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Ein Mann und zwei Frauen sitzen auf einem Podium, der Mann gestikuliert.
© Britta Pedersen/dpa

Peter-André Alt über die Exzellenzinitiative: Der Imboden-Bericht muss umgesetzt werden

Der Imboden-Bericht zur Exzellenzinitiative überzeugt und sollte umgesetzt werden, fordert der Präsident der Freien Universität Berlin in einem Gastbeitrag.

Vor vielen Jahren sprach ich mit dem Schriftsteller Hartmut Lange über die Bedeutung der Form in der Kunst. Lange betonte, wie wichtig eine überzeugende Struktur für die ästhetische Ordnung sei. Und er erläuterte seine Position durch einen Witz: Ein Mann kommt zum Schneider, um seinen neuen Anzug anzuprobieren. Das maßgefertigte Stück wirft an mehreren Stellen sichtbar Falten. Der Schneider rät dem Kunden, die Schulter links hochzuziehen, den Arm abzuwinkeln und das rechte Bein steifzudrücken. Nun passt alles. Der Mann verlässt den Schneider und geht in der ihm angeratenen Haltung auf die Straße. Zwei Männer begegnen ihm. „Guck mal, der arme Kerl“, sagt der eine. „Ja“, sagt der andere. „Aber einen schönen Anzug trägt er.“

Gute Forschung braucht Kontinuität und Ruhe

Die Bedeutung einer stimmigen Form steht auch für die Organisation komplexer Prozesse außer Frage. In diesem Sinne weist das Gutachten der Imboden-Kommission zu den Ergebnissen und Perspektiven der deutschen Exzellenzinitiative eine außerordentlich stringente Form auf. Es geht von drei Prinzipien aus, die für Erfolg im Wissenschaftssystem essenziell sind: 1. Gute Forschung benötigt Kontinuität und Ruhe. 2. Die Vielfalt universitärer Steuerungsaufgaben verlangt Spielräume für flexibel einsetzbare Finanzmittel. 3. Reputation erwirbt eine Hochschule nicht durch ständig neue Anträge, sondern durch die Umsetzung ihrer Programmversprechen.

Sämtliche dieser Prinzipien finden im Bericht der Imboden-Kommission ausreichend Berücksichtigung. Allein dadurch unterscheiden sich ihre Empfehlungen von vielem, was in den letzten 24 Monaten durch die wissenschaftliche Community über die Exzellenzinitiative in Umlauf gesetzt wurde.

Deutsche Unis können bei der Finanzierung international nicht mithalten

Zu Recht ist der Bericht vielerorts gelobt worden – unter anderem vom Wissenschaftsmagazin „Science“, das ihn ausführlich kommentierte. Seinen Ausgangspunkt bildet die Diagnose, dass deutsche Universitäten, was ihre Finanzierung angeht, trotz neuer Spielräume im internationalen Wettbewerb immer noch nicht mithalten können. Die meisten der deutschen Spitzeneinrichtungen verfügen nur über etwa zehn Prozent der Budgets, die Harvard oder Yale bewegen können. Hinzu kommen Rahmenbedingungen, die herausragende Forschung erschweren: personelle und infrastrukturelle Unterausstattung, hohe Lehrbelastung.

Peter-André Alt, Präsident der Freien Universität Berlin.
Peter-André Alt, Präsident der Freien Universität Berlin.
© Bernd Wannenmacher

Statt in ein Lamento über diese Lage zu verfallen, bietet der Bericht in seinem zweiten Teil eine Liste mit klaren Vorschlägen. Zugrunde gelegt wird ein durch Bund und Länder bereits zugesagtes Finanzvolumen von fünf Milliarden Euro für zehn Jahre. Die Kommission empfiehlt, die 500 Millionen Euro, die jährlich zur Verfügung stehen, auf zwei Förderlinien zu verteilen. 350 Millionen Euro sollen auf bis zu vierzig Cluster für Spitzenforschung entfallen. Die Fördersummen können sich in einem Breitbandspektrum von einer bis zu zehn Millionen pro Jahr bewegen, wobei eine zusätzliche Programmpauschale von 42 Prozent empfohlen wird. Diese ist wichtig, denn sie ermöglicht einer Universität die Bewältigung von Querschnittsaufgaben, von der Personalentwicklung bis zur Digitalisierung, für die in der Regel die Mittel fehlen.

Bei den Kriterien sollte schwer Messbares entfallen

Die verbleibenden 150 Millionen Euro sollen in die zweite Förderlinie fließen, in der zehn Universitäten für ihre bisherigen Leistungen jährlich 15 Millionen Euro erhalten würden – die sogenannte „Exzellenzprämie“. Die Kriterien, die der Bericht hier für die Messung von Qualität vorschlägt, sind stimmig: wissenschaftliche Preise, internationale Wirksamkeit, Drittmittelbilanz. Schwer Messbares wie der Einfluss von Publikationen entfällt richtigerweise in diesem Kriterienkatalog.

Sehr überzeugend ist auch der Vorschlag, wie die Förderzeit von zehn Jahren strukturiert werden soll. Zwei Jahre – im Zeitraum 2017 bis 2019 – entfallen auf die Weiterfinanzierung der seit 2012 geförderten Vorhaben. Auf diese Weise könnten die Anträge für die neue Wettbewerbsrunde ohne Zeitdruck erarbeitet und evaluiert werden. Die ab 2019 neu finanzierten Projekte haben, ebenso wie die aktuellen, eine Laufzeit von sieben Jahren. Das schafft die Möglichkeit zur kontinuierlichen Aktivität, ohne dass ständig Qualitätsüberprüfungen stattfinden.

Die Antragsdynamik beruhigen

Längere Förderspannen wären wiederum problematisch, denn die Dynamik der Forschung schließt Planbarkeit für Jahrzehnte aus. Die Instrumente müssen so flexibel sein, dass keine unbeweglichen Dauerstrukturen entstehen. Ein siebenjähriger Turnus erlaubt es den Universitäten, ihre strategischen Vorhaben in den Bereichen der Internationalisierung, Nachwuchsförderung und des Wissenstransfers zu realisieren, ohne dass sie sich im Prozess aufwendiger Antragsschreiberei ständig neu erfinden müssen.

Viele Universitäten könnten durch diese Vorschläge profitieren, das Auswahlverfahren liefe nach einfachen Kriterien, fair und gerecht. Die Mischung aus neuem Wettbewerb und Beruhigung der Antragsdynamik ist sinnvoll. Sie hilft allen. Abweichungen von den Empfehlungen der Kommission sollten also genau überlegt und abgewogen werden. Der Anzug passt nämlich, und es steht zu hoffen, dass die Politik ihn nicht an allen möglichen Stellen ändert. Andernfalls würde die Sache ausgehen wie im Witz über die Form und das Problem, das entsteht, wenn die Proportionen nicht stimmen.

Peter-André Alt

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