Zukunft der Exzellenzinitiative: Elite-Dämmerung
Ist es mit den "Elite-Unis" bald vorbei? Die SPD hält nichts mehr von ganzen Exzellenz-Universitäten. Sie will ein neues Design für den Wettbewerb der Hochschulen.
„Spitzenhochschulen“ für Deutschland: Im Jahr 2004 entfachte die SPD-geführte Bundesregierung mit ihrem Vorschlag eine stürmische Debatte. Schließlich startete im Jahr 2006 ein Aufsehen erregender Wettbewerb, sogar die „Tagesschau“ berichtete über die im Volksmund „Elite-Unis“ genannten Siegerinnen. Ergänzt wurde der stark selektive Wettbewerb zwischen ganzen Unis durch einen Wettbewerb um Graduiertenschulen und um Forschungscluster. Denn das entsprach wegen der breiteren Streuung nicht nur dem deutschen Föderalismus, sondern betonte auch den Forschungscharakter der „Exzellenzinitiative“.
"Exzellenzunis" - damit es vielleicht bald vorbei
Allerdings könnten die Zeiten, in denen es in Deutschland „Exzellenzunis“ gab, bald wieder zu Ende zu gehen. Die zuletzt siegreichen zwölf Unis werden ihre Elite-Orden, die sie sich an die stolzgeschwellt Brust gehängt hatten, vielleicht nach 2017 in die Mottenkiste packen müssen. Dann läuft die alte Exzellenzinitiative aus. Die SPD-Fraktion will in der anschließenden Exzellenzinitiative aber keine ganzen Unis mehr in den Wettbewerb schicken: „Eine Einrichtung als Ganzes ist nie exzellent. Das war schon immer Quatsch“, heißt es hinter den Kulissen. Außerdem sei der neue Vorschlag der Fraktion der einzige, der bei allen Ländern die Chance auf Zustimmung habe. Die bislang wenig siegreichen Länder im Norden und Osten werden nicht noch einmal zusehen, wie das viele Exzellenzgeld – wiederum vier Milliarden Euro – in den Süden und Westen fließt.
Die SPD will bis Herbst eine Position entwickeln
SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil sprach am Montag im Bundestag von „einer harten Nuss, die zu knacken“ sei. Dort stellte die Fraktion ihren Lösungsvorschlag bei ihrem großen Wissenschaftskongress „Zukunft der Wissenschaft: Nachwuchs fördern, Exzellenz ausbauen“ den Spitzen der Wissenschaft und anderen Experten vor. Beschlossen ist noch nichts. Aber die SPD will die Evaluation der Exzellenzinitiative im Januar nicht abwarten. Schon im Herbst soll eine gemeinsame Position SPD-regierter Länder und der Fraktion entwickelt worden sein.
Zwei neue Linien für den Wettbewerb
Hubertus Heil beschrieb einen Wettbewerb mit zwei neue Linien. In der ersten sollen Unis „themenoffen“ Anträge aus der „international konkurrenzfähigen Spitzenforschung“ stellen. Das erinnert an die bisherigen großen Cluster. Doch die SPD wünscht sich, dass die neuen „Exzellenznetzwerke“ noch größer werden und noch mehr Partner zusammenführen. Bestehende Cluster könnten sich über diese Linie weiterentwickeln.
Als zweite Linie schlägt die SPD-Fraktion einen Wettbewerb um „institutionelle Kooperationen in regionalen Verbünden“ mit „Partnern aus den Fachhochschulen oder der Wirtschaft“ vor. In dieser Linie sollen Unis Anträge einreichen können, die weniger durch international wettbewerbsfähige Forschung auffallen als durch andere Leistungen: beim Transfer in die Wirtschaft, bei ihrer Leistung für die Lehre oder bei der Bereitstellung bestimmter Dienstleistungen. Fachhochschulen sind als Partnerinnen erwünscht, aber nicht antragsberechtigt.
Bis zu 25 Unis sollen pro Linie gefördert werden
Voraussetzung für die Teilnahme an beiden Linien ist, dass die Bewerberinnen ernst zunehmende Konzepte herzeigen, wie sie die Lehre stimulieren und den wissenschaftlichen Nachwuchs voranbringen wollen. Bis zu 25 Unis – aber nach Heils eigenem Geschmack auch weniger – sollen pro Linie über sieben bis zehn Jahre mit drei bis zehn Millionen Euro pro Antrag gefördert werden.
Die erstmals im Jahr 2012 über die Exzellenzinitiative geförderten fünf Unis, etwa die Humboldt-Universität, sollen die Wahl haben: entweder, sie entscheiden sich dafür, nach positiver Evaluation für weitere fünf Jahre gefördert zu werden. Oder sie bewerben sich mit auf ein neues Förderformat und können gleich sieben bis zehn Jahre gefördert werden.
