Promotion an Fachhochschulen: Dr. FH nur unter Vorbehalt
Drei Bundesländer versprechen das Promotionsrecht für Fachhochschulen. Doch die Hürden sind hoch, an den Universitäten führt bisher kein Weg vorbei.
Die Fachhochschulen lassen nicht locker. Gegen den vehementen Widerstand der Universitäten fordern sie seit Jahren immer wieder ein eigenes Promotionsrecht. Dabei betonen sie ihre Forschungsstärke, die sich durchaus mit der von Universitäten messen könne. In Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg und Hessen sind die Landesregierungen ihren Fachhochschulen in den vergangenen Monaten entgegengekommen. Die drei Länder haben Fachhochschulprofessoren erstmals ein Promotionsrecht in Aussicht gestellt. FH-Rektoren aus anderen Bundesländern sehen darin ein Vorbild für eine bundesweite Entwicklung. Doch bei näherem Hinsehen ist der große Durchbruch für die ehrgeizigen Hochschulen noch nicht erreicht.
Baden-Württemberg will erst prüfen, ob nicht andere Modelle ausreichen
Stuttgart ist auf dem Papier am weitesten: Der Landtag hat Ende März eine Novelle des Hochschulgesetzes beschlossen, eine Experimentierklausel darin besagt, dass Zusammenschlüsse von Fachhochschulen „zeitlich und thematisch begrenzt das Promotionsrecht erhalten können“. Die Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW), wie sie im Südwesten durchgehend genannt werden, stehen schon in den Startlöchern, sagt Winfried Lieber, Rektor der Hochschule Offenburg und stellvertretender Vorsitzender der Landesrektorenkonferenz. Eine Gruppe von Rektoren arbeite bereits an einer Rechtsverordnung für den Promotions-Verbund. Dies geschehe in Abstimmung mit Hochschulleitungen in Schleswig-Holstein und Hessen.
Doch wann die ersten Verbünde tatsächlich an den Start gehen dürfen, daran scheiden sich die Geister. Nach Auffassung des Wissenschaftsministeriums nämlich soll die Experimentierklausel erst dann greifen, wenn sich andere Wege zur Promotion von FH-Absolventen als nicht gangbar erweisen. „Der Königsweg ist und bleibt die Kooperation zwischen Universitäten und HAWen“, heißt es auf Anfrage aus dem Stuttgarter Wissenschaftsministerium. Zunächst solle evaluiert werden, wie diese kooperative Promotion laufe. Dann sollten mögliche Hindernisse ausgeräumt werden. Erst danach stehe gegebenenfalls ein gesondertes FH-Promotionsrecht in Verbünden zur Debatte. Das sehen die Hochschulen ganz anders. „Wir haben uns die Experimentierklausel nicht so vorgestellt, dass man unser Promotionsrecht auf die lange Bank schiebt“, sagt Lieber.
Mangelnde Bereitschaft der Universitäten
Was bei der geplanten Evaluation der kooperativen Promotion herauskommen wird, liegt für den Offenbacher Rektor ohnehin auf der Hand. „Es funktioniert passabel, aber konkrete Promotionsvorhaben scheitern oft an der fachlichen Passung mit den Unis.“ So seien Projekte in der Gesundheits- oder Pflegeforschung bislang kaum möglich, weil die Universitäten keine entsprechenden Studiengänge und Professuren haben. Auch die bereits bestehenden Promotionskollegs seien fachlich festgelegt und stünden nur einem sehr kleinen Kreis von Studierenden offen. Dass kooperative Promotionen keine Alternative zum eigenen FH-Promotionsrecht seien, hatte kürzlich auch die Gruppe der Fachhochschulen in der Hochschulrektorenkonferenz betont. Sie scheiterten „oft an den begrenzten Ressourcen aufseiten der Universitäten“ – und an mangelnder Bereitschaft auf Uniseite, heißt es in einem Eckpunktepapier vom Juni dieses Jahres.
In Schleswig-Holstein präsentierte die parteilose Wissenschaftsministerin Waltraud Wende im November vergangenen Jahres ihre Idee von Forscherteams aus Fachhochschulen, die das Promotionsrecht erhalten sollen. Auch dieser Vorstoß wurde in der FH-Szene bejubelt. Angesichts des großen Gewichts der Universitäten in den Forscherteams sowie im „Virtuellen Promotionskolleg Schleswig-Holstein“, das diese als Dach überspannt, kann allerdings kaum von einem eigenständigen Promotionsrecht der Fachhochschulen gesprochen werden.
