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Die ISS hat seit 1998 insgesamt 232 Menschen beherbergt. Für eine Runde um die Erde braucht sie etwa 90 Minuten.
© Nasa/Mark Garcia

Internationale Raumstation: ISS - seit 20 Jahren im Außendienst

Völkerverständigung im All: Seit 7306 Tagen kreist die Internationale Raumstation um die Erde. Wie lange noch, weiß im Moment niemand.

Am 20. November 1998, um 6:40 Uhr, begann eine neue Ära der Raumfahrt. Eine russische Proton-Trägerrakete brachte vor 20 Jahren vom Weltraumbahnhof Baikonur etwas ins All, das es zuvor noch nie gegeben hatte: das erste Modul für eine Internationale Raumstation, die ISS, eine von mehreren Nationen getragene ständige Präsenz des Menschen im All. Das Modul "Sarja" – Morgenröte – wog 24 Tonnen und war, obwohl von Russland gebaut und gestartet, von der Nasa finanziert. Zwei Wochen später flog das amerikanische Space Shuttle Endeavour Teil zwei der ISS in den Orbit. Es war der Beginn einer einzigartigen wissenschaftlichen und ingenieurstechnischen Kooperation.

Völkerverständigung nach dem Kalten Krieg

Inzwischen sind immer neue Module zur ISS dazu gekommen, mittlerweile ist sie etwa so groß wie ein Fußballfeld und technisch vielfältig ausgerüstet. "Die komplexeste, wertvollste und unwahrscheinlichste Maschine, die die Menschheit jemals gebaut hat", nennt der deutsche Astronaut Alexander Gerst seinen derzeitigen Wohn- und Arbeitsort.

Es war US-Präsident Ronald Reagan, der am 25. Januar 1984 die US-Raumfahrtagentur Nasa beauftragte, eine bemannte Raumstation zu entwickeln. Bald schon warben die Amerikaner bei den Europäern um Teilhabe – auch um zu verhindern, dass dort an einer eigenen Station getüftelt wird. Mit dem Ende der Sowjetunion 1990 entstand die ebenfalls nicht ganz selbstlose Idee, die Russen mit ins Boot zu holen – ein Beitrag zur Völkerverständigung nach dem Kalten Krieg. "Schon allein wegen der friedlichen Zusammenarbeit so verschiedener Nationen hat die ISS einen hohen Stellenwert", sagt Tilman Spohn, Planetenforscher am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt.

Ein Geruch wie ein Neuwagen

Die meisten Bauteile der Station stammen aus den USA und Russland. Mit dem in Bremen und Turin gebauten Forschungslabor Columbus erhielt das Haus im Orbit 2008 auch ein europäisches Zimmer. Außerdem stehen der Besatzung zwei Badezimmer zur Verfügung, Fitnessgeräte und ein 360-Grad-Fenster. Mit einer gemütlichen Herberge ist die Station trotzdem nicht vergleichbar. Bei voller Besetzung gibt es kaum Privatsphäre. Die speziell vorbereiteten Mahlzeiten kommen aus der Tüte. Und die Körperpflege zwischen Kabeln und Computern ist mühselig, wie die Raumfahrer immer wieder dokumentieren. Viel Arbeitszeit müssen sie für die Wartung von Geräten und zum Putzen aufwenden.

Zudem herrscht wegen der Lüftungsventilatoren ein ständiger Lärm, wie der US-Astronaut Scott Kelly in seinem kürzlich erschienenen Buch "Endurance" schreibt. Die ISS rieche vor allem nach den Ausgasungen der Geräte und sonstigen Einrichtungen, "die wir auf der Erde als 'Neuwagengeruch' bezeichnen". Hinzu komme der Körpergeruch und der des Abfalls, der zwar möglichst hermetisch isoliert, aber eben nur alle paar Monate entsorgt werde.

