Kündigung von Andrej Holm an Berliner Uni: „Das fliegt der Humboldt um die Ohren“
Ein Anwalt für Arbeitsrecht gibt dem von der HU entlassenen Andrej Holm gute Chancen, sich einzuklagen. Die Berliner Asten glauben an "politische Motive" bei der Kündigung.
Der Stadtsoziologe und zurückgetretene Staatssekretär Andrej Holm hat gute Chancen, sich nach seiner Kündigung durch die Humboldt-Universität beim Arbeitsgericht einzuklagen. „Das wird der Humboldt-Universität um die Ohren fliegen“, sagt Alexander Bredereck, in Berlin Fachanwalt für Arbeitsrecht. Zwar könne die HU sich vor dem Arbeitsgericht auf Holms fehlende Reue berufen, die es angesichts des Vertrauensverlusts unzumutbar mache, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Aber andererseits habe der Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht zu beweisen, dass Holm die von ihm behaupteten Erinnerungslücken gar nicht gehabt habe – was der HU schwer fallen dürfte.
Holms Position sei auch deshalb gut, weil die HU ihm eine „alte Sache“ zur Last lege. In den elf Jahren nach seiner Falschaussage habe Holm aber beanstandungsfrei gearbeitet. „Dadurch hat er wieder jede Menge Vertrauen aufgebaut“, sagt Bredereck. Tatsächlich hatte HU-Präsidentin Sabine Kunst Holms Leistungen als Wissenschaftler am Mittwoch öffentlich hoch gelobt.
Die HU muss beweisen, dass ihr die Wahrheit wirklich wichtig gewesen wäre
Zum Nachteil der HU könne sich vor Gericht auch auswirken, dass Kunst erklärt hat, Holm hätte die Stelle im Jahr 2005 auch bekommen, wenn er die Wahrheit über seine Stasi-Tätigkeit erklärt hätte. „Das zeigt ja, dass es für die HU gar nicht so wichtig war, ob Holm die Wahrheit sagt oder nicht“, meint Bredereck. Und fügt hinzu: „Arbeitsverhältnisse sind keine Oasen der Wahrhaftigkeit. Nur ein durch die Lüge begründeter Vertrauensverlust, der eine weitere Zusammenarbeit für den Arbeitgeber unzumutbar macht, kann eine Kündigung begründen.“
Außerdem sei überhaupt „zweifelhaft“, ob der Arbeitgeber im Jahr 2005 noch ein berechtigtes Interesse haben konnte, Bewerber nach ihrer Stasi-Vergangenheit zu fragen – wie es im öffentlichen Dienst Berlins üblich ist. Der Arbeitgeber müsse also sein individuelles Interesse an den Auskünften beweisen.
Holm hat für die von ihm angekündigte Klage gegen seine Entlassung eine Frist von drei Wochen. Im Normalfall kommt es nach etwa zwei Monaten zu einem ersten Gütetermin vor Gericht. Einigen sich die HU und Holm nicht, wäre in etwa einem Jahr mit einem Urteil zu rechnen.
Die Asten wollen, dass der Regierende Bürgermeister Holms "Rauswurf" stoppt
Da Holm so gute Chancen hat, sich einzuklagen – warum will Kunst ihn dann trotzdem entlassen? Die Landes-Astenkonferenz Berlin kommt zu dem Schluss, Kunsts Entscheidung sei „politisch motiviert“. Aber inwiefern? Dass Kunst ihrem Parteigenossen, dem Regierenden Bürgermeister, eine Gefälligkeit erweisen wollte, vielleicht erst recht, um ihn in den laufenden Hochschulvertragsverhandlungen positiv zu stimmen, wollen die Asten damit nicht ausdrücken, wie ein Referent auf Nachfrage sagt. „Auffällig ist jedenfalls die Diskrepanz zwischen Kunsts Entscheidung und ihren geringen rechtlichen Chancen.“ Möglicherweise habe Kunst sich auch nur eines unliebsamen Mitarbeiters entledigen wollen. Im Effekt komme Michael Müller die Entscheidung jedenfalls zupass. Die Asten fordern Müller auf, Holms „Rauswurf“ zu stoppen.
Hat Kunst sich über Holms Entlassung mit dem Regierenden Bürgermeister abgesprochen? „Nein. Selbstverständlich nicht“, antwortet die HU auf diese Frage.
Die Studierenden, die das Institut für Sozialwissenschaften am Mittwoch aus Protest über Holms Kündigung besetzt hatten, erklärten am Donnerstagmittag auf Twitter, ihr Plenum habe beschlossen, das Institut „auf unbestimmte Zeit“ zu besetzen. Das Präsidium müsse seine Entscheidung zurücknehmen.
Der Personalrat der Humboldt-Universität hat jetzt 14 Tage Zeit, eine Stellungnahme abzugeben und ist bereits mit dem Vorgang befasst. Wie immer in solchen Fällen soll auch Holm Gelegenheit zu einem persönlichen Gespräch bekommen. Der Personalrat wird dann alle Argumente abwägen. Entscheidet er anders als Kunst, kann er die Kündigung aber trotzdem nicht verhindern.