Ohne "Spiegelprofessur" an einer Uni geht nichts
Neben mindestens drei forschungsstarken Fachhochschulprofessuren, die an einem gemeinsamen Forschungsfeld arbeiten, soll den Teams mindestens eine universitäre „Spiegelprofessur“ angehören. Das geht aus einem aktuellen Papier des Ministeriums hervor. Die Dissertationen sollen dann von einem Promotionsausschuss aus Mitgliedern anderer Forscherteams begutachtet werden, darunter wieder ein Uniprofessor. Die Disputation erfolgt zwar an der Fachhochschule des Doktorandenbetreuers, die Promotionsurkunde wird aber vom Virtuellen Promotionskolleg ausgestellt. Die Urkunde trägt ebenfalls das Siegel der beteiligten FH, aber auch das der Universität der Spiegelprofessur. Die Unis sind in Schleswig-Holstein also immer mit dabei. Abgesehen von der höheren Zahl der FH-Professoren in den Forscherteams unterscheidet sich dieses Modell qualitativ kaum von den Kooperativen Forschungskollegs der FHs und Unis, die das Bundesforschungsministerium bereits seit 2011 fördert.
Die universitären Spiegelprofessuren und das Unisiegel seien Zugeständnisse an die Unis, die auf die Exklusivität des Promotionsrechts pochten, sagt der Präsident der FH Flensburg, Herbert Zickfeld. Die Fachhochschulen sähen die Kompromisslösung mittlerweile sogar entspannt. Unmut aber erregt weiterhin die Auswahl der FH-Professoren für die Forscherteams. Ihre wissenschaftliche Expertise soll zuvor positiv evaluiert werden, wenn sie nicht schon Zweitmitglieder einer Uni sind. Es sei nicht einzusehen, dass sich angewandte Forschung an Fachhochschulen legitimieren muss, die ebenfalls praxisnahe Forschung an technischen Fakultäten von Unis aber nicht, sagt Zickfeld.
Zickfeld nennt Trennung der Unis und FHs "Snobismus"
Überhaupt ist die Trennung von Universitäten und Fachhochschulen für den Flensburger Präsidenten „ein anachronistischer Snobismus“. Gleichwohl sei das schleswig-holsteinische Modell ein Schritt zur Aufhebung der traditionellen Differenzierung zwischen den Hochschultypen. Zickfeld geht davon aus, dass die Fachhochschulen in Deutschland mittelfristig wie in Großbritannien in den 90er Jahren Universitätsrang erhalten.
In Baden-Württemberg drängen die Hochschulen erst einmal darauf, ihre Promotionsverbünde zeitnah starten zu können. Das sei eine Voraussetzung, um wissenschaftlichen Nachwuchs heranbilden und halten zu können, sagt der Offenburger Rektor Winfried Lieber. Im Wettbewerb mit den Unternehmen um begehrte Nachwuchskräfte seien die Professorengehälter nicht konkurrenzfähig. „Wir müssen den jungen Leuten eine Perspektive in der Forschung geben, um attraktiv zu sein, sie wollen nicht nur lehren.“
Der Wissenschaftsrat hat das Promotionsprivileg der Unis bisher stets verteidigt
Die schwarz-grüne Landesregierung in Hessen will laut Koalitionsvertrag ein eigenständiges Promotionsrecht für forschungsstarke Bereiche an Fachhochschulen etablieren – ebenfalls im Rahmen hochschulübergreifender Kooperationen. Die Ausgangslage ist also ähnlich wie in Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein. Details würden in nächster Zeit mit Unis und FHs ausgehandelt, heißt es aus dem Wissenschaftsministerium.
Am Ende jedenfalls soll das Konzept vom Wissenschaftsrat abgesegnet werden, und das ist eine hessische Besonderheit. Ein Modell, das den Fachhochschulen mehr Freiräume geben würde als in den anderen beiden Ländern, bekäme wohl kaum den Segen des Gremiums. In der Vergangenheit hatte es die Unis zwar gemahnt, sich für Fachhochschulabsolventen und kooperative Promotionen weiter zu öffnen. Das alleinige Promotionsprivileg der Universitäten aber hat der Wissenschaftsrat stets verteidigt.
Amory Burchard