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Restaurant- und Barbesitzer demonstrieren im südfranzösischen Marseille.
© Daniel Cole/AP/dpa
Update

Fast 27.000 Neuinfektionen in Frankreich: Corona-Rekordzahlen in immer mehr europäischen Ländern

Ob Tschechien, die Niederlande oder Frankreich: In vielen Ländern Europas sind die Infektionszahlen schon jetzt höher als im Frühjahr. Wie reagieren sie darauf?

Während die Coronavirus-Infektionszahlen in Deutschland in den vergangenen Tagen deutlich gestiegen sind und das Land über die bundesweit uneinheitlichen Regeln und sogar den Sinn mancher Auflagen streitet, ist die Pandemie-Situation in einigen europäischen Ländern noch deutlich angespannter. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation kletterte die Zahl positiver Tests binnen 24 Stunden in Europa am Freitag erstmals über die Marke von 100.000.

Vielerorts sind die Intensivstationen von Krankenhäusern bereits am Limit. Regierungen verhängen strengere Maßnahmen, um die Ausbreitung der Pandemie einzudämmen. Einziger Lichtblick ist derzeit, dass die Zahl der Patienten, die an den Folgen einer Covid-19-Erkrankung sterben, im Vergleich zum Frühjahr deutlich geringer ist.

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Die WHO warnt aber, dass in einigen Ländern rund 60 Prozent der Bürger der wegen des Virus ergriffenen Schutzmaßnahmen „müde“ seien. Das erklärte am Dienstag der WHO-Regionaldirektor für Europa Hans Kluge. In den acht Monaten seit der Ankunft des Virus in der Region hätten die Bürger riesige Opfer zur Eindämmung von Corona gebracht. Das gehe einher mit außergewöhnlichen Umständen, „die uns alle erschöpft haben, unabhängig davon, wo wir leben und was wir tun“, erklärte Kluge.

Unter solchen Bedingungen sei es ganz natürlich, dass man sich demotiviert fühle. Er rief die Regierungen auf, gemeinsam mit der Öffentlichkeit nach „neuen und innovativen“ Wegen zu suchen, um den Kampf gegen das Virus neu zu beleben.

Ein Überblick über die Lage in ausgewählten Ländern:

FRANKREICH: Deutschlands Nachbar hat die zweite Welle voll erwischt. Die Zahl der Neuinfektionen hat mit fast 27.000 einen neuen Höchststand erreicht. Binnen 24 Stunden wurden 26.896 neue Fälle registriert, wie die Gesundheitsbehörden in Paris am späten Samstagabend mitteilten. Erst am Vortag war die Schwelle von 20.000 Neuinfektionen überschritten worden.

Auf den Intensivstationen des Landes wurden am Samstagabend 1456 Menschen behandelt, das waren 17 mehr als am Vortag. Auf dem bisherigen Höhepunkt der Pandemie Anfang April wurden in Frankreich mehr als 7000 Covid-19-Patienten intensivmedizinisch behandelt.

54 Menschen starben in den vergangenen 24 Stunden an Covid-19, womit die Zahl der Toten auf mindestens 32.684 stieg, wie die Behörden weiter mitteilten. Elf Prozent aller Tests an einem Tag fielen positiv aus - nach 10,4 Prozent am Freitag.

Angesichts der zweiten Welle gelten vielerorts wieder strikte Beschränkungen. In mehreren Städten – darunter Paris, Lyon, Lille und Marseille – wurde bereits die höchste Warnstufe ausgerufen. In den betroffenen Städten mussten Bars und gastronomische Einrichtungen, die keine Speisen verkaufen, für vorerst zwei Wochen schließen.

SPANIEN: Die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen lag in Spanien zuletzt bei 115, insgesamt gibt es bisher rund 850.000 bestätigte Infektionen. In der vergangenen Woche starben nach Angaben des Gesundheitsministeriums von Freitag 541 Menschen. Der Anteil der Covid-19-Patienten in den Krankenhäusern steigt.

Landesweit gelten strenge Beschränkungen und Maßnahmen, auch Maskenpflicht im Freien. Viele Gebiete und Gemeinden sind abgeriegelt.

