Nobelpreis an Emmanuelle Charpentier: „Das ist ein Gänsehautmoment“
Eine Berliner Forscherin erhält den Nobelpreis für Chemie – und die Wissenschaftsstadt jubelt. Reaktionen auf die Auszeichnung von Emmanuelle Charpentier.
Der Chemie-Nobelpreis für Emmanuelle Charpentier, die in Berlin an einer von ihr gegründeten Max-Planck-Forschungsstelle für Pathogene forscht, führt zu begeisterten Reaktionen in der Berliner Wissenschaftslandschaft. Charpentier wird gemeinsam mit der US-Amerikanerin Jennifer A. Doudna ausgezeichnet, gemeinsam entwickelten sie die Genschere Crispr-Cas9.
„Was für ein Tag. Sensationell!“ – so die erste Reaktion von Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach (SPD). Er freue sich für Charpentier: „Sie hat es absolut verdient.“ Charpentier sei ein „Weltstar“, sagte Krach.
Daher freue er sich auch für Berlin. „Wir haben alles getan, um sie nach Berlin zu holen, und auch, um sie in Berlin zu halten.“ Das sei bei einer Top-Forscherin, die an jedem Top-Wissenschaftsstandort der Welt arbeiten könne, nicht einfach.
Umso glücklicher sei er, dass Berlin Charpentier und ihrem Team den Bau eines Gebäudes in Berlin-Mitte ermöglichen konnte, das derzeit geplant wird und 60 Millionen Euro kosten soll. Es sei zudem überfällig, dass endlich zwei Frauen ausgezeichnet wurden: „Wissenschaftlerinnen haben es bei dem Nobelpreis-Komittee ja leider nicht immer leicht.“
"Großes Glück für Berlin"
„Der Nobelpreis bestätigt die weltweite Anerkennung, die Emmanuelle Charpentiers Pionierleistung in der Entwicklung der Gen-Schere gebührt", erklärte der Regierende Bürgermeister und Wissenschaftssenator Michael Müller (SPD) am Nachmittag. "Wir sind sehr stolz darauf, eine so herausragende Forscherin in Berlin zu haben, unser ganzer Wissenschaftsstandort freut sich mit und für Prof. Charpentier."
Charpentier habe "ein neues Kapitel in der Medizinforschung aufgeschlagen". Damit leiste sie "auch einen wichtigen Beitrag für die Entwicklung und Strahlkraft Berlins als international führender Standort für Spitzenforschung", erklärte Müller.
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"Es ist ein großes Glück für Berlin, dass Frau Charpentier hierher gekommen ist", sagte auch Christoph Markschies, der neue Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, deren Mitglied Charpentier ist.
Der Erfolg, die Forscherin nach Berlin geholt zu haben, sei "vielen Beteiligten zu verdanken, die damals gemeinsam und ohne institutionelle Eitelkeiten dieses Ziel verfolgt haben", erklärte Markschies. Charpentiers Berufung könne "als Musterbeispiel gelten, um den Wissenschaftsstandort Berlin-Brandenburg weiter voranzubringen".
Dass der Nobelpreis an eine Frau geht, "die zudem nicht in Berlin geboren ist", sei ein wichtiges Signal für die Stadt, betonte Markschies: "Es zeigt, dass die Wissenschaft hier bunt und divers ist."
Sabine Kunst, die Präsidentin der Humboldt-Universität, freute sich über den "tollen Erfolg und wichtigen Tag für die Wissenschaftlerinnen weltweit". Mit Emmanuelle Charpentier wird "endlich wieder einmal wird eine Kollegin diese wichtige Ehrung erhalten und dazu noch eine herausragende Wissenschaftlerin, die als Honorarprofessorin in Forschung und Lehre mit der Humboldt-Universität verbunden ist".
Freude über die Auszeichnung von Frauen
Christopher Baum, der neue Vorstandsvorsitzende des Berlin Institute of Health, nannte Nachricht von der Auszeichnung Charpentiers einen "Gänsehautmoment“. Die Entwicklung von Crispr/Cas9 sei eine „echte Pionierleistung“, die das gesamte Feld der Genforschung und insbesondere der Gentherapie „revolutioniert“ habe.
„Es freut mich darüber hinaus, dass mit den beiden Chemienobelpreisträgerinnen und der Preisträgerin für Physik, Andrea Ghez, bereits drei Frauen in diesem Jahr die höchste Auszeichnung in der Wissenschaft erhalten haben“, sagte Baum – eine Anspielung auf die Kritik insbesondere an den Naturwissenschaftsnobelpreisen, ansonsten viel zu männerlastig zu sein.
