Ein Blick auf Irland verrät es: Die britische Corona-Mutante ist schnell – wir müssen schneller sein
Zeit für eine wirkliche Warnung: Virus-Mutationen sind eine neue, große Herausforderung. Deutschland muss reagieren. Jetzt. Ein Kommentar.
Vor einem Jahr begannen wir in dieser Zeitung, über die in Wuhan aufgetauchte Viruserkrankung zu schreiben. Wir waren nicht alarmistisch, doch wir bekamen sofort jede Menge Panikmache-Vorwürfe. Dann kam alles noch viel schlimmer.
Ende des Sommers, als die Zahlen noch niedrig waren, schlugen wir vor, die Zeit vor dem Winter zu nutzen. In nicht wenigen Zuschriften und Online-Kommentaren stand, wir seien mit dunklen Mächten verbandelt. Und die Pandemie sei im Mai vorbei gewesen. Wie es tatsächlich kam, weiß jeder.
Jetzt hat das Virus das getan, was zu erwarten war. Es ist in einer Weise mutiert, die es ansteckender macht. Vielleicht ist es anderswo schon in einer Weise mutiert, durch die noch mehr Menschen ernsthaft erkranken würden. Vielleicht auch so, dass ihm die derzeitigen Impfstoffversionen weniger oder gar keine Probleme mehr bereiten.
Genügend Möglichkeiten dazu hatte es – und hat es nach wie vor. Denn je mehr Menschen sich infizieren, desto mehr Mutationen bilden sich und können sich verbreiten. Und die Chance, dass problematische Mutationen darunter sind, steigt mit jeder neuen infizierten Person, die nicht so isoliert ist, dass sie den Erreger nicht weitergeben kann. Überall auf der Welt.
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Versuchen wir es jetzt also mal mit einer wirklichen Warnung. Sie lautet: Wenn wir es nicht sehr schnell schaffen, sehr viel effektiver als bisher das Virus einzudämmen, drohen uns kurz- und mittelfristig trotz begonnener Impfungen große Probleme. Die werden auch dadurch ausgelöst sein, dass ein infektiöseres Virus eben auch diejenigen effektiver befällt, die ihm jeden Tag ohnehin ausgesetzt sind: medizinisches und pflegerisches Personal etwa, das dann ausfällt.
Wenn wir so weitermachen wie bisher, werden die Zahlen der Infizierten und schwer Erkrankenden weiter steigen. Und sie sind ja schon jetzt vielerorts an der Grenze des Beherrschbaren. Der Blick auf die drei Berliner Corona-Ampeln reicht.
Auch die langfristigen Folgen wären beträchtlich. Je mehr Menschen akut erkranken, desto mehr werden an Langzeitfolgen laborieren. Und je länger wir die Pandemie nicht im Griff haben, desto länger leiden weite Teile der Wirtschaft, während ein paar Unternehmen profitieren und Monopole bilden. Auch nicht erstrebenswert.
Dazu kommt, dass Kinder weiter nicht normal zur Schule werden gehen können. Nicht zuletzt verkümmert eine der wichtigsten Grundlagen offener und aufgeklärter Gesellschaften: die freie und öffentliche Kultur.
Wir sehen nach England und Irland. Wir haben erneut – wie seinerzeit, als wir nach Italien sahen – die Chance, noch rechtzeitig zu handeln. Aber wir müssen es schnell tun. Denn die bekannte Mutante ist auch sehr schnell, die noch unbekannten vielleicht ebenso.
Nachverfolgung auf neue Mutante konzentrieren
Kanzlerin und Länderchefs müssen sich nicht Ende Januar treffen, sondern jetzt. Es muss viel mehr nach Mutanten gesucht werden – das wurde am Montagnachmittag auch angekündigt. Die Gesundheitsämter müssen ihre Kapazitäten zur Nachverfolgung auf die Mutante konzentrieren.
Krankenhaus- und Pflegepersonal sollte bei den Impfungen priorisiert werden. Forscher müssen unverzüglich beginnen können, Impfstoffe an bekannte und noch zu erwartende Mutanten anzupassen. Und FFP-2-Masken müssen Alltagsmasken ablösen.
Wahrscheinlich ist auch kurzfristig ein wirklich harter Lockdown nötig. Und jede vernunftbegabte Person müsste den privaten Lockdown freiwillig über die Vorgaben hinaus maximal antiviral gestalten. Auch da ist noch viel Luft nach oben. Wir befinden uns jetzt offiziell im evolutionären Rennen mit Sars-CoV-2 in allen seinen Varianten. Wir haben in diesem Rennen nur einen Vorteil: Wir haben, anders als das Virus, Gehirne.
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