Grand Egyptian Museum: Ein Glaspalast für die Pharaonen
Endlich Platz für alle Schätze Tutanchamuns: In Gizeh bei Kairo entsteht das größte archäologische Museum der Welt. Die Ausstattung kommt von einem deutschen Büro.
Die Erwartungen an das neue Ägyptische Museum in Kairo sind riesig. Der Neubau des Grand Egyptian Museum (GEM), der zurzeit zwei Kilometer von den großen Pyramiden in Gizeh entfernt fertiggestellt wird, hat monumentale Ausmaße. Laut Museumsverwaltung sollen Ende des Jahres wichtige Ausstellungsbereiche in einem sogenannten Softopening eröffnet werden.
Die Grundfläche des Museumsgeländes erstreckt sich über gut 50 Hektar, also rund 500 000 Quadratmeter – das sind gut hundert Fußballfelder. Die Ausstellungsfläche beträgt ungefähr 40 000 Quadratmeter. Am Ende sollen mehr als 50 000 Objekte aus der Geschichte des Alten Ägyptens in dem modernen Bau aus Beton, Stahl und Glas ausgestellt werden. Es wird das größte archäologische Museum der Welt.
Vor allem bemerkenswert ist, dass im GEM zum ersten Mal die gesamte Sammlung aus dem Grab von Tutanchamun gezeigt wird. Sie umfasst gut 5600 Stücke. Im alten Ägyptischen Museum am Tahrirplatz im Zentrum Kairos waren lediglich 1500 Exponate zu sehen. Für mehr gab es gar keinen Platz in dem Haus, das Ende des 19. Jahrhunderts entstand. Im neuen Museum im Südwesten der Stadt wird die Sammlung nun einen schier unermesslichen Prunk und Reichtum Tutanchamuns bezeugen, der von etwa 1332 bis 1323 v. Chr. regierte.
Die Labore des GEM werden schon genutzt - auch von deutschen Gästen
Das GEM wird oft in Superlativen beschrieben, als würde es in Kontinuität zu den Großbauten der vergangenen Reiche des Alten Ägyptens stehen. Archäologen erhoffen sich vor allem bessere Arbeitsbedingungen. „Das GEM ist für alle Archäologen in Ägypten ein wichtiges Projekt“, sagt Johanna Sigl vom Deutschen Archäologischen Institut in Kairo. Für sie spielen vor allem das Labor und die Werkstätten des Museums im schon eröffneten sogenannten Conservation Center eine große Rolle.
„Die Wissenschaftler dort verfolgen einen integrierten Ansatz bestehend unter anderem aus Technik, Forensik und Biologie. Es gibt einen regelrechten Maschinenpool“, sagt Sigl. Die Instrumente seien zwar eigentlich für die Arbeit im Museum gedacht. Aber es könnten sich auch externe Wissenschaftler einmieten. Solche Kooperationen sind üblich und stellen für viele Institute eine willkommene zusätzliche Einnahmequelle dar.
Sigl arbeitet knapp 900 Kilometer südlich von Kairo flussaufwärts auf der Nilinsel Elephantine unweit des Assuanstaudamms. Dort erforscht sie in einer Siedlung aus der Zeit des 20. bis 18. vorchristlichen Jahrhundert die Lebenswirklichkeiten im Mittleren Reich des Alten Ägyptens (etwa 1980–1760 v. Chr.). „Elephantine ist etwas Besonderes, denn die Stadt ist nicht wie andere von einem Herrscher am Reißbrett entworfen und in der Landschaft hochgezogen worden. Sie ist aus sich selbst heraus über Jahrhunderte gewachsen“, sagt Sigl.
Hoffnung auf das neue Elektronenmikroskop
Was Sigl dort zutage fördert, muss häufig mit speziellen Geräten untersucht werden. „Wir graben Millimeter für Millimeter“, sagt sie. Die Maschenweite der Siebe sei mit bis zu fünf Mikrometern besonderes eng. „So sollen kleinste Funde geborgen werden – Samen oder Tierknochensplitter. Keramikscherben, an denen sich Rückstände zum Beispiel von öl- oder säurehaltigen Lebensmitteln feststellen lassen, werden dann im Labor untersucht“, erklärt Sigl. Erst kürzlich hat die Archäologin einen Mitarbeiter des GEM angeworben, um Farbpigmente zu analysieren. Sigl interessiert dabei vor allem, welche Bindemittel benutzt wurden.
In Zukunft hofft Sigl im Conservation Center des GEM mit einem Elektronenmikroskop arbeiten zu können. Auch der Untersuchungsraum für Insektenbefall könnte wichtig für ihre Forschung werden. „Insekten sagen uns etwas über die Lagerung von Lebensmitteln und über die hygienischen Voraussetzungen“, sagt die Wissenschaftlerin.
Es ist eine minutiöse Kleinarbeit, die Sigl in Elephantine zur Erforschung der Alltagsgeschichte betreibt. Scheinbar ein großer Kontrast zur Ereignisgeschichte der Pharaonen und der Unnahbarkeit der gottgleichen Herrscher wie Tutanchamun. Doch auch das imposante kulturelle Erbe der Könige kann dem Besucher einer Ausstellung mehr sagen, als dass sie unheimlich mächtig und reich waren.
