Mit freundlicher Unterstützung von Elon Musk: Die USA sind auf dem Weg zurück ins All
Nach neun Jahren sollen erstmals wieder Astronauten von Florida aus in den Weltraum starten – mit Hilfe einer SpaceX-Rakete.
Für die US-Raumfahrt ist es das Großereignis: Am Mittwoch werden endlich wieder Astronauten vom eigenen Territorium aus ins All starten. Seit dem Ende der Shuttleflüge im Juli 2011 ist das nicht mehr möglich, die Nasa musste teure Sitzplätze in den russischen „Sojus“-Kapseln buchen.
Für den Flug zur Internationalen Raumstation (ISS) werden Douglas Hurley und Robert Behnken, erfahrene Testpiloten und Shuttleveteranen, im Raumschiff „Crew Dragon“ von SpaceX Platz nehmen. Ein schickes Gefährt mit viel Weiß und Carbon im Inneren und moderner Technik unter der Verkleidung.
Der Start, zu dem sich auch Präsident Donald Trump einfinden wird – zumindest als Zuschauer – ist ein Versprechen auf eine glorreiche Zukunft, in der schon 2024 wieder Menschen auf dem Mond landen und bald auch zum Mars fliegen, wenn man den Beteuerungen der US-Regierung und ihrer Raumfahrtbehörde glaubt.
Verhaltener Jubel
Doch die Jubelstimmung wird getrübt: Der Nasa-Manager für bemannte Raumfahrt, Douglas Loverro, ist nur wenige Tage vor dem Start zurückgetreten. Die genauen Ursachen sind nicht bekannt, die Andeutungen lassen aber erkennen, dass innerhalb der Führung großer Druck und wenig Teamgeist herrschen.
Zudem hat die Nasa aufgerufen, pandemiebedingt den Start daheim am Bildschirm zu verfolgen, anstatt an die „Space Coast“ in Florida zu pilgern. Seit der Apollo-Ära ist die Gegend um das Kennedy Space Center ein beliebtes Reiseziel, um persönlich zu erleben, wie die Raketen in den Himmel donnern. Wie viele sich daran halten, wird man sehen.
Wenn die neue Kapsel, montiert auf einer Falcon-9-Rakete, wie geplant um 22:33 Uhr (MESZ) abhebt, beginnt ihre letzte Testreihe. Formal ist es nämlich kein Versorgungsflug zur ISS, sondern ein Testflug für Crew Dragon, um die endgültige Zulassung für den regulären Pendelbetrieb für Astronauten zwischen Erde und Station zu erhalten. Wenn alles nach Plan verläuft, könnte der im September beginnen – nach anderthalb Jahrzehnten Vorbereitung.
Da die Spaceshuttles nicht so preiswert zu betreiben waren wie erhofft, hatte die Nasa 2006 ein Programm gestartet, bei dem Unternehmen mit erheblicher finanzieller Unterstützung Raketen und Raumschiffe entwickeln, um Versorgungsgüter und später auch Astronauten in den erdnahen Raum zu bringen, wo die ISS kreist. Die Nasa wiederum, so die Idee, würde diese Transportleistungen nur einkaufen und stattdessen ihre Kraft darauf verwenden, Missionen zu ferneren Zielen wie Mond und Mars vorzubereiten.
Der Warentransport gelang relativ rasch, 2012 erreichte der erste Transporter („Dragon“ von SpaceX) die Station. Ab 2015, so hoffte man, werden auch wieder Astronauten starten. Bis dahin würden die Amerikaner bei den Russen in den „Sojus“-Kapseln mitfliegen. Nun, fünf Jahre später als geplant, ist „Crew Dragon“ startklar. 3,1 Milliarden Dollar hat SpaceX für die Entwicklung aus dem Commercial Crew Program der Nasa erhalten. Boeing bekam sogar 4,8 Milliarden Dollar, dessen „CST-100 Starliner“-Raumschiff hatte bei einem unbemannten Testflug im Dezember 2019 aber etliche technische Probleme und muss diesen zunächst wiederholen, bevor ein Test mit Crew erfolgen darf. Die dafür ausgewählten drei Astronauten müssen sich weiter gedulden.
Zwei erfahrene Spaceshuttle-Astronauten sind die ersten Drachenreiter
Für Douglas Hurley und Robert Behnken wird es nun ernst. Vom berühmten Startkomplex 39 A aus, wo beide mehrfach mit dem Spaceshuttle die Erde verließen, Hurley sogar beim letzten Flug überhaupt am 8. Juli 2011, sollen sie in den Himmel aufsteigen.
Doch dieses Mal ist vieles anders. Wegen Covid-19 herrschen strenge Sicherheitsvorschriften. Die beiden Astronauten sind seit dem 13. Mai in Quarantäne, haben schon in der Zeit zuvor nur noch begrenzt Kontakt zu anderen gehabt – sie sollen gesund bleiben und keinesfalls das Coronavirus auf die Station mitbringen. Die Familien sollten zunächst nicht, wie üblich, den Start am Kennedy Space Center verfolgen können. Nun haben sie sich ebenfalls in Quarantäne begeben und werden die zwei Raumfahrer doch noch sehen, wie Behnken nach seiner Ankunft in Florida am Mittwoch mitteilte.