Alexander Gerst in der angedockten Sojus-Kapsel, eingeengt von Frachtsäcken und der Luke der Sojus-Luke. Das Bild entstand am 10. Oktober 2018.
Alexander Gerst in der angedockten Sojus-Kapsel, eingeengt von Frachtsäcken und der Luke der Sojus-Luke. Das Bild entstand am 10. Oktober 2018.
© Nasa/Mark Garcia

Ein Leck führte zum Druckabfall

Über den Zustand der ISS gibt es derweil viele Spekulationen, auch weil die Nasa und die russischen Kollegen von Roskosmos nur spärliche Informationen dazu an die Öffentlichkeit geben. Die ISS dürfte trotz vieler Nachrüstungen über die Jahre ziemlich gelitten haben. Einschläge verursachen immer wieder kleine Krater. Einige Male musste die ISS Weltraumschrott ausweichen und deswegen kurzfristig ihren Kurs ändern. Einmal durchschlug ein winziger Splitter ein Sonnensegel.

Vorfälle wie diese brachten die Crew bisher noch nie in ernsthafte Gefahr. Im Sommer allerdings löste ein kleines Leck in der russischen Sojus-Kapsel einen Druckabfall in der ISS aus. Wenige Wochen später kam es zu einem Raketenfehlstart. Die Besatzung konnte sich retten, jedoch gaben die Vorfälle Kritikern erneut Anlass, an der Sicherheit des Projekts zu zweifeln.

Hin- und Rückfahrt nur mit Sojus

Nach dem Ende des amerikanischen Space-Shuttle-Programms sind die russischen Sojus-Kapseln derzeit die einzige Möglichkeit, Menschen auf die ISS und wieder zur Erde zu bringen. Der Fehlstart der Sojus-Rakete im Oktober zeigte, wie abhängig man von der Technik ist. Inzwischen wurde der Fehler gefunden, ein Stift war beim Zusammenbau eines Sensors verformt worden. "Man muss immer damit rechnen, dass etwas schief gehen kann", sagt Tilman Spohn, insgesamt sei die russische Technik jedoch sehr robust. Jedenfalls müsse niemand befürchten, dass Alexander Gerst nun im Weltall bleiben muss, der Deutsche soll im Dezember als Kommandant der ISS abgelöst werden.

Immer wieder sind auch die Kosten der ISS ein Thema. Seit 1998 liegen sie nach Schätzungen bei weit über 100 Milliarden US-Dollar (über 87 Milliarden Euro). Mehr als drei Milliarden Dollar zahlen Berichten zufolge allein die USA jedes Jahr für den Betrieb. Die Europäische Weltraumorganisation Esa gibt an, bisher zehn Milliarden Euro in die ISS investiert zu haben. Die größten Esa-Geber-Länder für die Station sind Deutschland, Italien und Frankreich. Neben Nasa, Esa und Roskosmos beteiligen sich auch die japanische Raumfahrtbehörde Jaxa sowie die kanadische CSA an der Internationalen Raumstation.

Trump will die ISS privatisieren

Bis 2024 ist der Betrieb der Raumstation gesichert. In dieser Zeit werden weiterhin auch private Firmen die ISS ansteuern und mit Fracht beliefern, etwa SpaceX mit seinem Raumschiff "Dragon". Langfristig strebt die Regierung von US-Präsident Donald Trump sogar eine Privatisierung der ISS an. Tilman Spohn aber glaubt nicht daran, dass Wirtschaftsunternehmen die Station weiterführen werden, der Betrieb sei einfach zu teuer. Wenn es früher oder später so weit ist und niemand mehr die 450 Tonnen schwere ISS nutzen will, könnte sie kontrolliert zum Absturz gebracht werden. Dafür wird sie wahrscheinlich erst demontiert und dann stufenweise in den Pazifik stürzen – wie schon ihr russischer Vorgänger Mir. Ob der politische Konflikt zwischen den Hauptgeldgebern USA und Russland das Projekt schon vor 2024 enden lässt, ist im Moment unklar. Im Frühjahr wollen beide Seiten über die Perspektiven der Raumstation beraten.

Es wäre schade, ist die ISS doch eines der wenigen Beispiele, dass Staaten über Grenzen hinweg gemeinsam forschen. Vierhundert Kilometer über dem Boden könnte sie ein Beispiel für die Erde sein, meint Gerst. "Wenn wir über Kontinente hinweg so zusammenarbeiten können, dann können wir noch viel mehr zusammen erreichen", sagt der Astronaut. "Wir müssen es nur versuchen." (mit dpa)

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