Vulkane: Neapels heiße Unterwelt
Magma und Wasser bringen die Phlegräischen Felder in Pozzuoli in Bewegung.
Neapel ist ein heißes Pflaster. Das gilt nicht nur für die Mafia-Aktivitäten, auch unter der Erde am Golf von Neapel brodelt es. Der Ursprung ist die vulkanische Aktivität des Gebiets, die schon mehrfach die gesamte Gegend verwüstet hat. Am bekanntesten ist der Ausbruch des Vesuvs im Jahr 79 n. Chr., bei dem mehrere Städte verschüttet wurden, darunter Pompeji und Herculaneum.
Von der immer noch heißen Gegenwart zeugen Thermalquellen und Schwefeldämpfe. An vielen Stellen ist das Gestein durch die aufsteigenden Dämpfe in ein unheimliches Gelb gefärbt. Auf dem gesamten Gelände gibt es mehr als 50 Eruptionsherde. Der letzte größere Ausbruch fand im Jahr 1538 statt. Er dauerte acht Tage – und als alles vorbei war, stand auf den Phlegräischen Feldern ein neuer Berg: der Monte Nuovo.
Jetzt, knapp 500 Jahre später, ist an der gleichen Stelle wieder Beunruhigendes zu beobachten: Die Daten des Erdbeobachtungssatelliten „Envisat“ der europäischen Raumfahrtagentur Esa zeigen, dass sich der Boden der Vulkanregion in den letzten zwei Jahren um rund vier Zentimeter gehoben hat. Den stärksten Anstieg registrierte Envisat in der Stadt Pozzuoli, rund 20 Kilometer westlich von Neapel. Doch an das Heben und Senken der Erde haben sich die Menschen hier bereits gewöhnt. Anfang der Siebzigerjahre hob sich der Hafen von Pozzuoli um rund eineinhalb Meter und zehn Jahre später um weitere zwei Meter.
Solche Phänomene waren lange Zeit selbst für Geologen verwirrend. Denn nach gängiger Lehrmeinung hebt sich der Boden, weil Magma aus der Tiefe eindringt. Eigentlich sollte in so einem Fall der Vulkan kurz darauf ausbrechen. Glücklicherweise ist das unter den Phlegräischen Feldern noch nicht passiert. Doch die Verwirrung wurde noch größer, als sich der Boden von Pozzuoli in den Neunzigern und Anfang 2000 überraschend um 80 Zentimeter senkte.
Jetzt hat ein Forscherteam um Guiseppe de Natale vom Vesuv-Observatorium des Instituts für Geophysik und Vulkanologie in Neapel eine Erklärung dafür im „Geophysical Research Newsletter“ vorgelegt: Wasser. Nach de Natales Erkenntnissen dringen heiße Gase und Thermalwässer aus der tiefer liegenden Magmenkammer in das Grundwasser ein – der Wasserpegel steigt und der Boden hebt sich. Fließt das heiße Wasser wieder ab, senkt er sich wieder.
Aber wie groß ist die Gefahr für einen Vulkanausbruch in Pozzuoli wirklich? Wer einen Blick auf die Homepage des Vesuv-Instituts (www.ov.ingv.it) wirft, stellt fest, dass die aktuelle Gefahrenstufe grün ist. Mit einem Ausbruch ist derzeit also nicht zu rechnen. Sollte es allerdings hier, im Ballungszentrum von Neapel, doch dazu kommen, wären die Folgen katastrophal, obwohl die Magmenkammer unter den Phlegräischen Feldern wohl nicht zu einem Supervulkan gehört. Vor 35 000 Jahren kam es hier bereits zu einer riesigen Eruption. Dabei gelangten 80 bis 150 Kubikkilometer an festen Bestandteilen (Pyroklastika) aus dem Bauch der Erde an die Oberfläche.
Die Stärke von Ausbrüchen lässt sich mit dem Vulkanexplosionsindex (VEI) messen. Der Wert des Ausbruchs vor 35 000 Jahren lag bei 6 bis 7, knapp unterhalb der Kategorie von Supervulkanen. Das war immer noch stärker, als nahezu alle Eruptionen in historischer Zeit. Der Ausbruch des Krakatau 1883 hatte nur einen VEI von 6, der des Mount St. Hellens im Jahr 1980 brachte es auf 5 Zähler.
Der einzige vergleichbare Vulkanausbruch geschah 1815, als der Tambora mit einem Explosivitätsindex der Stärke 7 ausbrach. Die Wucht der Eruption war so heftig, dass man sie noch im 2000 Kilometer entfernten Sumatra hören konnte. Selbst auf Borneo, Sulawesi und Java regnete es Asche. Mindestens 71 000 Menschen starben und es wurde so viel Asche in die Atmosphäre geschleudert, dass man in Europa 1816 das „Jahr ohne Sommer“ nannte. Missernten auf der Nordhalbkugel verursachten die schlimmste Hungersnot des 19. Jahrhunderts.
Käme es unter den Phlegräischen Felder heute wieder zum Ausbruch, müsste Pompeji noch einmal ausgraben werden – zusammen mit der Metropole Neapel.
Heinz Tron
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