Vulkanismus: Feuer aus der Erde
Tödliche Nacht: Der Ausbruch eines Supervulkans kann das Leben auf dem Planeten gefährden. Möglicherweise ist durch einen derartigen Ausbruch schon einmal die Menschheit fast ausgestorben.
Zwei unterschiedlichere Landschaften kann man sich kaum vorstellen. Im Zentrum der Nordinsel Neuseelands plätschern leise die Wellen des dunkelblauen Taupo-Sees an seine saftig-grünen Wiesenufer. Im Dreiländereck zwischen Chile, Bolivien und Argentinien dagegen spannt sich ein stahlblauer Himmel über teilweise rot-verwitterte Sechstausender, zwischen denen sich eine weite Hochebene erstreckt. Nirgends ein Hauch von Wasser oder Vegetation. Die Gemeinsamkeit dieser beiden Regionen verbirgt sich im Erdinneren. Unter beiden Gebieten gibt es riesige Kammern mit glutflüssigem Gestein, die eines Tages als Supervulkan explodieren und das Leben auf dem gesamten Globus in Mitleidenschaft ziehen könnten.
„Supervulkane erkennt man an der Oberfläche kaum“, sagt Thomas Walter vom Geoforschungszentrum (GFZ) in Potsdam. Ihre Ausbrüche aber stellen alles in den Schatten, was aus den Geschichtsbüchern und Überlieferungen der Menschheit über Eruptionen bekannt ist. „Als vor 22 600 Jahren am heutigen Taupo-See in Neuseeland ein Supervulkan ausbrach, lagerte sich in unserer Region eine 20 Zentimeter dicke Ascheschicht ab“, sagt Shane Cronin, Vulkanologe an der neuseeländischen Massey Universität in Palmerston North. Da so dicke Schichten der feinen Vulkanasche praktisch alles Leben ersticken, dürfte der Supervulkan damals in weitem Umkreis die gesamte Natur völlig verwüstet haben. 1170 Kubikkilometer Asche und glutflüssige Lava hat der Taupo damals in die Luft geschleudert. Würde eine solche Menge heute über das 892 Quadratkilometer große Berlin verteilt, verschwände die Stadt unter einer mehr als 1300 Meter hohen Schicht dieser „Tephra“ genannten Masse.
Der Taupo-Ausbruch vor 22 600 Jahren ist zwar die jüngste, nicht aber die größte Supervulkaneruption in der Geschichte der Menschheit. Vor 75 000 Jahren explodierte auf der Insel Sumatra im heutigen Indonesien der Toba-Supervulkan und schleuderte mit 2800 Kubikkilometer Tephra genug Material in die Atmosphäre, um die Stadtfläche von Berlin mehr als 3100 Meter hoch zu bedecken.
Nach der Eruption brach eine 1000-jährige Eiszeit an
50 Kilometer hoch dürfte damals Material geschleudert worden sein und zumindest ein Teil davon wurde rund um den Globus geweht. Weltweit betrachtet hat das bei vielen Vulkanausbrüchen ausgestoßene Gas Schwefeldioxid besonders verheerende Auswirkungen. Einmal in die obersten Schichten der Atmosphäre gelangt, bildet es Schwefelsäurewolken, die so viel Sonnenlicht reflektieren, dass sich die Luft darunter drastisch abkühlt. Nach dem Ausbruch des Toba folgte dann auch eine rund 1000-jährige Eiszeit. Vermutlich wurde damals durch die massive Abkühlung die Nahrung für Homo sapiens knapp. Jedenfalls haben Molekularbiologen aus den sehr geringen Unterschieden zwischen dem Erbgut heutiger Menschen ausgerechnet, dass vor rund 70 000 Jahren die Menschheit durch einen „genetischen Flaschenhals“ gegangen sein muss: Demzufolge lebten damals nur noch um die 2000 Menschen auf dem gesamten Planeten.
Die Menschheit war nur knapp ihrer Auslöschung entgangen – Grund genug, die gigantischen Eruptionen genauer zu erforschen. „Supervulkane bilden sich aus extrem großen Magmakammern, von denen wir bisher nicht wissen, wie sie genau entstehen“, sagt der GFZ-Forscher Walter. 60 Kilometer lang, 40 Kilometer breit und 10 Kilometer hoch könnte die Magmakammer unter dem Yellowstone-Nationalpark sein, unter dem sich ein weiterer Supervulkan verbirgt. Sein jüngster Ausbruch liegt aber schon 640 000 Jahre zurück.