Über die Hauptstadt verhängte die spanische Regierung am Freitag den Notstand. In Madrid und einigen Vororten dürfen die Menschen ihre Wohngemeinde nur mit triftigem Grund verlassen – etwa für den Weg zur Arbeit oder für Arztbesuche. Außerdem gilt ab 23.00 Uhr eine Sperrstunde für Bars und Restaurants.

Die Auflagen sind nicht wie im Frühjahr mit einer strikten Ausgangssperre verbunden, die Madrilenen können also ihre Wohnungen jederzeit verlassen. Betroffen sind knapp 4,8 Millionen Menschen. Der Notstand soll zwei Wochen gelten.

Mit durchschnittlich rund 600 Infektionen pro 100.000 Einwohner in den vergangenen Wochen weist die Region Madrid die höchste Corona-Ansteckungsrate in ganz Spanien auf, in vielen Vierteln liegt die Zahl noch weit höher. Die landesweite Rate von rund 250 Ansteckungen pro 100.000 Einwohner ist wiederum die höchste in der EU. In Deutschland gelten 50 Fälle als Grenzwert, ab dem eine Region als Risikogebiet eingestuft wird.

Polizeibeamte der Guardia Civil bei einer Kontrolle nahe Madrid.
Polizeibeamte der Guardia Civil bei einer Kontrolle nahe Madrid.
© Ricardo Rubio/Europa Press/dpa

Positive Nachrichten gab es dagegen zum Ende der Woche von den spanischen Inseln. Die auf der spanischen Urlaubsinsel vor knapp drei Monaten wegen illegaler Partys zwangsgeschlossenen Lokale am sogenannten „Ballermann“, der Vergnügungsmeile an der Playa de Palma, dürfen bald wieder Gäste empfangen.

Das am 15. Juli verhängte Öffnungsverbot werde am kommenden Donnerstag aufgehoben, teilte die Regierung der Balearen am Freitag in der Inselhauptstadt Palma mit. Diskotheken und größere Partytempel müssten aber im Rahmen der Einschränkungen zur Eindämmung der Pandemie weiterhin geschlossen bleiben, hieß es.

„Die positive Entwicklung der epidemiologischen Situation auf der Insel Mallorca erlaubt es, bestimmte Einschränkungen in bestimmten Zonen wie in Magaluf oder der Playa de Palma zu verändern“, teilte die Regionalregierung jetzt mit. Die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen, die auf den Balearen zeitweilig auf deutlich über 100 geklettert war, konnte auf den Mittelmeer-Inseln zuletzt auf etwa 55 gedrückt werden.

Der balearische Tourismusminister Iago Negueruela sagte außerdem vor Journalisten, dass seine Region, die Kanaren und die spanische Zentralregierung über einen gemeinsamen Vorschlag für die Errichtung von touristischen Sicherheitskorridoren zu den wichtigsten Herkunftsmärkten verhandelten. Es werde spätestens „in den nächsten Tagen“ Neuigkeiten dazu geben.

TSCHECHIEN: Das Land mit seinen 10,7 Millionen Einwohnern hatte sich in der Pandemie bisher sehr gut geschlagen, jetzt aber rollt die Corona-Welle durch Tschechien. Den jüngsten Zahlen der EU zufolge ist das Land trauriger Spitzenreiter bei der Zahl der Neuinfektionen.

Im Schnitt steckten sich binnen 14 Tagen 374,6 Menschen je 100.000 Einwohner an. Am Freitag wurden den Behörden 8618 neue Fälle gemeldet, wie am Samstag bekannt wurde. Das waren knapp 3300 mehr als am Vortag. Es ist der vierte Tagesrekord in Folge.

Sollte die Kurve nicht abflachen, droht nach Ansicht von Experten bald ein dramatischer Engpass im Gesundheitssystem. Seit Beginn der Pandemie gab es 905 Todesfälle in Verbindung mit einer Covid-19-Erkrankung. Von Montag an müssen Theater, Kinos, Museen, Galerien und Sportstätten für zunächst zwei Wochen schließen.

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Ministerpräsident Andrej Babis hatte am Freitag auch einen Lockdown, also ein Herunterfahren der wirtschaftlichen Aktivität und des gesellschaftlichen Lebens, nicht mehr ausgeschlossen. Dem widersprach Präsident Milos Zeman. „Einen zweiten Absturz der Wirtschaft kann sich dieses Land nicht leisten“, sagte der 76-Jährige am Samstag der Zeitung „MF Dnes“. Zugleich forderte er „drakonische, geradezu militärische Maßnahmen“ im Bereich der Freizeitaktivitäten.