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Auf den legendären Astrovan müssen die beiden aber in jedem Fall verzichten: jene rollende Blechbüchse, mit denen die US-Raumfahrer die letzten Kilometer bis zur Startrampe gefahren wurden. Stattdessen steht ein Model X von Tesla bereit; die Autofirma gehört Elon Musk, der zugleich Chef von SpaceX ist. Auch der Startturm und die Gangway zur Kapsel – das Gelände wurde von SpaceX gepachtet – kommen futuristisch daher, mehr noch „Crew Dragon“ selbst.
Bilder und Videos, die veröffentlicht wurden, zeigen: Das Innere bietet viel Platz, im Vergleich zu den robusten, aber engen „Sojus“-Kapseln ist es eine Kathedrale. Kühles Weiß ist kombiniert mit Carbonoptik, von oben herab hängen Touchscreens, selbst die Raumanzüge und Helme sind dazu passend entworfen worden.
Entscheidend ist trotzdem, dass die für bis zu sieben Personen ausgelegte Kapsel zuverlässig fliegt. Die Steuerung und das Andocken kann automatisiert oder vom Kontrollzentrum aus erfolgen. Die Astronauten können aber auch eingreifen und per Hand steuern. Das werden Hurley und Behnken testen, bevor sie einen Tag später an die ISS koppeln.
Crew Dragon wird die US-Flagge von der ISS mitbringen
Dort wartet eine besondere Trophäe: Mit dem letzten Shuttleflug war eine US-Flagge zur Station gebracht worden, die bereits mit dem ersten Spaceshuttle im All war. Präsident Obama erklärte damals 2011 in einer Telefonschalte mit der Crew, dass die Flagge dort bleiben solle, bis eine Firma Astronauten zur ISS bringen werde. SpaceX hatte sogleich erklärt, die Wette anzunehmen und sich auf den Weg zu machen. Das Technikmagazin „Ars Technica“ fragte nun bei Hurley nach, ob er sich das symbolträchtige Tuch schnappen werde. „Wir werden sie wahrscheinlich holen“, antwortete er, „sie sicher verstauen und wieder zurück zur Erde bringen.“
Der genaue Termin für den Rückflug steht noch nicht fest. Er hängt davon ab, wann der erste reguläre Flug stattfinden kann – der wiederum von den Ergebnissen des Testflugs abhängt. Vermutlich im September soll die nächste Mannschaft kommen und Behnken und Hurley zuvor ablegen, um schließlich über dem Atlantik an Fallschirmen niederzugehen.
Die finale Testmission kommt für die Nasa reichlich spät. Mit jeder Verzögerung war sie gezwungen, weitere Fluggelegenheiten in den russischen „Sojus“- Kapseln zu kaufen. Die russische Agentur als einziger Anbieter für Flüge zur ISS erhöhte regelmäßig die Preise und verlangte zuletzt rund 90 Millionen Dollar für einen Platz. Dies ist auch ein Grund, weshalb seit Februar meist nur drei Astronauten auf der Station lebten, obwohl sie üblicherweise mit sechs besetzt ist. Bei den Planungen ging man davon aus, dass SpaceX früher startklar ist, etwa Ende 2019, doch die Testreihen verzögerten sich.
„Man hätte die Lücke mit einem extra ,Sojus’-Flug schließen können, doch das hätte das Nasa-Budget zusätzlich belastet“, sagt Volker Schmid, beim Raumfahrtmanagement des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt zuständig für das ISS-Programm. Den Verlust für die Wissenschaft – drei Leute haben viel mit Bordroutinen zu tun und kommen kaum zum Forschen – hält er für vertretbar. „Es gibt zwar etwas weniger Forschung, aber das wird aufgeholt, wenn bald wieder sechs Crewmitglieder in der Station sind.“
„Crew Dragon“ sei auch für die deutschen und europäischen ISS-Aktivitäten wichtig, ergänzt Schmid. Indem zwei verschiedene Flugmöglichkeiten bestünden, sei der Zeitplan stabiler, mögliche Ausfälle könnten besser ausgeglichen werden. Mit Matthias Maurer soll bald auch wieder ein Deutscher für sechs Monate zur ISS fliegen. Ob mit „Crew Dragon“ oder Boeings „Starliner“, steht laut Esa, bei der Maurer angestellt ist, noch nicht fest. Sein Starttermin wird mit „nicht vor Mitte 2021“ beziffert. „Es ist wahrscheinlich, dass dieser um einige Monate verschoben wird“, sagt Schmid. „Verzögerungen gibt es in der Raumfahrt häufiger und nun kommt noch die Corona-Pandemie hinzu.“
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Die Reise- und Abstandsbeschränkungen machten Zulieferern ebenso zu schaffen wie den Raumfahrtagenturen. Er hoffe, dass sich die Kosten der Pandemie nicht auf die künftigen Raumfahrtbudgets auswirken und warnt davor, an der Entwicklung von Zukunftstechnologien zu sparen.
Vor diesem Hintergrund erscheint die für 2024 avisierte Mondlandung von US-Astronauten zunehmend unrealistisch. Zumindest bis zur ISS sollten sie es aber schaffen. Hoffentlich.