Im Zentrum des Museums: die goldene Totenmaske von "Tut"
Mit der sogenannten Szenografie im GEM – also der Planung und Gestaltung der Ausstellung – ist das Atelier Brückner aus Stuttgart betraut. Zweifellos ein Megaprojekt für das Büro, allein das Konzeptpapier umfasst mehr als 600 Seiten, sagt die Projektbeauftragte Tanja Zöllner. Im GEM werden zunächst die Tutanchamun-Ausstellung sowie ein Kindermuseum und die sogenannten Grand Stairs eröffnet, verrät Zöllner. Auf der großzügigen Treppenanlage, die aus dem Foyer im Eingangsbereich in die einzelnen Ausstellungsräume führt, sollen die Dynastien des Alten Ägyptens vorgestellt werden. Rund 90 Großskulpturen werden dort gezeigt. Eine elf Meter hohe Statue von Ramses II., der von 1279 bis 1213 v. Chr. regierte, bestimmt die Atmosphäre im Eingangsbereich des Foyers.
Im Zentrum des GEMs werde jedoch die goldene Totenmaske von Tutanchamun stehen, sagt Zöllner. Die Beschäftigung mit dem Kindkönig, der als Achtjähriger den Thron bestieg, bilde den Kern des Museums. „Natürlich präsentieren wir die Stücke aus dem Grab, wie sie sind. Aber wir wollen vor allem Geschichten erzählen und Wissen vermitteln.“ Über die Symbolfunktionen der Objekte hinaus gehe es um die Frage, wer der Mensch hinter dem großen Namen des Pharaos war.
Nun wurde schon vieles gesagt über Tutanchamun – über seine Herkunft als Sohn des Pharaos Echnaton, seine Entscheidung, die religiösen und gesellschaftlichen Umwälzungen des Vaters rückgängig zu machen, die alten Götter wiedereinzuführen sowie die Hauptstadt des Reiches nach der nahezu monotheistischen Zeit unter Echnaton von Armana wieder an die alte Stätte in Memphis zu verlegen.
Das Grand Egyptian Museum soll auch den Tourismus ankurbeln
Den Museumsmachern geht es jedoch genauso um das, was noch nicht bekannt ist. Zöllner sagt: „Das Nichtwissen ist Bestandteil des Konzepts. Wenn Wissen dazukommt, gibt es im GEM Raum, um es hinzuzufügen.“
Aber schon während der Vorbereitung der Objekte für die Ausstellung finde ein Wissensprozess statt, sagt Zöllner. „Jedes Stück wird noch mal angesehen und nach seinem narrativen Potenzial befragt.“ Es ist wie eine Art Inventur. Viele Objekte – zum Beispiel einige der goldenen Schreine aus dem Tutanchamun-Grab – würden im Conservation Center zum ersten Mal überhaupt auseinandergebaut, um sie zu restaurieren. Bei dieser Gelegenheit erfahren Restauratoren, Konservatoren, Archäologen, Ägyptologen und Historiker Dinge über die Konstruktion und Herstellungsweise, die sie dem Stück von außen nicht ansehen würden. Somit schließt sich eine Kette der Wissensproduktion von der Bearbeitung der Funde bis zu ihrer Präsentation.
Das GEM löst das Ägyptische Museum am Tahrirplatz ab, das „die Sammelstelle für alle archäologischen Tätigkeiten“ in Ägypten und „ein Juwel für sich“ war, wie Archäologin Johanna Sigl sagt. Das alte Haus wird restauriert. Dort sollen in Zukunft vor allem Statuen präsentiert werden. Zusammen mit dem GEM und dem National Museum of Egyptian Civilization, das die Geschichte des Landes von der Frühgeschichte bis heute zeigt, soll es ein Museumsdreieck in Kairo bilden – so jedenfalls der Plan der Antikenverwaltung. Sie hofft darauf, dass sich der Tourismus nach dem Einbruch während der Revolution im Arabischen Frühling im Jahr 2011 wieder erholt. Für die Erhaltung der archäologischen Stätten in Ägypten wäre das wichtig, denn das Budget der Antikenverwaltung setzt sich zu einem großen Teil aus Eintrittsgeldern zusammen.
Baukosten stiegen von 550 Millionen auf eine Milliarde US-Dollar
Das GEM könnte dafür einen Beitrag leisten, auch wenn es das Budget zunächst schwer belastet. Die Baukosten stiegen zuletzt von ursprünglich veranschlagten 550 Millionen US-Dollar auf über eine Milliarde US-Dollar, sagte Ägyptens Minister für Antiken, Khaled El-Enany, Ende 2017 bei einer Veranstaltung in Kairo. Gut 75 Prozent kommen von Kreditgebern aus Japan. Den Rest bringen die ägyptischen Behörden, Spender und internationale Organisationen auf.
Anfang 2002 wurde der Grundstein gelegt. Nach dem Softopening in diesem Jahr beginnt der zweite Bauabschnitt. Dann sollen die sogenannten „Dynasty Galeries“ entstehen – der mit knapp 50 000 Exponaten aus der Zeit zwischen dem frühen Altägypten um 3100 v. Chr. und den Ptolemäern um 140 n. Chr. auf einer Fläche von 30 000 Quadratmetern größte Bereich der Ausstellung. Die Eröffnung wird den Szenografen vom Atelier Brückner zufolge für das Jahr 2022 angestrebt. „Große Investitionen müssen vielleicht einen langen Atem haben“, sagt Johanna Sigl. Sie und ihre deutschen und ägyptischen Kollegen seien jetzt erst einmal auf die Teileröffnung in diesem Jahr neugierig.
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