GROSSBRITANNIEN: Die Insel hatte im Frühjahr als eines der letzten Länder Europas strikte Maßnahmen ergriffen. Dem im Frühjahr selbst erkrankten Premier Boris Johnson wird seitdem vorgeworfen, ein schlechter Krisenmanager zu sein – was durch die aktuelle Entwicklung nicht besser wird: Die Zahl der Neuinfektionen steigt stark.

Wird heftig kritisiert: Großbritanniens Premier Boris Johnson.
Wird heftig kritisiert: Großbritanniens Premier Boris Johnson.
© Finnbarr Webster/Reuters

Am Freitag wurden 14.000 neue Fälle innerhalb von 24 Stunden gemeldet. Die Gesamtzahl der Ansteckungen stieg damit auf mehr als 575.000, wie die Regierung in London mitteilte. Besonders stark betroffen sind der Norden Englands, Schottland, Nordirland und Teile von Wales. Experten gehen von einer hohen Dunkelziffer aus – auch, weil es an Tests mangelt.

Zudem gibt es einen Flickenteppich an Regelungen, viele Krankenhäuser sind in einem desaströsen Zustand. Johnsons Regierung spricht inzwischen selbst wieder von einer „gefährlichen“ Lage. Der Statistikbehörde zufolge gibt es etwa 58.000 Todesfälle, bei denen Covid-19 als Todesursache genannt wird. Die amerikanischen Johns Hopkins Universität gibt die Zahl der Covid-19-Toten für Großbritannien am Sonntag mit 42.850 an.

Großbritannien steht nach Ansicht von Wissenschaftlern an einem „Scheideweg“ in der Corona-Krise. Dem Land stünden schwere Zeiten bevor, erklärte der Epidemiologe Jonathan Van-Tam am Sonntag. „Leider wird in den kommenden Wochen, genau wie die Nacht auf den Tag folgt, die Zahl der Todesfälle zunehmen.“

Er forderte die Briten auf, ihre sozialen Kontakte einzuschränken. Van-Tam gehört zu den Beratern der Regierung von Premierminister Boris Johnson. „In unserem nationalen Kampf gegen Covid-19 befinden wir uns an einem ähnlichen Wendepunkt wie im März. Aber wir können verhindern, dass sich die Geschichte wiederholt, wenn wir alle jetzt handeln.“

ITALIEN: Im März war Italien der Corona-Hotspot Europas – und nun ist man wieder wegen eines steilen Anstiegs der Infektionsfälle besorgt.in dieser Woche. Die Behörden zählten am Samstag insgesamt 5724 neue Ansteckungen binnen 24 Stunden nach 5372 am Tag zuvor. Außerdem wurden 29 neue Covid-19-Tote registriert. Besonders stark klettern die Werte in der Lombardei im Norden und in Kampanien im Süden.

Insgesamt meldete Italien bisher fast 350.000 Infektionen und 36140 Tote in Verbindung mit Covid-19. Unterschied zum Frühjahr: Jetzt sterben pro Monat so viele Menschen an Covid-19 wie damals an einem Tag. Die Intensivstationen sind mit annähernd 400 Covid-Patienten nicht am Limit.

In Italien gilt auch im Freien eine Maskenpflicht.
In Italien gilt auch im Freien eine Maskenpflicht.
© Guglielmo Mangiapane/Reuters

Wegen der steigenden Zahl an Neuinfektionen war diese Woche bereits eine landesweite Maskenpflicht im Freien in Kraft getreten. Wer beim Verlassen seiner Wohnung keine Maske trage, riskiere eine Geldstrafe von bis zu eintausend Euro, sagte Regierungschef Giuseppe Conte am Donnerstag. Und offenbar plant die Regierung, die Auflagen erneut zu verschärfen.

