Umbenennung der Beuth-Hochschule: Debatte offen, Fronten verhärtet
An der Beuth-Hochschule im Wedding diskutierte man kontrovers über Beuths Antisemitismus und die Frage, ob daraus eine Umbenennung folgen sollte.
Pseudowissenschaftlichkeit und Verharmlosung von Antisemitismus, das wirft Achim Bühl, Professor für Soziologie der Technik an der Beuth-Hochschule, dem ehemaligen Präsidenten seiner Bildungseinrichtung vor. Diese Worte zeigen, dass die als transparent und sachlich gepriesene Diskussion über eine mögliche Umbenennung der Hochschule für Technik im Wedding inzwischen hochemotional verläuft. Ein zweitägiges Symposium zu „Christian Wilhelm Peter Beuth in seiner Zeit“ sollte nun etwas Ordnung in die Debatte bringen.
Der preußische Ministerialbeamte Beuth war Mitglied der Deutschen Tischgesellschaft und hielt dort 1811 eine Rede, in der er Juden den Tod wünschte. Achim Bühl hatte Beuths Antisemitismus im Juni 2017 in einem Papier dargestellt. Ein von der Hochschule beauftragtes externes Gutachten bestätigte den auch für seine Zeit „rigiden Antisemitismus“ Beuths. Dann schaltete sich der ehemalige Präsident Reinhard Thümer ein, der 2009 für die Umbenennung der Hochschule verantwortlich gewesen war. Er zweifelte in einem Papier den Antisemitismus Beuths und die Authentizität der Rede an, was empörte Reaktionen von Bühl und anderen Historikern hervorrief.
Dass Reinhard Thümer, nicht aber Achim Bühl ein Platz auf dem Podium der Abschlussdiskussion am Freitag eingeräumt wurde, hatte im Vorfeld für Unruhe gesorgt. Aber mit dem Professor Dieter Gloede und den Studierenden Ronja Marcath und David Czycholl saßen dort zumindest drei Vertreter der Initiative zur Umbenennung der Hochschule. Wie verhärtet die Fronten sind, wurde schnell deutlich. Gloede und Thümer warfen sich gegenseitig mangelnde Diskussionsbereitschaft und ein Vergiften des Klimas vor. Thümers Papier sehen sowohl Studierendenvertreter als auch Gloede als unwissenschaftlich an. Man müsse der Arbeit der Historiker vertrauen, sagte Gloede. Thümer würde mit diesem Papier alternative Fakten schaffen. Der ehemalige Präsident verteidigte sich mit der Einschätzung, die gegen Beuth vorliegenden Indizien für Antisemitismus würden heute vor keinem Gericht für irgendeine Verurteilung ausreichen. Umbenennungsbefürworter hatten derweil in der Nacht zum Freitag den riesigen Beuth-Schriftzug vor der Hochschule verhüllt. Und dass Beuth glühender Antisemit war, zweifelte bis auf Thümer niemand in der Runde an.
Greifswalder Erfahrungen mit Ernst Moritz Arndt
Thomas Stamm-Kuhlmann von der Universität Greifswald berichtete von der vergifteten Diskussion, die auch der Umbenennung seiner Hochschule vorausging. Während die meisten Studierenden und die Lehrenden der Geisteswissenschaften für ein Ablegen des Namens Ernst Moritz Arndt waren, kämpften die Zahnärzte vehement für die Beibehaltung. „Mir wurde angedroht, mich nicht mehr zu behandeln“, berichtet Stamm-Kuhlmann. Er sorgte damit für einen der seltenen Lacher im Publikum während der Veranstaltung. Friedemann Stengel von der Martin-Luther-Universität in Halle betonte, dass das „Kind-seiner-Zeit-Argument“ rein apologetischer Natur sei. Andreas Nachama, Historiker, Rabbiner und Direktor der Stiftung Topografie des Terrors, hob hervor, dass niemand nur „ein bisschen antisemitisch“ sei. Ob aus dem Antisemitismus Beuths jedoch eine Umbenennung folgen sollte, sei allein Sache der Hochschule. „Niemand ist der Oberschiedsrichter, auch nicht die jüdische Gemeinde“, sagt er.
Fast alle Diskutanten waren sich einig, dass es besser wäre, Universitäten künftig nach technischen Errungenschaften oder dem Standort zu benennen. Studierende erhoffen sich als Folge der Diskussion über Antisemitismus auch weiterführende Debatten etwa über Sexismus und Rassismus an der Hochschule. Auffällig dabei war eines: Ronja Marcath war die einzige Frau in der Runde, Andreas Nachama der einzige Jude. Etwas Positives hat die Diskussion trotzdem schon jetzt bewirkt. Wie dort gefordert hat die Hochschule inzwischen sämtliche Papiere und Stellungnahmen auf ihrer Homepage öffentlich zugänglich gemacht (beuth-hochschule.de/beuth).