Wie weiter mit der Exzellenzinitiative: Die Unis brauchen einen großen Wurf
Der Bund muss dauerhaft in die Finanzierung der Hochschulen einsteigen – für eine starke Breite und eine starke Spitze.
Die Exzellenzinitiative soll nach 2017 weitergehen, da ist sich die Politik einig. Gestritten wird aber über das Wie. Die Unionsfraktion im Bundestag hält am Wettbewerb zwischen ganzen Unis fest. Mittelfristig soll es nur vier bis fünf Exzellenzunis in Deutschland geben. Aktuell sind es elf. Die SPD-Fraktion hingegen will keinen Wettbewerb zwischen ganzen Unis mehr. Stattdessen will sie neben großen „Exzellenznetzwerken“ auch „regionale Verbünde“ mit „Partnern aus den Fachhochschulen oder der Wirtschaft“ fördern. – Edelgard Bulmahn, Vizepräsidentin des Bundestages, hat die Exzellenzinitiative vor über zehn Jahren als Bundesbildungsministerin ins Leben gerufen. Sie weicht von dem Vorschlag ihrer Fraktion ab. Für den Tagesspiegel hat sie aufgeschrieben, wie sie sich die deutsche Hochschulpolitik vorstellt. Tsp
In unserer heutigen Welt besitzen Hochschulen für die kulturelle, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung eine Schlüsselrolle. Die Bedeutung der Hochschulen wird weiter wachsen, sowohl für die Ausbildung der jungen Generation, für Wissenschaft und Forschung sowie als Ort wichtiger gesellschaftspolitischer Debatten. Ihre umfassenden Aufgaben werden Hochschulen für unsere Gesellschaft allerdings nur dann bewältigen können, wenn sie über ausreichende und verlässliche Finanzmittel verfügen, durch bildungs- und wissenschaftsfreundliche Rahmenbedingungen unterstützt werden und eine hohe gesellschaftliche Wertschätzung erfahren.
In der deutschen Debatte wird immer wieder ein Gegensatz zwischen der Förderung internationaler Spitzenforschung und einer Breitenförderung konstruiert, als ob dies Gegensätze seien. Beides ist notwendig, eine Spitze kann sich nur auf einer guten, breit angelegten, leistungsfähigen Hochschullandschaft entwickeln und eine gute Breitenförderung muss durch eine Spitzenförderung ergänzt werden, um Entwicklungen voranzutreiben. Es ist deshalb Aufgabe der Wissenschaftspolitik beides zu gewährleisten: die Sicherstellung einer ausreichenden Grundfinanzierung (Breitenförderung) und die besondere Förderung ressourcenaufwändiger Spitzenforschung.
Die Hochschulen sind dramatisch unterfinanziert
Zurzeit sind die Hochschulen jedoch dramatisch unterfinanziert. Die jährliche Finanzierungslücke wird vom Wissenschaftsrat auf vier Milliarden Euro geschätzt. Hinzu kommt die wachsende Schieflage zwischen der zu geringen Grundfinanzierung und einer zunehmenden Drittmittelabhängigkeit.
Diese wachsende Abhängigkeit von Projektmitteln verwehrt den Hochschulen die nötige Planungssicherheit und erschwert eine langfristig angelegte Personalpolitik. Mangelnde Perspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs und ein Mangel beim wissenschaftlichen Personal für die Lehre sind die eine Folge, übervolle Seminare und Vorlesungen eine andere. Wissenschaftliche Karrieren sind in Deutschland schlechter planbar als in vergleichbaren Ländern und münden nur allzu oft in befristeten Anstellungen. Die Juniorprofessur sollte deshalb konsequent mit einem Tenure-Track verbunden werden. Weitere verlässliche Karrierewege sollten eröffnet werden, wie zum Beispiel entsprechende Lecturer-Stellen beziehungsweise Lehrprofessuren und eine Erhöhung der Zahl der W2- und W3-Professuren. Schließlich birgt – und das sollte man nicht vergessen – die unzureichende Grundfinanzierung stets die Gefahr einer Vernachlässigung der sogenannten kleinen Fächer.
Der Bund muss in die Grundfinanzierung der Hochschulen einsteigen
Die größte Herausforderung für die Wissenschaftspolitik besteht vor diesem Hintergrund darin, die Grundfinanzierung der Hochschulen deutlich zu erhöhen! Hierfür müssen wir verlässliche Finanzierungsstrukturen schaffen und die Hochschulfinanzierung endlich verstetigen! Mit der Verfassungsänderung vom 1. Januar 2015 hat der Bund zum ersten Mal die Chance, langfristig einen Teil der Grundfinanzierung wie auch der Spitzenförderung zu übernehmen und das Durchhangeln von Sonderprogramm zu Sonderprogramm zu beenden. Entscheidend ist jetzt allein der politische Wille auf beiden Seiten, bei Bund und Ländern.