„In diese riesigen Kammern strömt immer neue Magma nach, dadurch wölbt sich das Gestein darüber auf“, erklärt der Geowissenschaftler die Vorgänge vor einer Eruption. Am Rand der Hebungszone bilden sich Risse im Gestein, durch die später Magma nach oben steigt, sobald der Druck in der Kammer zu groß wird. Die Eruption beginnt also ringförmig über den Rändern der Magmakammer. Der schwere Deckel über dem zähflüssigen Gestein hingegen bricht während der Eruption in die Tiefe. Nach dem Ausbruch bleibt daher kein Vulkankegel zurück, sondern ein gigantisches Loch, das Vulkanologen „Caldera“ nennen. Im Laufe der Jahrtausende füllt sich diese Vertiefung mit Wasser. Auch über dem Taupo-Supervulkan in Neuseeland hat sich so ein Gewässer gebildet. Mit einer Fläche von 616 Quadratkilometern ist es deutlich größer als der Bodensee.
30 Zentimeter Schnee im Hochsommer
Im Januar des Jahres 180 brach der Taupo zum letzten Mal mit einer starken Eruption aus. Dabei wurden rund 120 Kubikkilometer Tephra in die Luft geschleudert. Für einen Supervulkanausbruch reichte das aber nicht – die müssen per Definition mindestens 1000 Kubikkilometer Auswurf erzeugen. Was das bedeutet, lässt der Ausbruch des Tambora auf der indonesischen Insel Sumbawa im Jahr 1815 erahnen. Obwohl er „nur“ 160 Kubikkilometer Material in die Luft schleuderte, gingen weltweit die Temperaturen so weit zurück, dass im kanadischen Quebec im Hochsommer 1816 in einer Nacht rund 30 Zentimeter Schnee fielen.
Bleibt die Frage, wie man schlummernde Supervulkane erkennt. GFZ-Forscher Walter ist mithilfe des europäischen Umweltsatelliten „Envisat“ und dessen Vorgänger fündig geworden. Seit 1992 vermessen die Geräte an Bord der Sonden mit Radarstrahlen die Höhe der Erdoberfläche. Bei der Analyse der Daten fanden Walter und seine Kollegen im Dreiländereck zwischen Chile, Bolivien und Argentinien zwei außergewöhnliche Regionen. 100 Kilometer östlich der berühmten Geysire „El Tatio“ in Chile steigt die Oberfläche eines Gebiets mit 70 Kilometern Durchmesser jedes Jahr um 1,5 Zentimeter in die Höhe. Eine weitere von ihm „Lazufre“ genannte Region unmittelbar an der Grenze zwischen Chile und Argentinien hebt sich auf einer Fläche von 50 mal 30 Kilometern jedes Jahr sogar um 3,5 Zentimeter. Bei normalen Vulkanen sind solche Deformationen wichtige Warnsignale vor einer Eruption. Mit Supervulkanen dagegen gibt es keine solchen Erfahrungen, da können auch Wissenschaftler nur spekulieren.
Bahnt sich in Südamerika die nächste Katastrophe an?
Immerhin können die GFZ-Forscher mit Computermodellen ausrechnen, was in der Tiefe passieren dürfte: Zehn Kilometer unter der Oberfläche gibt es eine riesige Magmakammer, in die jedes Jahr rund zehn Millionen Kubikmeter zusätzliches Magma strömen. Dieses zusätzliche Volumen hebt das Gestein darüber an – und das betroffene Gebiet wächst offensichtlich: Hoben sich 2007 noch 1100 Quadratkilometer in der Lazufre-Region um 3,5 Zentimeter, waren es 2008 bereits 1500 Quadratkilometer und damit fast die doppelte Fläche Berlins. Selbst unter dem Kilauea auf Hawaii, einem der aktivsten Vulkane der Welt, sind die Magmakammern offenbar deutlich kleiner; derart großräumige Hebungen wurden dort noch nie gemessen.
Und noch eine Tatsache stimmt Walter nachdenklich: Im Dreiländereck zwischen Chile, Bolivien und Argentinien haben Vulkanologen bisher die Spuren etlicher Supervulkanausbrüche gefunden. Vor zehn, acht, sechs und vier Millionen Jahren gab es dort jeweils mehrere solcher Eruptionen. Vor zwei Millionen Jahren gab es immerhin noch einen Ausbruch, der mehr als 1000 Kubikkilometer Material zutage förderte. Ob sich mit der Lazufre-Hebung eine neue Katastrophe anbahnt? Walter: „Das kann heute keiner mit Gewissheit sagen, denn noch wissen wir zu wenig über Supervulkane.“
Über die Arbeit von Vulkanologen berichtet am heutigen Dienstag Donald Dingwell von der Universität München in seinem Vortrag „Explosive Vulkanausbrüche: Experimentelle Erkenntnisse“. Die Veranstaltung beginnt um 19 Uhr im Hörsaal HS 01 der Fachhochschule Potsdam, Friedrich-Ebert-Straße 4.
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