Geplant sei ein striktes Verbot von Gruppen im Freien vor Bars und Restaurants, hieß es am Samstag in verschiedenen italienischen Zeitungen. Außerdem solle die Teilnehmerzahl für private Feiern stark begrenzt werden. Damit wolle Rom einen zweiten großen Lockdown vermeiden. Contes Regierung hatte im März für viele Wochen Wirtschaft und Leben in dem 60-Millionen-Einwohner-Land stark eingeschränkt.

NIEDERLANDE: Auch dieser deutsche Nachbar mit seinen 17,2 Millionen Einwohnern kämpft mit stark steigenden Infektionszahlen. Am Samstag wurde 6500 neue Fälle gemeldet, nach knapp 6000 am Freitag und Donnerstag. In den vergangenen sieben Tagen habe es rund 34.000 neue Fälle gegeben, teilte das Institut für Gesundheit und Umwelt RIVM am Freitag mit. Insgesamt gab es bisher rund 174.000 bestätigte Fälle.

Die Zahl der Patienten in Krankenhäusern und auf Intensivstationen steigt zurzeit schnell. Kliniken haben die Versorgung für andere Patienten drastisch reduziert und Hunderte Operationen abgesagt. Schon in der vergangenen Woche hat die niederländische Ministerin für Medizinische Versorgung, Tamara van Ark, das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium vorsorglich um Hilfe gebeten, wie das ZDF online berichtete. Demnach haben zehn NRW-Kliniken bereits 44 Intensivbetten reserviert.

Zurzeit habe man in den niederländischen Krankenhäusern eine Intensivkapazität von 1.350 Betten, die bei Bedarf auf 1.700 Betten erweitert werden könne, teilte das Ministerium in Den Haag mit. Vor dem Wochenende lagen demnach 1.070 Corona-Patienten im Krankenhaus, 228 davon auf der Intensivstation. Vergangene Woche wurden im Schnitt 16 Tote am Tag gemeldet.

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Bürger und Experten fordern deutlich strengere Maßnahmen. Masken sind für öffentliche Räume dringend empfohlen, bislang aber nicht Pflicht. Ministerpräsident Mark Rutte äußerte sich sehr besorgt. „Wir gehören zu den drei am schlimmsten betroffenen Ländern in Europa, und es ist schlechter als in Amerika“, sagte Rutte. Er schloss einschneidende Maßnahmen nicht aus, wenn sich die Lage nicht schnell verbessere. Konkrete Pläne nannte er nicht.

Besonders schwer getroffen von der Ausbreitung des Virus sind Rotterdam, Den Haag, Utrecht und Amsterdam. Seit Beginn der Krise im März sind rund 6500 Menschen im ganzen Land gesichert an Covid-19 gestorben.

In der belgischen Hauptstadt Brüssel sind Cafés und Bars für einen Monat geschlossen.
In der belgischen Hauptstadt Brüssel sind Cafés und Bars für einen Monat geschlossen.
© Yves Herman/Reuters

BELGIEN: Das kleine Land mit seinen knapp 11,5 Millionen Einwohnern ist von dem Pandemie mit am heftigsten betroffen. Insgesamt gibt es bisher fast 157.000 bestätigte Infektionen und 10.175 Covid-19-Tote. Die Todesrate pro eine Million Einwohner ist mit 890 sehr viel höher als in Deutschland (116).

Nun verzeichnet das Land wieder rasch steigende Infektionszahlen. Die 14-Tage-Inzidenz – die Zahl an Infektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb zwei Wochen – lag zuletzt bei 280,7. In der Hauptstadt Brüssel sind Cafés und Bars nun für einen Monat geschlossen. Die Regierung verschärfte auch die landesweiten Regeln: Bürger dürfen pro Monat nur noch mit drei Personen außerhalb der Familie engen Kontakt pflegen. Um 23 Uhr ist Sperrstunde.

POLEN: Als einziges Nachbarland der Bundesrepublik ist Polen vom Auswärtigen Amt in Berlin bisher noch nicht ganz oder teilweise als Risikogebiet eingestuft worden. Doch auch in Polen schießen die Infektionszahlen in die Höhe.

Am Samstag wurde erstmals die Marke von 5000 positiven Tests überschritten. Binnen 24 Stunden kamen 5300 neue Fälle hinzu, die meisten davon in der Woiwodschaft Masowien, die auch die Hauptstadt Warschau umfasst. Das teilte das polnische Gesundheitsministerium mit.

