100 Jahre Deutsche Forschungsgemeinschaft: Die Forschungsförderung setzt auf mehr Diversität
Neue Wege zum Bürger, in die Politik - und bei der Förderung: DFG-Präsidentin Katja Becker hat sich und ihr Programm zum 100. Gründungsjubiläum vorgestellt.
Wie feiert eine Forschungsförderorganisation ihr 100. Jubiläum möglichst öffentlichkeitswirksam? Aus der 1920 gegründeten „Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft“ hervorgegangen, will die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) vor allem die Freiheit der Wissenschaft verteidigen – auch nach innen. Im Ursprung der DFG lag und liegt sie darin, dass die Gemeinschaft der Forschenden hier selber über die Förderung ihrer besten Ideen entscheidet.
Übersetzt in den Slogan „DFG2020 – Für das Wissen entscheiden“ will man weit in die Gesellschaft hineinwirken. Ab sofort werden „alle Interessierten“ in den sozialen Medien dazu aufgerufen, mit Text-, Bild- und Video-Statements zu schildern, warum sie sich „#fürdasWissen“ entschieden haben.
„Für die DFG ist es wichtig, möglichst viele Menschen zu erreichen, gerade auch die, die sich weniger gesehen oder vernachlässigt fühlen“, erklärte die neue DFG-Präsidentin Katja Becker am Montag in Berlin. Diese Menschen müsse die Wissenschaft von sich überzeugen, fügte sie laut Redemanuskript beim Neujahrsempfang der DFG hinzu.
Deshalb geht die Forschungsgemeinschaft ab April auch ganz analog auf Expeditionsreise in Deutschland. Die Prinzipien einer freien und unabhängigen Wissenschaft sollten so nicht nur an Forschungsstandorten sichtbar werden, sondern auch in Regionen mit geringer wissenschaftlicher Infrastruktur, erklärte die neue DFG-Präsidentin Katja Becker am Montag in Berlin. Die Medizinerin und Biochemikerin hat ihr Amt Anfang Januar angetreten.
Sie sammeln Fragen der Bürger an die Wissenschaft
Das Team des Berliner Theaterkollektivs Kompanie Kopfstand (KoKo) tourt in einem Kleinbus von Hamburg nach Usedom und über Essen nach Münstereifel an rund ein Dutzend Standorte, „um zu sammeln, wie Menschen zur Wissenschaft stehen“, sagt KoKo-Mitarbeiterin Julia Bihl. Eingeladen werden sie in aufblasbare Kapseln, in denen sie ihre Fragen an die Wissenschaft formulieren können. Treffen sollen sie dort auf Forscherinnen und Forscher aus den Regionen.
Neue Wege des Dialoges suche sie ebenso in die Politik, sagte Becker. Sie bekennt sich persönlich zur Bewegung Scientists for Future: „Wir waren und sind alle auf der Straße.“ Wie aber wissenschaftliche Erkenntnisse schneller und unverfälschter in praktische Politik etwa zu globalen Herausforderungen wie dem Klimawandel und der Ressourcenknappheit umgesetzt werden, sei kein Thema für Resolutionen. Die Wissenschaft müsse vielmehr „möglichst gute Grundlagen liefern für klare, wissenschaftsbasierte Entscheidungen“.
In der Forschungsförderung durch die DFG will die neue Präsidentin „dafür werben, Diversität auf allen Ebenen zu erreichen“. Zwar seien die meisten Forschenden in Deutschland offen für diverse Teams etwa nach Alter, Geschlecht beziehungsweise sexueller Identität und geografischer oder sozialer Herkunft. Aber die USA seien da sehr viel weiter – und insofern ein Vorbild.
Beim Neujahrsempfang der DFG erinnerte Becker an Bertolt Brecht, der Galilei sagen ließ, das einzige Ziel der Wissenschaft bestehe darin, "die Mühseligkeiten der menschlichen Existenz zu erleichtern". Dieser Satz habe eine "fast schon erschütternde Aktualität", so Becker. Denn zu dieser Existenz gehörten "Wasser, Luft und Boden, Tiere und Pflanzen und ein soziales Miteinander". Und sie könne "vermutlich nur durch ein wirkliches Miteinander, auf allen Ebenen", erhalten werden.