Virologe Christian Drosten: „Müssen vielleicht davon ausgehen, dass wir ein Jahr im Ausnahmezustand verbringen“
Christian Drosten hält ein Jahr Ausnahmezustand in Deutschland für denkbar. Er warnt auch: Steigende Temperaturen werden das Coronavirus nicht aufhalten.
In Bayern geht Ministerpräsident Markus Söder von eindringlichen Appellen an die Bevölkerung, zuhause zu bleiben, über zu Ausgehsperren. Wie wirksam die im Kampf gegen das Coronavirus überhaupt sind, weiß niemand. Bislang gebe es "überhaupt keine Daten" dazu, sagte der Virologe Christian Drosten in seinem täglichen NDR-Podcast.
Dafür brauche es dringend Modellierungsstudien. Vor allem dazu, ob bestimmte Schülergruppen wieder in die Schule könnten oder Kinder wieder in den Kindergarten gehen dürften. Die müsse es bis Ostern geben, sagt er im Podcast: "Wir können nicht ewig so weitermachen."
Denn laut Drosten müssen wir vielleicht davon ausgehen, "gesellschaftlich ein Jahr im Ausnahmezustand zu verbringen", sagte der Virologe in einem Interview mit der Zeit.
Ein Jahr, indem vermutlich nicht alle Maßnahmen genauso weitergeführt werden müssten. Da würde justiert, einzelne Maßnahmen auch wieder zurückgefahren werden, vermutet Drosten. "Aber während der ersten Phase von jetzt bis zur Woche nach Ostern muss man wirklich konsequent handeln."
Steigende Temperaturen werden das Coronavirus nicht aufhalten, schätzt Virologe Drosten
Darüberhinaus schätzt Drosten, dass die steigenden Temperaturen der kommenden Frühlings- und Sommermonate nur einen kleinen Einfluss auf die Verbreitung des Virus hätten. Er beruft sich dabei auf eine Modellstudie von US-Wissenschaftlern an der Harvard T.H. Chan School of Public Health.
Epidemische Viren wie die Influenzaviren reagieren demnach empfindlich auf UV-Licht und Trockenheit. Außerdem bauen viele in der Bevölkerung während der Wintermonate eine Immunität gegen die Viren auf. Im Zusammenspiel trägt das dazu bei, dass sich die Influenzaviren bei wärmerem Wetter nicht so stark vermehren.
In der Modellstudie sahen sich die Wissenschaftler auch pandemische Viren an, die mit dem Coronavirus vergleichbar sind. Bei diesen Viren konnten sie lediglich eine kleine Verlangsamung in der Ausbreitung feststellen. Das liege auch daran, dass bisher nur wenige Menschen eine Immunität gegen das Virus aufgebaut hätten.
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