Die Jungen und Covid-19: Der vielleicht sehr lange Kater nach der Coronaparty
Menschen diesseits der 50 kann das Virus nicht viel anhaben, heißt es. Doch auch junge Patienten bekommen ernsthafte Symptome – und es drohen Spätfolgen.
Nie zuvor haben Menschen weltweit so sehr in Prognosen förmlich gelebt - und sind in ihnen auch gestorben. Es geht darum, was kommen wird und kommen könnte, wenn es nicht sehr, sehr schnell gelingt, dass sich deutlich weniger Leute als bisher mit Sars-CoV-2 infizieren. Und die Szenarien sind nicht ermutigend.
Was überwiegt, ist Unsicherheit - von der Bevölkerung über die Volksvertreter bis hin zu den Wissenschaftlern. Vielleicht auch deshalb halten sich viele derzeit besonders an den vermeintlich sicheren, auch ermutigenden Teil dessen, was über das Coronavirus bekannt ist.
Es ist das Narrativ vom milden, erkältungsähnlichen Verlauf bei praktisch allen jüngeren Infizierten. Das geht - wenn man sich im Bekanntenkreis umhört - so weit, dass diese durchweg positive Prognose selbst viele von denen in Anspruch nehmen, auf die sie rein kalendarisch gar nicht mehr zutrifft. Man ist offenbar so jung und Corona-resistent, wie man sich fühlt.
Darüber, wie ignorant es ist, sich weniger vorzusehen, allein weil man sich in der jungen, gesunden, fitten Gruppe verortet, war schon häufiger auch hier im Tagesspiegel die Rede.
Es kommt allerdings etwas Wichtiges hinzu: Es mehren sich die Meldungen, dass auch junge Leute, die zuvor nie ernsthafte Gesundheitsprobleme hatten, ernsthaft an Covid-19 erkranken, sogar sterben. Und: Wer die Krankheit übersteht, wir auch nicht unbedingt wieder richtig gesund.
Hintergrund über das Coronavirus:
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Was auch auf junge Leute zukommen könnte, wurde nun von wirklich „höchster Stelle“ erklärt, vom Chef der Weltgesundheitsorganisation, Tedros Adhanom, persönlich.
Hier ein paar Sätze seiner Stellungnahme vom Samstag: „Eines der Dinge, die wir gerade lernen, ist, dass ältere Menschen zwar am stärksten betroffen sind, jüngere jedoch nicht verschont bleiben. Daten aus vielen Ländern zeigen deutlich, dass Menschen unter 50 Jahren einen erheblichen Anteil der Patienten ausmachen, die ins Krankenhaus eingeliefert werden müssen. Heute habe ich eine Botschaft für junge Leute: Sie sind nicht unbesiegbar. Dieses Virus könnte Sie wochenlang ins Krankenhaus bringen oder sogar töten.“
Anteil der Jüngeren auf Intensivstationen steigt
Während weiterhin gilt, dass der höchste Anteil von Todesfällen in der Altersgruppe der über 80-Jährigen dokumentiert wird, steigt der Anteil der jüngeren Leute auf den Intensivstationen. Die Gründe dafür sind wahrscheinlich vielfältig: Durch intensivere und auch extensivere (also mit mehr Personen) Sozialkontakte, und sicher auch aufgrund der Ich-bin-jung-und-fit-Sorglosigkeit infizieren sich überproportional viele junge Menschen. Daten aus Korea, dem Land, das am intensivsten auf Infektionen testet, legen das jedenfalls nahe.
Dass manche jungen Menschen dann schwer erkranken, während es die meisten tatsächlich nicht so massiv erwischt, kann verschiedene Ursachen haben. Plausibel ist etwa die Erklärung, dass Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene dann besonders gefährdet sind, wenn sie eine Vorerkrankung etwa des Herzkreislaufsystems haben, von der sie nichts wissen.
Es kommt jedenfalls relativ häufig vor, dass junge Menschen mit solchen nicht diagnostizierten Problemen leben. Und eine Lungenentzündung ist für Herz und Kreislauf sehr belastend. Auch starkes Übergewicht ist inzwischen ein bekannter Risikofaktor für schwere Covid-19-Verläufe.
Virologe Drosten: Wie Viren direkt in die Lunge kommen
Der Virologe Christian Drosten vermutet zudem, das bei intensivem Sozialkontakt - etwa wenn jemand plötzlich in unmittelbarer Nähe zu husten beginnt - große Virenmengen ohne den üblichen ersten Schritt einer Vermehrung im Rachenraum direkt in die Lunge gelangen können. „Dann vermehrt sich das Virus gleich in den tiefen Atemwegen, ohne dass es vorher im Rachen eine Immunreaktion ausgelöst hat“, sagte Drosten kürzlich Zeit Online. Das Immunsystem steht dem Befall der Lunge dann völlig unvorbereitet gegenüber, während es sonst zumindest schon ein paar Tage Zeit hatte, sich mit dem Erreger auseinanderzusetzen.
Wer als junger Mensch jetzt unvorsichtig ist, bringt sich also durchaus potenziell auch selbst in Gefahr, ganz abgesehen von den Älteren, die er oder sie danach anstecken könnten - oder eben etwa auch dem korpulenten Kumpel.
Dazu kommen wissenschaftliche Daten, die es bereits zu Covid-19 gibt, aber auch zum ersten Sars-Ausbruch 2002/03 und anderen Viren, die schwere Bronchitis und Lungenentzündungen auslösen können. Sie zeigen etwa, dass, wer die Erkrankung übersteht, danach oft nicht einfach wieder gesund ist.
Droht bald das Post-Corona-Syndrom?
Ein am 19. März im „European Heart Journal“ erschienener Fachartikel listet verschiedene akute und Langzeit-Komplikationen mit dem Herzkreislaufsystem auf. Bei Sars etwa gab es häufiger Todesfälle durch akuten Herzstillstand, dazu auch zahlreiche Fälle akuter und lebensbedrohlicher Herzmuskel-Entzündungen sowie weitere Komplikationen.
Die Autoren der Studie weisen auch darauf hin, dass virale Lungenentzündungen häufig Langzeiteffekte haben, die das Risiko einer späteren Herzkreislauferkrankung erhöhen könnten. So ist eine erhöhte Wahrscheinlichkeit von Herzkreislauf-Komplikationen für einen Zeitraum bis zu zehn Jahren nach einer Lungenentzündung nachgewiesen.
Zudem fand sich etwa bei Sars-Überlebenden häufig ein gestörter Fettstoffwechsel. Auch erhöhte Gesamt-Entzündungswerte und eine abnorme Blutgerinnungs-Neigung sind nachgewiesen.
Dazu kommt, konkret beschrieben nach dem Ausbruch 2002/03, ein „Post-Sars-Syndrom“ genanntes Problem vieler Überlebender. Sie zeigen mittel- und langfristig Symptome wie Schlafstörungen, chronische Müdigkeit, Depressionen sowie Muskel -und Gelenkschmerzen. Wichtig, so schreiben die Autoren des aktuellen Artikels im Europäischen Herzjournal, seien aber mehr und bessere Studien zu den Langzeitfolgen solcher viraler Infektionen und Erkrankungen.
Ironischerweise wird Forschern dazu in naher Zukunft wahrscheinlich eine große Zahl an Probanden zur Verfügung stehen. Das ist jedenfalls bei aller Unsicherheit insgesamt auch eine derzeit leider sehr plausible Prognose.
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