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Eines mobiles Testcenter soll bei Covid-19-Ausbrüchen an Schulen eingesetzt werden, doch die Genauigkeit der Ergebnisse ist nicht belegt.
© Frank Rumpenhorst/dpa

Als Säule der Pandemiebekämpfung gedacht: Corona-Schnelltests liefern unzuverlässige Ergebnisse

Sie sollen unbedenkliche Kontakte ermöglichen. Doch viele Schnelltests weisen Infektionen mit dem Coronavirus nicht ausreichend sicher nach.

Covid-19-Schnelltests sollen eine Säule des Infektionsschutzes in Deutschland sein. Doch nach einer aktuellen Analyse des Forschungsnetzwerks „Cochrane International“ erkennen nur wenige der erhältlichen Schnelltests verlässlich Infektionen.

Nach den Beschlüssen von Bundes- und Landesregierungen sollen tagesaktuelle Tests Pflicht werden, wo Abstandhalten oder Maskentragen schwierig sind. Vor Flugreisen nach Deutschland soll die Testpflicht im Infektionsschutzgesetz festgeschrieben werden und für Schüler, Lehrkräfte und Kita-Beschäftigte sollen zwei Testungen pro Woche möglich werden. Positive Testergebnisse zeigen an, wer seine Kontakte zu Mitmenschen umgehend einschränken sollte, um sie nicht anzustecken.

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„Wenn sich ein Mitarbeiter eines Altenheims testet, bevor er zur Arbeit geht, verhindert er im Falle einer unerkannten Infektion viele sekundäre Infektionen“, sagte Michael Meyer-Hermann vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig dem Tagesspiegel. „Der Sinn der hier geplanten Tests ist, Infektionsketten zu unterbrechen“, so der System-Immunologe.

Positive Testergebnisse sollen auch helfen, Menschen medizinisch zu behandeln und ihre Kontakte schnell nachverfolgen zu können. Doch die Tests können zwar symptomatische Krankheiten recht sicher erkennen, viele liefern aber vor Einsetzen der ersten Anzeichen der Krankheit keine zuverlässigen Ergebnisse, teilte Cochrane International mit.

Wer nicht infiziert ist, erhält ein genaues Ergebnis

Schnelltests liefern innerhalb von 30 Minuten bis zwei Stunden ein Ergebnis. Als Probematerial dienen Abstriche aus dem Nasen- oder Rachenraum. Antigentests schlagen an, wenn darin Virusproteine enthalten sind, zum Beispiel Bruchstücke der Hülle. Molekulare Schnelltests weisen das Erbgut des Erregers nach.

Das Forschungsnetzwerk gelangt zu einem negativen Urteil über die Genauigkeit der Verfahren. Zwar gebe es große Unterschiede, aber „nur sehr wenige“ Schnelltests erfüllten die Anforderungen der Weltgesundheitsorganisation WHO, heißt es in der Mitteilung.

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Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben 64 Studien ausgewertet, in denen die Ergebnisse von Schnelltests mit denen von PCR-Tests verglichen wurden. PCR-Tests weisen ebenfalls das Erbgut des Virus nach.

Das Laborverfahren gilt als Goldstandard, Ergebnisse sind jedoch meist erst nach einem oder mehreren Tagen verfügbar. Nur drei der meist in Europa oder USA durchgeführten Studien bewerteten Testergebnisse bei Menschen ohne Symptome von Covid-19.

Von Infizierten mit Symptomen erkannten die Antigentests im Schnitt 72 Prozent. Wenn die Tests in der ersten Woche mit Symptomen durchgeführt wurden, lag die Erkennungsquote bei 78 Prozent. Die Ergebnisse für Tests unterschiedlicher Hersteller reichten von 34 Prozent bis 88 Prozent.

Das Ergebnis hängt aber auch davon ab, wie gut die Anleitung für das Verfahren befolgt wurde. Bei Infizierten ohne Symptome lieferten die Antigentests im Durchschnitt nur in 58 Prozent der Fälle das richtige, positive Ergebnis. Nach den von der WHO vorgegebenen Qualitätskriterien müssen Tests dagegen mindestens 80 Prozent der Infizierten erkennen.

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Negative Testergebnisse trafen dagegen mit großer Genauigkeit zu: bei 99,5 Prozent der Getesteten mit Covid-19-ähnlichen Symptomen und bei 98,9 der Getesteten ohne Symptome. Hier wird das WHO-Kriterium von mindestens 97 Prozent korrekt negativen Ergebnissen meist erreicht.

Datenbasis für Teststrategie fehlt

Für den Infektionsschutz wäre es aber wichtiger, Infizierte sicher zu erkennen. „Im Idealfall würden sich zwei Menschen, die sich treffen wollen, standardmäßig und unkompliziert vorher testen und dann entspannt zusammensitzen, ganz ohne schlechtes Gewissen oder Sorge, sich anzustecken oder den anderen anzustecken“, sagt Meyer-Hermann.

Doch die Gewissheit eines korrekt negativen Ergebnisses ist nicht gegeben, vor allem, solange keine Symptome auftreten.

„Bei sämtlichen Antigentests werden einige Infizierte durchrutschen“, sagt Jac Dinnes, einer der Cochrane-Autoren von der University of Birmingham. Daher sei es wichtig, dass mit einem negativen Testergebnis auch kommuniziert würde, dass Infektionen nicht ausgeschlossen sind.

Die Auswertung stellt auch infrage, inwieweit Standardtests etwa in Schulen und Pflegeheimen zum Infektionsschutz beitragen können.

„Wir haben keinerlei Daten oder Studien darüber gefunden, die die Genauigkeit von wiederholten Tests an Menschen bewerten, bei denen unbekannt ist, inwieweit sie dem Virus ausgesetzt waren“, sagt Mitautor Jon Deeks von der University of Birmingham. „Diese Teststrategie wird ohne die Basis von echten Anwendungsdaten eingeführt.“

Die Studie ergab jedoch, dass die Genauigkeit der Ergebnisse auch davon beeinflusst wird, wer den Test durchführt. In weiteren Untersuchungen soll der Zusammenhang von Erfahrung mit den Tests und ihrer Empfindlichkeit genauer untersucht werden.

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