Charité-Chef Heyo Kroemer hob die wissenschaftliche Bedeutung des Nobelpreises für die Genschere hervor: "Er ist für die Unikliniken von besonderem Interesse, weil die von Frau Charpentier erfundene Methode dazu verwendet werden kann, eine Reihe von Erkrankungen zu therapieren. Insofern gehe ich davon aus, dass dieser Nobelpreis noch mehr als bisher in naher Zukunft konkrete klinische Anwendung finden wird."
Emmanuelle Charpentier war von 2015 bis 2018 Direktorin am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin. Seit 2018 ist sie Gründungs- und kommissarische Direktorin der Max-Planck-Forschungsstelle für die Wissenschaft der Pathogene in Berlin. Für ihre Arbeiten wurde sie mit zahlreichen Wissenschaftspreisen ausgezeichnet.
Vielfach ausgezeichnete Forscherin
Zu den Ehrungen zählen der Leibniz-Preis 2016, der Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis 2016, der Annual Award for Outstanding Contributions to Biomolecular Technologies 2016 der US-amerikanischen Association of Biomolecular Resource Facilities, der Kavli Prize im Bereich Nanowissenschaften 2018 sowie mit die Carus-Medaille der Leopoldina 2015.
Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) sprach auf Twitter von einer "erneuten Ehre" für den Wissenschaftsstandort Deutschland, nachdem am Dienstag bereits Reinhard Genzel mit dem Physik-Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Beide Entscheidungen des Stockholmer Preis-Komitees würden zeigen, "dass der Wissenschaftsstandort Deutschland exzellent und wettbewerbsfähig ist", teilte Karliczek später mit.
Mit Charpentiers und Doudnas Methode der Gen-Editierung stünden in der Pflanzenzüchtung und in der Medizin "völlig neue Wege offen". Nutzen und Risiken müssten mit und in der Gesellschaft aber sorgfältig diskutiert werden, betonte Karliczek.
Der Präsident der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina Gerald Haug beglückwünschte Emmanuelle Charpentier als "herausragende Kollegin der Max-Planck-Gesellschaft". Mit dem Nobelpreis würden "bahnbrechende Erkenntnisse im Bereich der Genomforschung gewürdigt, mit denen große Hoffnungen für die Anwendung in Medizin, Biotechnologie, Tier- und Pflanzenzucht verbunden sind".
"Enorme Dynamik"
Auch Thomas Sommer, wissenschaftlicher Vorstand des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC) in Berlin-Buch reagierte begeistert: „Das ist eine ganz große Freude!" Die Entwicklung der Genschere Crispr-Cas9 habe die Lebenswissenschaften insgesamt revolutioniert.
Charpentiers und Doudnas Entdeckung habe zudem "enorme Dynamik in die biomedizinische Forschung gebracht", insbesondere für Diagnostik und neue therapeutische Verfahren. Dass gleich zwei Forscherinnen ausgezeichnet werden, sei "eine längst überfällige Anerkennung für alle Frauen in der Wissenschaft", betonte Sommer.
Unter den Gratulantinnen ist auch die Biochemikerin und Molekularbiologin Katja Becker, seit Januar 2020 Präsidentin der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Charpentiers Name sei "mit einer der größten Fortentwicklungen in den Lebenswissenschaften in den vergangenen Jahrzehnten verbunden", erklärte Becker. Der Entwicklung der Genschere galt bereits der Leibniz-Preis 2016, der wichtigste und am höchsten dotierte Forschungsförderpreis in Deutschland.
Beispielhafte Berufung
Dass die in Frankreich geborene Charpentier überhaupt nach Deutschland kam, geht auf die 2014 an sie verliehene Alexander von Humboldt-Professur zurück. Mit ihr wurde sie Professorin an der Medizinischen Hochschule Hannover und dem Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung Braunschweig, bevor sie 2015 nach Berlin wechselte.
„Wir freuen uns natürlich besonders, dass mit Emmanuelle Charpentier eine Humboldtianerin ausgezeichnet wurde – den Nobelpreis für Chemie haben zuvor erst fünf Frauen erhalten", erklärte der Präsident der Alexander von Humboldt-Stiftung Hans-Christian Pape.
Detlev Ganten, der Ehrenvorsitzende des Stiftungsrats der Stiftung Charité und Präsident des World Health Summit, hofft indes auf weitere Effekte für Berlin. „Der Preis war überfällig und ist absolut verdient. Er wird mit Sicherheit eine Wirkung auf die Stadt haben. Emmanuelle Charpentier ist eine tolle Wissenschaftlerin, die sich wohl fühlt in Berlin, das lockt weitere Talente an", sagte Ganten.
Wie die Berliner Politik, die Max-Planck-Gesellschaft und die Charité einst bei der Berufung Charpentiers "rasch und unkompliziert zusammengearbeitet" hätten, müsse "beispielhaft für künftige Berufungen" sein.
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