125 Jahre Robert-Koch-Institut: Der Bakterien-Jäger
Nachdem Robert Koch die Erreger von Milzbrand, Tuberkulose und Cholera entdeckt hatte, war er weltberühmt. Am 1. Juli 1891 öffnete sein Institut die Türen. Viele der damals erarbeiteten Grundlagen gelten bis heute.
528 Menschen waren im Kreis Wollstein bei Posen innerhalb von vier Jahren gestorben. Das Vieh raffte das Leiden noch schneller dahin: 50.000 Schafe, Rinder und andere Nutztiere waren tot, die Bauern verzweifelt. Manche Weiden seien gefährlich, erzählten sie ihrem jungen Landarzt.
Robert Koch verwandelte einen Teil seiner Stube in ein Labor, abgetrennt durch einen Vorhang. Er baute das Mikroskop auf, das seine Frau Emmy ihm zum 30. Geburtstag geschenkt hatte und sah stäbchenförmige Gebilde im Blut verendeter Tiere. Als er von einem Schaf eine Milzprobe nahm und das Blut den weißen Mäusen seiner Tochter impfte, fielen diese nach nicht einmal einem Tag tot um. Und die Ansteckungskette ließ sich fortsetzen. Das Blut gesunder Tiere – ohne Stäbchen – war dagegen ungefährlich. Koch hatte den Milzbrand-Erreger gefunden und damit die erste Bestätigung der damals noch umstrittenen Keimtheorie.
Dass auch die Weiden Unheil brachten, passte allerdings nicht ins Bild. Koch ließ sich nicht beirren, nutzte Flüssigkeit aus Kaninchenaugen als Nährmedium für die Mikroorganismen und konstruierte einen Inkubator. So konnte er zum Beispiel Temperatur und Sauerstoffzufuhr kontrollieren. Waren die Bedingungen gut, verlängerten sich die Stäbchen, beobachtete er. Waren sie schlecht, blieben robuste Kugeln – Milzbrandsporen, die Ruheform des Erregers. Koch dokumentierte den Lebenszyklus der Bakterien, erst mit Zeichnungen und dann mit Fotografien.
Die "Reinkultur" in der Petrischale
Die Ergebnisse, die er 1876 und 1877 in einem botanischen Journal veröffentlichte, legten den Grundstein für eine außergewöhnliche Karriere. Koch gilt heute gemeinsam mit Louis Pasteur als Vater der Bakteriologie. Die Koch’schen Postulate, die er bereits in Wollstein angewendet hat, werden in aktualisierter Form noch immer für den Nachweis benutzt, dass ein Erreger eine Krankheit verursacht.
1880 wurde er nach Berlin ans Kaiserliche Gesundheitsamt berufen – und entdeckte die Erreger von Tuberkulose und Cholera. 1891 war sein Ruhm so groß, dass er am 1. Juli das „Königlich Preußische Institut für Infektionskrankheiten“ eröffnen konnte. Das Koch’sche Institut feiert nun 125. Geburtstag und ist längst für alle Aspekte öffentlicher Gesundheit verantwortlich, von Krebs bis Krankenhauskeimen, von Übergewicht bis zum Sprung tierischer Erreger auf den Menschen.
Viele selbstverständlich wirkende Methoden gehen auf Koch und seine Kollegen zurück. Sie testeten Färbetechniken, um Bakterien besser sichtbar zu machen. Sie fanden ein gelatineartiges Nährmedium namens Agar-Agar, in dem die Organismen in „Reinkultur“ gedeihen. August Petri entwickelte die Petrischale. Mit Ernst Abbe und Carl Zeiss perfektionierten sie die Mikrofotografie. Das Labor lockte Forscher wie Emil von Behring, Friedrich Loeffler und Paul Ehrlich an. Er habe nie einem wissenschaftlichen Ereignis beigewohnt, das majestätischer war, sagte Ehrlich über einen Vortrag von Koch im Jahr 1882. Dabei sprach er langsam, mit Unterbrechungen, zeigte viel zu viele Bilder. Der Bericht über den Tuberkulose-Erreger zog trotzdem alle in seinen Bann. Es war eine Weltsensation.
Lebensbedingungen bahnen Infektionen den Weg
Auch etliche Erfahrungen mit der „Weißen Pest“, die Koch 1905 bei der Verleihung des Nobelpreises für Medizin zusammenfasste, gelten weiterhin: Schwerwiegende Infektionen müssen gemeldet werden, Ärzte sollten gefährliche Varianten erkennen können, es muss Labore für den Nachweis geben. Sterbende sollten nicht zu Hause ihre Familien anstecken, sondern in Kliniken betreut werden. Es bringt nichts, den Kranken Schuld zuzuweisen, wenn ihre Lebensbedingungen den Infektionen den Weg ebnen.
Wie sehr das eine das andere bedingt, konnte Koch auf seinen Reisen rund um die Welt beobachten – egal, ob im Ruhrgebiet Typhus ausbrach oder Cholera in Kalkutta. In Indien untersuchte er die Darmschleimhäute unzähliger Leichen und fand 1884 Vibrio cholerae, den Cholera-Erreger. Zwar konnte er damit kein Tier infizieren, wie es seine Postulate fordern. Doch er verfolgte einzelne Fälle in epidemiologischer Kleinarbeit zu einer Wasserstelle zurück. Sobald es in Kalkutta gefiltertes Wasser gab, ging die Zahl der Fälle zurück. Die Erkenntnis nutzte schließlich auch den Hamburgern, die 1892 von Cholera heimgesucht wurden.
"Koch ist ein bisschen rustikal"
Mehr als Vorbeugung blieb zu dieser Zeit nicht, Heilmittel gegen die Mikroorganismen waren noch nicht verfügbar. Auch Tuberkulin, das Koch nach einigen Tierversuchen voreilig als Mittel gegen Tuberkulose anpries und damit enorme Hoffnungen weckte, stellte sich als Fehlschlag heraus. Sein Ruf war angekratzt, erst recht, als er sich gegen das Pasteurisieren von Milch aussprach. Rindertuberkulose sei für den Menschen ungefährlich, betonte er immer wieder. „Pasteur ist kein Arzt. Man kann von ihm keine fundierten Urteile über pathologische Prozesse und Symptome erwarten.“ Der Chemiker Pasteur konterte: „Koch wird von seinen Kollegen nicht gemocht. Er ist ein bisschen rustikal.“
Wie auch immer Robert Koch als Person wirkte, er wurde wie ein Superstar verehrt. Davon zeugt nicht zuletzt ein kleines Museum und ein marmorverkleidetes Mausoleum, in dem seine Asche beigesetzt wurde. Dort ruht er bis heute. Mitten im Robert-Koch-Institut.
- Das Robert-Koch-Institut begeht seinen Geburtstag unter anderem mit einem Kindertag. Am Sonntag, 3. Juli, lädt es Familien von 10 bis 17 Uhr in die Seestraße 10 in Berlin ein. Das vollständige Programm finden Sie hier.