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Elektronenmikroskopische Aufnahme von Sars-Cov-2-Körperchen (gelb), die sich von einer infizierten Zelle abschnüren. (angefärbt)
© NIAID

Antikörperreaktion nimmt ab: Durchgemachte Covid-19-Erkrankung garantiert keine Immunität

Die Antikörper sinken auch bei zuvor erkrankten Geimpften. Eine Studie belegt auch Nachteile einer nur einfachen Impfung nach durchgemachter Infektion.

Von Kinderkrankheiten wie den Windpocken sagt man es: Wer sie einmal durchgemacht hat, braucht keine erneute Infektion zu fürchten. Zwar trifft das nicht in allen Fällen zu, der Immunschutz hält jedoch länger vor als bei Covid-19.

Die Zahl von Antikörpern gegen den Erreger Sars-Cov-2 sinkt sogar bei Menschen, die nach ihrer überstandenen Infektion geimpft wurden, fand ein Forschungsteam um Thomas McDade von der Northwestern University in USA. Zwei Monate nach der zweiten Impfung mit einem mRNA-Impfstoff von Biontech/Pfizer oder Moderna hatte die Antikörperreaktion bei erwachsenen vormals Erkrankten deutlich abgenommen, berichtet das Team in der Zeitschrift „Nature Scientific Reports“.

Stärkere Immunantwort bei deutlichen Symptomen

Die etwa 30 Teilnehmenden der Studie gaben jeweils zwei bis drei Wochen nach ihrer ersten und zweiten Impfdosis sowie zwei Monate nach der zweiten Dosis Blutproben ab. Im Labor testeten die Forschenden sie auf neutralisierende Antikörper, indem sie maßen, wie stark die Blutprobe die Interaktion zwischen dem Spike-Protein des Virus und dem Rezeptor menschlicher Zellen hemmen konnte, an den das Virus bei Zellinfektionen andockt.

Drei Wochen nach der zweiten Impfdosis lag der durchschnittliche Grad der Hemmung bei 98 Prozent. „Das deutet auf eine sehr hohe Aktivität neutralisierender Antikörper hin“, sagt McDade. Zwei Monate später hatte die Antikörperreaktion jedoch um etwa 20 Prozent abgenommen.

„Viele Menschen und viele Ärzte nehmen an, dass jede frühere Exposition gegenüber Sars-Cov-2 eine Immunität gegen eine erneute Infektion verleiht“, wird McDade in einer Mitteilung seiner Universität zitiert. Daher würden Genesene bisweilen davon ausgehen, dass sie sich gar nicht impfen lassen müssen oder nur eine Dosis einer Zweifachimpfung benötigten, wie es in Deutschland bislang vorgesehen ist.

Die Forscherinnen und Forscher stellten fest, dass die Antikörperreaktion auf die Impfungen je nach Vorgeschichte unterschiedlich ausfiel. Bei Personen mit klinisch bestätigten Covid-19-Erkrankungen mit mehreren Symptomen war die Reaktion stärker als bei Personen, die positiv getestet wurden, aber nur leichte oder gar keine Symptome aufwiesen.

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„Bei Personen, die eine milde Infektion hatten, ist die Antikörperreaktion auf die Impfung im Wesentlichen die gleiche wie bei Personen, die zuvor nicht exponiert waren“, sagt McDade. Die Studie zeige, dass überstandene Infektionen weder einen hohen Antikörperspiegel noch eine robuste Antikörperreaktion auf die erste Impfstoffdosis garantierten.

Auch vormals Erkrankte sollten beide Dosen der mRNA-Impfstoffe erhalten, sagen die Forschenden. Zumal die Delta-Variante ansteckender sei als die Wildtyp-Variante, die die Erkrankungen der Studienteilnehmer verursacht hatte. „Wir haben also gleich zwei Probleme, Delta und nachlassende Immunität bei der ersten Welle der Geimpften“, so McDade.

Zelluläre Immunantwort kann fortbestehen

Dagegen sei die Reaktion der T-Zellen des Immunsystems nach einer Impfung oder einer natürlichen Infektion bei allen Varianten ähnlich, berichtet das Team. Sie könne den Schweregrad von Covid-19 verringern, wenn es zu einer Durchbruchsinfektion kommt.

In Studien zum Immunschutz gegen das Coronavirus dienen meist Antikörper als das Maß. Dies hängt auch damit zusammen, dass Antikörperantworten in der Diagnostik etabliert und viel einfacher zu bestimmen sind als die zelluläre Immunantwort.

„Die reine Betrachtung der Antikörperantwort vernachlässigt die zelluläre Immunantwort“, sagte Robert Thimme von der Uniklinik Freiburg dem Tagesspiegel. Bereits kurz nach der ersten Impfung und vor der Antikörperantwort würden T-Zellen gebildet, was einen Schutz vermittelt.

Die zelluläre Immunantwort könne auch erhalten bleiben, wenn die Antikörperantworten nach der natürlichen Infektion verschwinden. „Dennoch ist natürlich ein hoher Antikörpertiter für einen optimalen Schutz wünschenswert“, sagt der Arzt.

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