Ganze Unis fördern - die SPD will das streichen
Die dritte Förderlinie, mit der bislang ganze Unis für ihre „Zukunftskonzepte“ ausgezeichnet wurden, entfällt. Von einer Anschlussfinanzierung ist nicht die Rede. Sollten Hochschulen mit ihren Zukunftskonzepten dauerhafte Verpflichtungen – etwa für neue Professuren – eingegangen sein, müssen sie sich zusätzliche Mittel vom Land beschaffen oder Sparmaßnahmen ergreifen. Die bisherige erste Linie für Graduiertenschulen entfällt ebenfalls. Existierende Graduiertenschulen sollen zum Teil von der DFG weitergefördert und an großen Unis aus Bordmitteln fortgeführt werden.
Viele Fragen zum SPD-Konzept
Das SPD-Konzept warf in der Debatte auf dem Podium und bei den Zuhörern allerlei Fragen auf. Manfred Prenzel, der Vorsitzende des Wissenschaftsrats, sagte: „Gerade Cluster sind regionale Verbünde. Wir haben sie also bereits.“ Ihm stelle sich die Frage, ob durch eine bloße Vermehrung von Verbünden Innovation erreicht werden könne. Der neue Wettbewerb müsse darum viel konkreter auf bestimmte „Leistungsdimensionen“ der Hochschulen zielen. Martin Stratmann, der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, sagte, Verbünde entstünden, wenn Wissenschaftler sich miteinander zusammentun. Dies geschehe keineswegs nur regional. Wolfgang Herrmann, der Präsident der TU München, berichtete von der an den Clustern umgehenden Sorge, sie müssten nach dem Auslaufen ihrer Finanzierung „zurück ins Glied“. Und auch über die Zukunftskonzepten seien „großvolumige Projekte“ finanziert worden. Wie es damit weitergehe, sei unklar.
Kritik von Jan-Hendrik Olbertz
Jan-Hendrik Olbertz, der Präsident der Humboldt-Universität, sagte am Dienstag auf Anfrage, es sei absolut richtig, dass die SPD in Humboldt’scher Tradition die Lehre sowie den wissenschaftlichen Nachwuchs mit in den Wettbewerb einbeziehe. Allerdings vermisse er das Thema Governance, das mit dem Wegfall der „Zukunftskonzepte“ offenbar untergehen solle. Spitzenforschung müsse sich aber auf adäquate Formen der Entscheidungsfindung und Strategiefähigkeit der Uni stützen können: „Die Exzellenzinitiative hat eine Umgestaltungsaufgabe.“ Der ganze Wettbewerb mache ohne den Governance-Aspekt keinen Sinn: „Dann kann man auch einfach der DFG mehr Geld geben.“
Auch DFG-Präsident Peter Strohschneider will auf das Thema Governance im neuen Wettbewerb nicht verzichten und ließ am Montag im Bundestag durchblicken, dass er den SPD-Vorschlag zu gießkannenförmig findet. Ginge es nach ihm, würden die Unis in einen „Forschungsfeldwettbewerb“ geschickt, in dem sie ihren Standort über Kooperationen und „Maßnahmen zur Schwerpunktbildung“ zum „weltweiten Spitzenzentrum“ entwickeln sollen.
Der DFG-Chef will auf die Governance nicht verzichten
Daneben müsse es aber wie gehabt einen „Institutionenwettbewerb“ geben, also einen Wettbewerb zwischen ganzen Unis, in dem „Strategieentwicklungsprozesse“ gefördert werden sollten, sagte Strohschneider. Die „funktionale Ausdifferenzierung“ der Hochschulprofile müsse fortgesetzt werden.
Strohschneider hält es für eine schlechte Entwicklung, wenn exzellente Teile der Uni „aus ihr herauswachsen“ und als Institut mit Bundeshilfe finanziert werden müssen, um überleben zu können. Er schlägt vor, dass im kommenden Wettbewerb diejenigen Unis, die schon seit 2006/2007 gefördert werden, die Chance haben sollen, schrittweise aus der Projektförderung in eine achtzigprozentige institutionelle Förderung durch den Bund überzugehen.
Wie Johanna Wanka dazu steht, bleibt offen
Wie Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) diesen neuen Vorstoß zu „Bundesunis“ und die Vorschläge der SPD-Fraktion findet, bleibt offen. Wanka will ihre eigenen Vorstellungen von der nächsten Exzellenzinitiative offenbar erst publik machen, wenn die Ergebnisse der Evaluierung im Januar vorgelegt werden. Aber selbst wenn Wanka weiter einzelne Unis als „Leuttürme“ fördern wollte: Sie müsste den Ländern im Gegenzug viel Geld für die Förderung in der Breite anbieten.
Anja Kühne