Im gleichen Zeitraum starben in dem Land mit seinen 38 Millionen Einwohnern 53 Menschen in Zusammenhang mit dem Virus. Seit Beginn der Pandemie gab es in Polen 2972 Todesfälle in Verbindung mit einer Covid-19-Erkrankung.Seit Samstag gilt im gesamten Land wieder eine Maskenpflicht in der Öffentlichkeit – sogar im Freien. Zudem dürfen an Feiern maximal 75 Menschen teilnehmen. In sogenannten roten Zonen sind die Auflagen strenger, unter anderem müssen Bars und Restaurants um 22.00 Uhr schließen.

Zudem werden wieder spezielle Geschäftsöffnungszeiten für Senioren eingeführt. Ab Donnerstag sind Lebensmittelgeschäfte, Apotheken und Drogerien zwischen 10.00 und 12.00 Uhr nur für Menschen über 60 Jahren geöffnet, wie Ministerpräsident Mateusz Morawiecki am Samstag ankündigte. Diese Regelung für die gefährdete ältere Bevölkerung galt bereits während der ersten Welle im Frühjahr.

Morawiecki rief ältere Bürger auf, sich zu schützen und zuhause zu bleiben. „Wir bemühen uns, die Lage zu stabilisieren, wir bemühen uns, die Dynamik des Anstiegs der Totenzahlen zu verringern“, sagte der Regierungschef.

SCHWEDEN: Nach Wochen mit einem geringen Infektionsgeschehen, in denen Schweden einen Etappenerfolg im Kampf gegen die Pandemie feierte, steigt auch in dem nördlichen EU-Staat mit seinen rund 10,2 Millionen Einwohnern die Zahl der positiven Tests wieder deutlich an. In der Kalenderwoche 40 vom 28. September bis 4. Oktober registrierte die Gesundheitsbehörde FHM rund 3600 bestätigte Infektionen, wie sie in ihrem Freitag veröffentlichten Lagebericht mitteilte. „Die Zahl der Infektionen ist seit Anfang September jede Woche gestiegen und war in Woche 40 ungefähr dreimal so hoch wie in Woche 35“, schreibt die FHM.

Schwedens Staatsepidemiologe Anders Tegnell.
Schwedens Staatsepidemiologe Anders Tegnell.
© Claudio Bresciani/TT News Agency/AFP

Insgesamt meldet das Land bisher fast 98.500 Infektionen. Die Zahl der Patienten, die in Folge einer Covid-19-Erkrankung verstarben, wird mit 5894 angegeben. Die Zahl der Toten pro eine Million ist damit deutlich höher als in den Nachbarstaaten oder auch als in Deutschland – aber geringer als in Italien, Spanien, Frankreich oder Großbritannien. Ein sehr hoher Anteil der Covid-19-Toten in Schweden waren pflegebedürftige Menschen.

Vor allem wegen der hohen Todesrate wird das Land für seinen oft als „schwedischer Sonderweg“ bezeichneten Kurs kritisiert. Kritik. Die FHM und ihr Staatsepidemiologe Anders Tegnell hatten sich gegen einen Lockdown entschieden und vor allem auf Appelle und die Eigenverantwortung der Bürger gesetzt.

Inzwischen scheinen die Schweden aber den Empfehlungen der FHM nicht mehr strikt zu folgen. Urlaubsrückkehrer und eine zunehmende Nachlässigkeit macht zumindest Tegnell als Ursache für den neuen Trend aus. Angesichts dieser Zahlen werden die Mahnungen in Schweden eindringlicher. „Arbeitet von daheim, umarmt euch nicht“, sagte Ministerpräsident Stefan Löfven vergangene Woche.

Und auch Tegnell scheint inzwischen Zweifel zu haben, dass Appelle und Empfehlungen im Herbst und Winter nicht mehr ausreichen könnten. Auf einer Pressekonferenz sagte er gerade: „Es geht langsam aber sicher in die falsche Richtung.“ Am Freitag legte die Regierung zudem geplante Lockerung für Großveranstaltungen auf Eis. Eigentlich sollte die zugelassene Teilnehmerzahl von 50 auf 500 erhöht werden. Nun bleibt es aber bei der bestehenden Grenze. (mit dpa, AFP)

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