Statt immer wieder befristete Finanzierungsvereinbarungen zu treffen, brauchen wir einen auf Dauer angelegten Hochschulzukunftspakt, mit den der Bund sich dauerhaft an Grundfinanzierung der Hochschulen beteiligt. Bund und Länder sollten dabei zugleich eine neue Förderungsart – die Studienabschlussförderung – vereinbaren. Mittels dieser neuen, auf Studierende und Studienabschlüsse bezogenen Finanzierungskomponente könnte der Bund den Hochschulen jährlich für jeden erfolgreichen Studienabschluss einen festen Betrag zuweisen. Diese Studienabschlussförderung wäre ein geeignetes Anreizsystem für einen bedarfsgerechten, länderübergreifenden Hochschulausbau und eine kontinuierliche Qualitätsverbesserung der Lehre. Mögliche Fehlsteuerungen könnten vermieden werden, indem man unterschiedliche Studienkosten der einzelnen Fächer ebenso berücksichtigt wie den Anteil ausländischer Absolventen oder solcher ohne Abitur. Darüber hinaus könnte man sich auch an der Zahl der Prüfungsanmeldungen beziehungsweise -zulassungen orientieren, um die Hochschule nicht dazu zu verleiten, allzu leichtfertig Prüfungsleistungen zu bescheinigen.
Die Hochschulen brauchen Planungssicherheit
Meines Erachtens bietet eine solche Förderkomponente mehrere Vorteile zugleich. Erstens: Sie ermöglicht die Beteiligung des Bundes an der Grundfinanzierung der Hochschulen und verankert eine dauerhafte Förderung in der Breite. Die Hochschulen erhalten endlich die notwendige Planungssicherheit – gerade auch für die Schaffung unbefristeter Stellen. Zweitens: Die Mittel können über den Wissenschaftsrat oder die DFG verausgabt werden und direkt in die jeweiligen Hochschulhaushalte fließen. Drittens: Eine so gestaltete Förderung ist flexibel und transparent und mit einem geringen Verwaltungsaufwand durchführbar. Entscheidend ist, dass diese Förderungsart unbefristet, dauerhaft wäre.
Darüber hinaus sollte die Grundfinanzierung durch eine Erhöhung des Overheadanteils in der Projektförderung der DFG und des Bundesforschungsministeriums verbessert werden, indem der Bund seinen Anteil erhöht. So wird erreicht, dass knappe Grundmittel nicht für die Einwerbung und Durchführung von Projekten verausgabt werden müssen.
Neben der Ausweitung und Verstetigung der Grundfinanzierung werden wir auch die intensive Förderung der Spitzenforschung fortführen müssen. Die Exzellenzinitiative sollte unter ausdrücklicher Einbeziehung der zweiten und dritten Förderlinie weitergeführt werden.
Die Zukunftskonzepte helfen, die Profilbildung zu schärfen
Während die Fortführung der Förderlinie Exzellenzcluster unstrittig ist, ist die der Zukunftskonzepte strittig. Bei dieser Förderlinie geht es jedoch nicht – wie immer wieder unterstellt – um die Prämierung einer ganzen Einrichtung. Keine Universität, auch nicht die sogenannten Exzellenzuniversitäten, sind in allen Wissenschaftsbereichen exzellent. Die Förderlinie „Zukunftskonzepte“ gibt den Hochschulen vielmehr ein Instrument in die Hand, professionelle Governancestrukturen zu entwickeln und die Profilbildung der Hochschule zu schärfen. Hochschulen sind mehr als die Summe der einzelnen Fächer. Sie müssen strategiefähig und in der Lage sein, ein eigenes Profil zu entwickeln, mit dem sich die Hochschulangehörigen identifizieren können. Dieser gemeinsame Geist, die „Corporate identity“, der die international erfolgreichen Universitäten auszeichnet, muss an deutschen Universitäten gestärkt werden.
Die Förderzeiträume der Exzellenzinitiative sollten auf bis zu zehn Jahre verlängert werden
Bei der Neukonzeption der Exzellenzinitiative sollten einerseits die Förderzeiträume auf bis zu zehn Jahre verlängert werden, andererseits sollten Verfahren und Möglichkeiten vereinbart werden, wie nach dem Auslaufen der Förderung eine Anschlussfinanzierung für besonders erfolgreiche Vorhaben sichergestellt werden kann, etwa durch eine institutionelle Förderung von Forschungsnetzwerken und Exzellenzzentren. Die Exzellenzcluster könnten an vielen Standorten stärker zu regionalen Clustern mit einer intensiven Zusammenarbeit von außeruniversitären Einrichtungen und Unternehmen weiterentwickelt werden.
Erfolgreiche Graduiertenschulen hingegen könnte man in die Förderung der DFG überführen. Auch hier sollte sich der Bund an der Grundfinanzierung seiner Verantwortung und seinen Fähigkeiten entsprechend beteiligen. Schließlich muss Spitzenforschung auch und gerade in der Lehre Maßstäbe setzen. Im Rahmen der Exzellenzinitiative sollte deshalb künftig die forschungsorientierte Lehre sowohl bei der Begutachtung wie auch bei der Finanzierung maßgeblich berücksichtigt werden.
Nur wenn wir Forschung und Lehre genauso wie Spitzenförderung und Grundfinanzierung in der Breite nicht als Gegensätze begreifen, sondern als komplementäre und aufeinander angewiesene Elemente eines kohärenten Wissenschaftssystems verstehen, können wir den Anforderungen der Hochschulen gerecht werden – damit sie auch künftig in der Lage sind, ihre Aufgaben für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft zu erfüllen.
Edelgard Bulmahn
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