Wohnungsnot: Ein Studentendorf fernab vom Szenekiez
In Adlershof eröffnet ein neues Studentendorf. Wegen der Wohnungsnot zieht es selbst Studenten, die ihre Vorlesungen in Mitte haben, dorthin.
Carlos kommt aus Mexiko, Miguel vom Mittelmeer und Max aus der BRD. So haben es die Bewohner des Studentendorfs Adlershof an ihre Zimmertüren geschrieben, auf schwarze Tafeln und mit Kreide. Erst Anfang Oktober sind die drei Studenten in die neue Wohnung gezogen, in der es 13 Zimmer und einen großen Gemeinschaftsraum mit einer Kochzeile und einer Sofaecke gibt. Auf dem blanken Betonboden liegen Luftballons herum, an die blanke Betondecke ist ein buntes Muster gemalt.
Die meisten der Studenten leben in einer solchen Wohneinheit zusammen. Für sich allein haben sie ein schlicht möbliertes Zimmer, das 15 Quadratmeter groß ist, und ein kleines Bad. Der Preis: 390 Euro im Monat. Etwas größere Ein-Zimmer-Apartments kosten für die Studenten 420 Euro. Wissenschaftliche Gäste zahlen für eine vorübergehende Bleibe zwischen 470 und 650 Euro. „Sie haben ein Haus für sich, damit sie der höhere Lärmpegel in den anderen Wohnungen nicht stört“, sagte Andreas Barz am Montag. Er ist Leiter des Projekts und Vorstandsvorsitzender der „Genossenschaft Studentendorf Schlachtensee“. Die private Genossenschaft betreibt die neue Anlage in Adlershof, die an diesem Dienstag offiziell eingeweiht wird.
Die Nachfrage war riesig
Spätestens in zwei Wochen sollen auf dem 11 000 Quadratmeter großen Gelände 384 Studenten leben. Bis dahin gibt es wegen der letzten Bauarbeiten noch ein paar leere Räume. Ohne Bücher in den Regalen und einen Namen an der Tür. „Doch auch wenn alle Bewohner eingezogen sind, werden noch 100 bis 150 Personen auf der Warteliste stehen. Die Nachfrage war riesig“, sagte Barz.
Mit einem Café, einer Kita, einem Fitnessstudio und einem Waschsalon soll das Studentendorf unter anderem die 8000 Studenten der Humboldt-Universität ansprechen, die am naturwissenschaftlichen Campus in Adlershof ihre Vorlesungen haben. Doch wegen der steigenden Mieten zieht es selbst Studenten, die im Hauptgebäude „Unter den Linden“ Philosophie studieren, in den Außenbezirk. Altbauten in Mitte, Prenzlauer Berg oder Friedrichshain sind für viele von ihnen nur noch Geschichten aus früheren Zeiten.
Über die Hälfte der Bewohner kommt zudem aus dem Ausland und macht in Berlin ein Erasmus-Semester. So wie Robert Spal aus der Slowakei, der ein halbes Jahr in Adlershof Kartografie studiert. „Ich bin von hier aus sehr schnell beim Campus und erreiche das Wichtigste in fünf Minuten“, sagt er. „Aber vom Berliner Geschehen bin ich leider sehr, sehr weit entfernt.“
Höchststand bei den Wartelisten
Noch länger als die Warteliste für das privat betriebene neue Adlershofer Wohnheim sind derzeit die Wartelisten für die Einrichtungen des staatlich getragenen Studentenwerks. Zu Semesterbeginn hatten beim Studentenwerk rund 2100 Studierende noch keinen Platz bekommen – ein Zeichen für den immer knapper werdenden Wohnraum in Berlin. Beim Studentenwerk könnten Studierende günstiger unterkommen, im Schnitt zahlen die Bewohner hier 204 Euro Warmmiete im Monat.
Doch anders als die Privaten wird das Studentenwerk so schnell keine neuen Wohnheime einweihen können. Denn der vom scheidenden Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit versprochene Bau von zusätzlichen Plätzen für die Studentenwerke gestaltet sich zäh. Bisher liegen erst Projektstudien für einen Neubau in der Weddinger Nordbahnstraße vor. Vier weitere Grundstücke sind aus dem Liegenschaftsfonds für Studentenwohnheime reserviert. Insgesamt wäre auf diesen Grundstücken allenfalls für 500 bis 600 Studierende Platz. Dass tatsächlich einmal wie von Wowereit angekündigt 5000 neue Wohnheimplätze in Berlin entstehen, wird inzwischen wie berichtet selbst in der Koalition für illusorisch gehalten.
Hoffnungen setzt das Studentenwerk auf den neuen Regierenden Michael Müller. „Der ist mit dem Thema Wohnungsbau schon lange befasst. Wir sind optimistisch, dass sich die Planung jetzt beschleunigt“, heißt es. Müller selbst sagte bei der offiziellen Eröffnung am Dienstag: "Wir brauchen dringend mehr private Initiativen wie die Genossenschaft Studentendorf Schlachtensee. Berlin wächst, ist bei Studenten und Wissenschaftlern im In- und Ausland sehr gefragt, und dieser Trend wird sich fortsetzen."
Marie Rövekamp
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