jetzt nachweisbar, dass die Zahl der Publikationen in Fachjournalen gestiegen sei.
Die Geisteswissenschaften sind stärker beteiligt als sonst
Seit 2006 haben 80 Universitäten 827 Antragsskizzen eingereicht. Gefördert wurden 45 Hochschulen mit 51 Graduiertenschulen, 49 Exzellenzclustern und 14 Zukunftskonzepten. Die Geistes- und Sozialwissenschaften, die anfangs wegen der Forschungsförderung im Großformat im Hintertreffen waren, haben bis 2014 fast 15 Prozent der Mittel bekommen – sie sind also anteilig stärker beteiligt als im Normalbetrieb der DFG.
Die Graduiertenschulen werden rundweg gelobt, für ihren Anteil an der Internationalisierung, für ihre kurzen Promotionszeiten und niedrigen Abbrecherquoten. Trotzdem wollen DFG und Wissenschaftsrat im nächsten Wettbewerb auf die Graduiertenschulen verzichten – sie sollen in die normale DFG-Förderung überführt oder von den einzelnen Unis fortfinanziert werden.
"Für hochrangige Berufungen attraktive Rahmenbedingungen schaffen"
An den 49 Clustern beteiligten sich im Jahr 2013 rund 8800 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, darunter 1940 Professoren und 3360 Doktoranden. Im Schnitt entfielen auf ein Cluster 180 Wissenschaftler. Da die Cluster oft quer zu den Fakultäten stehen und attraktivere Rahmenbedingungen haben, sei ihre Entstehung nicht „reibungsfrei“ verlaufen.
Dass die Cluster den Rest der Uni teuer zu stehen kommen können, spielt der Bericht nur an: Der große zusätzliche Bedarf an Räumen und neuen Geräten habe nur zu einem kleinen Teil aus den bewilligten Mitteln gedeckt werden können. „Darüber hinaus mussten die beteiligten Universitäten für die angestrebten hochrangigen Berufungen attraktive Rahmenbedingungen schaffen, die universitätsinterne Verlagerungen, umfangreiche Renovierungen oder Neubauten erforderlich machten.“ Nur bei der Hälfte der Cluster sei bereits geklärt, wie sie sich nach dem Auslaufen der Exzellenzmittel finanzieren werden.
"Privilegien und Zentrifugalkräfte"
Von den 285 Professoren, die zwischen 2006 und 2013 in ein Cluster berufen worden, sei fast die Hälfte aus dem Ausland rekrutiert worden. Inwieweit die Internationalisierung sich auf „wissenschaftliche Exzellenz“ auswirke, sei aber „noch schwierig zu überprüfen“.
An der Wirkung der „Zukunftskonzepte“ übt der Bericht punktuell Kritik. Mit den Konzepten soll ein kleiner Kreis von Unis – im Volksmund „Eliteunis“ genannt – ihre innere Organisation forschungsgerechter gestalten. Allerdings seien die von den Unis dabei entwickelten Karrierekonzepte für den wissenschaftlichen Nachwuchs nur ein Anfang.
Ferner hätten Hochschulleitungen berichtet, der Exzellenzwettbewerb könne „die Corporate Identity“ einer Uni auch gefährden, „weil darüber Unterschiede offengelegt, Privilegien ungleich verteilt und Zentrifugalkräfte ausgelöst werden könnten“. Letztlich hätten die Zukunftskonzepte aber „zu einer Intensivierung der inneruniversitären Beteiligung beigetragen“.
Mit der Gleichstellung geht es kaum voran
Zu den vielen Kooperationen mit außeruniversitären Instituten und Unternehmen heißt es, der Abstimmungsaufwand sei sehr hoch, angesichts des Umfangs der Kooperationen müssten die Wissenschaftler beweglich bleiben, um neue Impulse aufnehmen zu können. Ob der Aufwand für die Kooperationen gerechtfertigt sei, sei schwer zu evaluieren. „Ernüchternd“ nennt der Bericht die Entwicklung bei der Gleichstellung von Frauen an den Eliteunis.
Der Bericht stellt fest, Sprecher von Graduiertenschulen und Clustern hätten ihre Aktivitäten in der Lehre oft reduziert. Auch die aus dem Ausland rekrutierten Professoren hätten oft eine Reduktion ihrer Lehrverpflichtung ausgehandelt. Die Wissenschaftler sollten aber in der grundständigen Lehre tätig bleiben, weil sie damit „die Attraktivität der universitären Lehre für die Studierenden erhöhen“ könnten.
Der Bericht kommt zu dem Schluss, die Förderung ganzer Unis müsse in Zukunft erweitert werden. Ausgezeichnete Unis müssten auch „Spitzenleistungen in der Lehre, im Wissens- und Technologietransfer sowie in anderen Dienstleistungsaufgaben erbringen“. Gut möglich, dass die Politik diesen Vorschlag im nächsten Wettbewerb berücksichtigt.
Auf Imbodens Meinung wird nicht gewartet
Was auch immer die Imboden-Kommission aus solchen Einsichten macht – mit großen Effekten ist nicht zu rechnen. Denn obwohl es die erste große Evaluation sein wird, sind längst Fakten geschaffen worden: Dass der Wettbewerb fortgesetzt werden soll, haben Bund und Länder schon im Dezember 2014 beschlossen. Und wie der neue Wettbewerb aussehen soll, verhandeln sie seit Monaten hinter und vor den Kulissen, ohne Imbodens Meinung abzuwarten. Die SPD- Fraktion und die Unionsfraktion im Bundestag haben sich schon öffentlich erklärt. Insofern wird der Imboden-Bericht vor allem für die nachträgliche Legitimierung des fortgesetzten Wettbewerbs gebraucht.
Anja Kühne
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