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Ventil der Erde. Heiße Quellen wie die „Grand Prismatic Spring“ lassen erahnen, dass unter dem Yellowstone-Nationalpark ein Vulkan schlummert. Dessen Ausmaße sind indes gewaltig.
© „Windows into the Earth“, Robert B. Smith and Lee J. Siegel

Yellowstones Riesenvulkan noch größer als gedacht: Da braut sich was zusammen

Heißes Pflaster: Unter dem Yellowstone finden Forscher eine weitere Magmakammer. Droht eine Super-Eruption?

Die heißen Quellen des Yellowstone-Nationalparks sind ein beliebtes Ziel für Touristen. Sie zeigen, dass der Untergrund irgendwie in Aufruhr ist. „Vulkanisch aktiv“, wie Geowissenschaftler sagen – selbst wenn in der Landschaft gar keine typischen Vulkankegel stehen, die regelmäßig Feuer spucken. Der Eindruck an der Oberfläche täuscht. Tatsächlich hat sich dort in den vergangenen zwei Millionen Jahren drei Mal eine „Super-Eruption“ ereignet, die große Teile Nordamerikas verwüstete. Auch heute ist in wenigen Kilometern Tiefe eine große Magmakammer zu finden, das wissen Forscher schon lange. Sie ist aber nur ein Teil des Supervulkansystems. In Tiefen zwischen 20 und 45 Kilometern muss es ein weiteres Magmenreservoir geben. Das berichten Hsin-Hua Huang von der Universität von Utah und Kollegen in „Science“.

Das Erdinnere durchleuchtet

Sie haben für ihre Untersuchung erstmals zwei Methoden miteinander kombiniert, mit denen Geoforscher das Erdinnere durchleuchten. Zum einen bebt unter dem Yellowstone immer wieder die Erde. Dabei laufen seismische Wellen durch das Gestein, die an heißen Stellen im Untergrund abgebremst werden. Diese langsameren Wellen zeigen eine 70 Kilometer lange und 30 Kilometer breite, heiße Zone in geringer Tiefe an: die obere Magmakammer. Wobei der Begriff etwas irreführend ist, denn es ist keine gewaltige Blase, in der flüssiges Gestein brodelt, sondern eher ein heißer Schwamm, in dessen Poren das flüssige Magma lagert. 900 Kubikkilometer Schmelze müssen da unten stecken, haben die Forscher berechnet.

Der Supervulkan unter dem Yellowstone.
Der Supervulkan unter dem Yellowstone.
© Science/Hsin-Hua Hang, University of Utah/Tagesspiegel

Und doch ist diese Menge noch zu klein, um zu erklären, warum jeden Tag 45 000 Tonnen Kohlendioxid aus dem Untergrund blubbern, wie Messungen an der Oberfläche zeigen. Gibt es vielleicht in größerer Tiefe ein weiteres Magmareservoir, aus dem weitere Vulkangase aufsteigen? Die Erdbebenwellen aus der Yellowstone-Region können diese Frage kaum beantworten. Sie produzieren mit der Tiefe immer unschärfere Bilder.

Heißes Gestein mit der Konsistenz von Knetgummi

Das gelingt mithilfe eines zweiten Verfahrens, der seismischen Tomografie. Dabei nutzen Forscher Erdbebenwellen, die aus größerer Entfernung kommen und so auch tiefere Gebiete sichtbar machen. Dabei zeigt sich, dass von unten heißes Gestein emporsteigt. Diese Masse, etwa von der Konsistenz von Knetgummi, hat die Gestalt einer Röhre und einen Durchmesser von rund 80 Kilometern. Ihr Ursprung ist womöglich in den tiefsten Schichten des Erdmantels, 2900 Kilometer unter der Oberfläche. „Hotspot“, sagen Forscher. Mindestens sieben dieser gewaltigen Förderschlote soll es weltweit geben. Sie liefern zum Beispiel unter Hawaii, Island und der Osterinsel Nachschub für häufige Vulkanausbrüche.

