Astronomie: Das Weltall ist voller Riesensterne
Große Sonnen entstehen häufiger als vermutet.
„Damit hatten wir nicht gerechnet“, sagt Fabian Schneider. Der deutsche Astrophysiker an der renommierten Universität im englischen Oxford hat mit Kollegen aus aller Welt die Sterne in einem Teil der Großen Magellanschen Wolke untersucht. In dieser Zwerg-Galaxie – auch 30 Doradus genannt – war Astronomen schon lange der Tarantel-Nebel als eine Art „Super-Kreißsaal“ im Weltraum aufgefallen, in dem sehr viele Sterne entstehen. Seit rund acht Millionen Jahren ist diese Struktur sehr aktiv und produziert Sterne wie am Fließband, berichten die Forscher im Fachblatt „Science“. „Unter diesen Sternengeburten sind überraschenderweise rund ein Drittel mehr Schwergewichte, als wir das bisher vermutet hatten“, sagt Schneider.
Riesensterne - und ihre Überreste - formen ihre Umgebung
Die Nachricht lässt Astrophysiker aufhorchen. Denn solche Giganten mit mehr als der dreißigfachen Masse unserer Sonne spielen eine wichtige Rolle im Universum. Sie leuchten nicht nur extrem hell und besonders stark im ultravioletten Licht, sondern verteilen am Ende ihres relativ kurzen Sternenlebens in unvorstellbaren Explosionen große Mengen von Elementen: Dazu gehört Kohlenstoff, das zentrale Element allen Lebens, aber auch der Sauerstoff, den wir atmen, oder Eisen. Obendrein formen die Druckwellen solcher Supernova-Explosionen die Galaxien und lassen erheblich mehr Neutronensterne und Schwarze Löcher mit sehr dichter Materie entstehen, die ebenfalls das Universum stark beeinflussen.
Grund genug, sich solche Schwergewichte genauer anzuschauen – was allerdings nicht einfach ist. Die Giganten verbrauchen schnell ihren Brennstoff, strahlen sehr hell, halten das aber nur ein paar Millionen Jahre durch. Anders als kleinere Sonnen wie unsere, die mit insgesamt rund zehn Milliarden Jahren etwa tausendmal länger leuchten. Daher gibt es in unserer kosmischen Umgebung kaum Riesensterne. Nur in den „Weltraum-Kreißsälen“, in denen in den vergangenen Jahrmillionen viele Sterne entstanden sind, sind sie zu finden.
Mehr als die 15fache Masse unserer Sonne
Die Forscher untersuchen daher mit dem Riesenteleskop VLT (Very Large Telescope) der Europäischen Südsternwarte ESO auf dem Cerro Paranal im Norden Chiles den Tarantel-Nebel, von dem das Licht rund 180.000 Jahre bis zur Erde unterwegs ist. Mit einem speziellen Gerät filtern sie aus dem Licht von etwa 800 Sternen in diesem Gebiet eine Art Fingerabdruck, mit dessen Hilfe sie wichtige Eigenschaften dieser jungen Sonnen ermitteln: ihre Temperatur und die tatsächliche Helligkeit, die Rotationsgeschwindigkeit und die Beschleunigung an der Oberfläche dieser Sterne, aus der die Forscher Rückschlüsse auf deren Masse und Durchmesser ziehen. Nachdem die Forscher besonders schwer zu untersuchende Doppelstern-Systeme aussortieren, bleiben 452 Einzelsterne übrig, von denen 247 Giganten mehr als die 15-fache Masse unserer Sonne haben.
Dass so viel mehr Riesensterne entstehen, ändert die Vorstellungen vom Universum: So könnte es in diesem System 70 Prozent mehr Sternexplosionen geben. Dadurch wird die dreifache Menge schwerer Elemente wie Sauerstoff und Eisen in die Umgebung geschleudert. Schwarze Löcher könnten beinahe dreimal häufiger entstehen.