Zwei Frauen mit Nobelpreis ausgezeichnet: Eine Ehrung, die längst überfällig war
Mit Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna wird erstmals ein Forscherinnen-Duo mit einem Wissenschafts-Nobelpreis geehrt. Das war überfällig. Ein Kommentar.
Dieser Nobelpreis war überfällig. Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna sind Weltstars der Wissenschaft, auch jenseits der Chemie, wo sie jetzt geehrt wurden. Die Genschere Crispr, die sie erfunden haben, ist eine der großen Revolutionen der modernen Naturwissenschaft. Und das nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch: Schon heute werden erste Patientinnen und Patienten dank ihrer Methode geheilt.
Überfällig ist der Nobelpreis an Charpentier und Doudna auch aus zwei anderen Gründen. Das Nobelpreiskomitee krankte zuletzt immer mehr daran, Durchbrüche auszuzeichnen, die Jahrzehnte her sind. Nicht dass das per se ein Nachteil sein muss: Auch Forschung von vor 30 Jahren hat bis heute Relevanz.
Doch in einer Zeit, in der auch Wissenschaft – Stichwort: Klima, Stichwort Corona – immer tagesaktueller reagieren muss, wirkte das seltsam weltentrückt. Der Preis für eine Forschung, die nicht einmal eine Dekade währt, ist hier ein Signal: Als Zeichen der Bestärkung für Forschende, die sich den drängenden Fragen der Zeit annehmen.
Darüberhinaus verstärkte die Hang zur Auswahl längst vergangener Entdeckungen die Herrenlastigkeit der Preisträger. Wissenschaft ist ohnehin – noch immer – eine Männerdomäne, zumal in den Naturwissenschaften. Vor zwanzig, dreißig Jahren war sie es noch viel mehr. Wer Preisträger in früheren Dekaden sucht, wird noch weniger Frauen finden.
Stockholm wählte wie in Zeiten, als Frauen nicht Professorinnen werden durften
Das Nobelpreiskomitee wählte so bei den Preisen für Medizin, Physik und Chemie einen Mann nach dem anderen aus. Ganz so, als ob es sich immer noch in den Zeiten wähnte, in denen Frauen gar nicht erst Professorinnen werden durften.
Tatsächlich waren es bis 2019 gerade mal vier Frauen, die den Chemie-Nobelpreis erhielten – bei bis dahin insgesamt 177 Auszeichnungen. Ein unfassbar geringer Anteil, der nicht damit zu erklären ist, dass es einfach keine preiswürdigen Frauen gab, wie es Männer dann oft reflexhaft als Abwehr sagen.
[Lesen Sie hier ein Interview mit Emmanuelle Charpentier, das der Tagesspiegel mit ihr vor vier Jahren führte.]
Mit Charpentier und Doudna sind nun überhaupt erstmals in den Nobel-Wissenschaftskategorien zwei Frauen allein geehrt worden. Ein Preisträgerinnen-Duo: Auch das ist – im Jahr 2020 – mehr als überfällig.
Auch Berlin kann sich in der Auszeichnung sonnen
Nun kam das Komitee an den beiden kaum vorbei. Spannend bleibt daher, wie sich Stockholm in den kommenden Jahren entscheiden wird. Die Kunst wäre es, nach ebenso preiswürdigen Forscherinnen zu suchen, die vielleicht nicht auf den ersten Blick ins Auge springen. Erst dann wird sich zeigen, ob die Naturwissenschafts-Nobelpreise wirklich in der Moderne angekommen sind.
Berlin kann sich unter dieser wegweisenden Entscheidung ebenfalls sonnen: Die Französin Charpentier forscht seit Jahren in der Stadt, selbst wenn sie ihre Entdeckung schon vorher machte. Dennoch ist auch das ein Zeichen – für Berlin als Metropole der Medizin und der starken Frauen. Besser geht es kaum.