Durcheinander bei den Schulen im Lockdown: Die Arbeitsverweigerung der Kultusminister
Die Kultusminister haben versäumt, Schule pandemiesicher zu machen – und Kindern und Jugendlichen damit das Recht auf Bildung erst recht genommen. Ein Kommentar.
Es war an diesem Montag der erste Offenbarungseid zum Start ins neue Corona-Schuljahr. Kinder, Eltern und Lehrkräfte, die im digitalen „Lernraum Berlin“ nach den Weihnachtsferien mit dem Fernlernen starten wollten, sahen vor allem eins: Fehlermeldungen. Die Lernplattform ging erneut in die Knie – als ob es überraschend gekommen wäre, dass Hunderttausende auf sie zugreifen mussten.
Der zweite Offenbarungseid folgte. Die Kultusministerinnen und Kultusminister trafen sich, um zu diskutieren, wie es mit der Schule im Lockdown weitergeht. Ein Thema, das Millionen bewegt. Schließlich ist eine der Lehren aus dem Lockdown im Frühjahr, dass die Belange von Kindern und Eltern sträflich vernachlässigt wurden.
So wird Vertrauen verspielt
Die KMK hätte den am Dienstag tagenden Ministerpräsidenten und der Bundeskanzlerin hier noch einmal klare Richtlinien an die Hand geben und ein Durcheinander verhindern können. Stattdessen gab es einen unverbindlichen, wachsweichen Stufenplan, den jedes Land so auslegen kann, wie es will. Die Wiederaufnahme des Schulbetriebs ist demnach in Stufen möglich – „sollte es die Situation in den einzelnen Ländern zulassen“. In der Schule würde das als Arbeitsverweigerung eingestuft.
Wie man Vertrauen verspielt, führen die Kultusministerinnen und Kultusminister seit Wochen vor. Da ist der Hamburger Schulsenator, der über eine Forschungsanalyse zu einem Massenausbruch an einer Schule der Hansestadt nicht richtig informierte – offenbar weil das Ergebnis nicht zu der von den Ministern immer wieder ventilierten These passte, Schulen seien keine Pandemietreiber.
Bildungsminister, die Wissenschaft ignorieren
Aus demselben Grund beschimpften seine Kolleginnen aus Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen die Nationale Wissenschaftsakademie Leopoldina. Bildungsministerinnen und Bildungsminister, die Wissenschaft ignorieren – eine bittere Erfahrung.
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Zugegebenermaßen ist die Aufgabe nicht einfach. Alle Schwächen des deutschen Schulsystems werden in der Pandemie verstärkt. Die Digitalisierung wurde jahrzehntelang verschlafen, das ist in zehn Monaten nicht aufzuholen. Oder hat jemand ernsthaft geglaubt, in einem Land, in dem auch Privathaushalte wochenlang auf neue Internetanschlüsse warten, würden binnen kurzer Zeit ganze Schulen mit dem Glasfasernetz verbunden?
Der Personal- und Raummangel macht es kaum möglich, Klassen so zu entzerren, dass Lernen vor Ort, in vollem Umfang und mit Abstand möglich ist.
Das Versagen der Schulpolitik liegt darin, pragmatische Lösungen zu finden, die den Schulen einen Weg durch die Krise bahnen.
Gibt es Lernstoff, auf den verzichtet werden kann, um zusätzliche Kapazitäten für die Kernfächer zu schaffen? Wie fördert man gezielt Schüler, die im ersten Lockdown nicht erreicht wurden? Wie können Eltern entlastet werden, die zu Hause beim Distanzlernen helfen müssen? Wo bleiben FFP2-Masken, Luftfiltergeräte und Schnelltests? Wie werden die Lernplattformen gestärkt, eventuell die Dienste kommerzieller Anbieter genutzt, ohne dass der Datenschutz außen vor bleibt? Die Liste der von der Politik immer noch unbeantworteten Fragen ließe sich lange fortsetzen.
Vor allem bedarf es verlässlicher Ansagen mit klaren Inzidenzwerten, ab wann Schulen in den Wechselunterricht gehen müssen - allein um diesen planbarer zu machen. Stattdessen haben die Kultusminister das lange sogar den Schulen verboten, die dafür Konzepte präsentierten. Als die Gesundheitsämter zu überlastet waren, um noch alle Infektionen nachzuverfolgen, wurden Quarantäneregeln einfach gelockert.
Verlogener Pathos der Minister
Voller Pathos argumentieren die Ministerinnen und Minister immer mit dem Recht auf Bildung, das Kindern und Jugendlichen nur der Unterricht vor Ort garantiere. Das wäre schon vor der Coronakrise verlogen gewesen. In zahlreichen Studien ist Deutschland nachgewiesen worden, dass es auch mit Präsenzunterricht in kaum einem anderen Staat so wenig Bildungsgerechtigkeit gibt wie hierzulande.
Läge diese den Ministern am Herzen, hätten sie alles getan, um Schule pandemiesicher zu machen. Genau das haben sie versäumt – und Kindern und Jugendlichen damit das Recht auf Bildung erst recht genommen. Ein Versagen, das noch nachwirken wird, wenn die Pandemie vorbei ist.
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