Unter dem Yellowstone reicht der Hotspot bis in 60 Kilometer Tiefe. Bisher rätselten die Forscher, wie das heiße Gestein von dort den Weg in die noch mehr als 40 Kilometer höher liegende Magmakammer findet. Erst mit einer Kombination der beiden Untersuchungsmethoden für die oberen und die unteren Schichten fanden die US-Geologen dann ein weiteres Magmareservoir in einer Tiefe zwischen 20 und 45 Kilometern. Darin lagern unvorstellbare 46 000 Kubikkilometer heißes Gestein, wobei rund zwei Prozent davon tatsächlich geschmolzen sind.

Der Yellowstone-Supervulkan ist hochexplosiv

Gespeist wird diese Kammer vom Hotspot: Beim Aufsteigen verringert sich der Druck, das heiße Gestein schmilzt teilweise und wird als Magma durch Spalten nach oben gedrückt. Im unteren Reservoir kühlt die Schmelze ab, erste Minerale kristallisieren aus, gleichzeitig wird Gas frei. Übrig bleibt Magma, das mehr Silizium enthält und dadurch zähflüssiger wird. Beim weiteren Aufstieg in die obere Kammer verringert sich der Druck weiter, weiteres Gas entweicht. „Ähnlich wie aus Honig kommen aus dieser zähen Masse Gase nur langsam heraus“, sagt Jörg Geldmacher, Hotspot-Forscher vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung (Geomar) in Kiel. Deshalb können solche Vulkane mit viel Silizium im Magma sehr explosiv sein, wenn der Druck bei einer Eruption plötzlich stark fällt.

Drei Dutzend Explosionen in den letzten Jahrmillionen

Das ist beim Yellowstone-Supervulkan der Fall. Mehr als drei Dutzend gigantischer Explosionen in den vergangenen Jahrmillionen haben Forscher in dem Gebiet rekonstruiert. Vor 2,1 Millionen Jahren schleuderte er 2500 Kubikkilometer Lava und Asche in die Luft und verwüstete weite Teile Nordamerikas. Das dabei ausgeworfene Material entspricht einer Schicht, die sich knapp drei Kilometer hoch über Berlin stapeln würde. Weitere Ausbrüche gab es vor 1,3 Millionen Jahren und vor 640 000 Jahren.

Vor solchen Eruptionen strömt vermehrt Magma in die obere Kammer, die sich dabei nach oben wölbt. An ihren Rändern bilden sich Risse im Gestein, durch die später Magma nach oben steigt, sobald der Druck in der Kammer zu groß wird. Die Eruption beginnt also ringförmig über den Rändern der Magmakammer. Der schwere Deckel aus festem Gestein über der sich leerenden Kammer bricht während der Eruption in die Tiefe, während gleichzeitig Magma bis in Höhen von 50 Kilometern geschleudert wird. Nach der Eruption bleibt daher nicht etwa ein Vulkankegel zurück, sondern ein gigantisches Loch, das Vulkanologen „Caldera“ nennen.

Immer wieder Ausbrüche

Sie ist typisch für Supervulkane, bei denen laut Definition mindestens 1000 Kubikkilometer Material herausgeschleudert werden. Eine schwer vorstellbare Menge. Zum Vergleich: Bei der Eruption des Pinatubo 1991 waren es zehn Kubikkilometer. Dementsprechend selten sind Supervulkan-Ausbrüche. Der jüngste war der des Taupo auf der Nordinsel Neuseelands vor 22 600 Jahren. Vor 74 000 Jahren explodierte der Toba auf Sumatra. Der Auswurf hatte vermutlich dazu geführt, dass weltweit für mehrere Jahre die Temperaturen spürbar zurückgingen.

Mit Sicherheit wird es auch in Zukunft Supervulkan-Ausbrüche geben. Wann, das weiß keiner. In Chile gibt es Kandidaten, auch die Phlegräischen Felder in Italien zählen dazu, wobei die Zeiträume, in denen die Forscher denken, weit über die eines Menschenlebens hinausreichen. Robert Smith von der Universität von Utah jedenfalls schätzt die Wahrscheinlichkeit für eine große Eruption des Yellowstone-Supervulkans im Laufe eines Jahres auf ungefähr eins zu 700 000.

Roland Knauer

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