Absichtliche Infektion mit Sars-CoV-2: Britische Mediziner wollen Gesunde testweise mit Covid-19 infizieren
In Großbritannien sollen Covid-19-Impfstoffe an gezielt infizierten Menschen getestet werden. Doch die Aussagekraft der geplanten Studie ist begrenzt.
Zunächst soll es darum gehen, die minimale Menge des neuartigen Coronavirus Sars-CoV-2 zu ermitteln, die ausreicht, einen Menschen zu infizieren. Dann sollen in einer Studie in Großbritannien Impfstoffe gegen das Virus an weiteren freiwillig Mitwirkenden getestet werden.
Das Imperial College London plant diese „Human-Challenge“-Studie mit Unterstützung der britischen Regierung. Ziel sei, die Verbreitung von Covid-19, Todesfälle und weitere negative Auswirkungen zu begrenzen, teilte das Imperial College mit.
Konkret geht es darum, die Wirkung von Impfstoffen, Medikamenten zur Behandlung der Infektion sowie die Reaktionen des Immunsystems zu untersuchen. Durch den Vergleich mehrerer Vakzine könnte demnach der effektivste Impfstoff gefunden werden.
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Schnelle Ergebnisse
Die freiwilligen Probanden würden dazu zunächst mit einem Impfstoffkandidaten geimpft und später gezielt mit Sars-CoV-2 infiziert. Wenn der Impfstoff wirkt, werden sie nicht erkranken. Falls doch, würden sie behandelt.
Die Schutzwirkung kann auf diese Weise schneller und mit weniger Studienteilnehmern als in üblichen klinischen Studien getestet werden, da man nicht zufällige Infektionen abwarten muss.
„Bei relativ wenigen Fällen in der Bevölkerung dauert es Jahre, bis man einen Effekt nachweisen kann“, sagt Uwe Janssens, Chef der Intensivmedizin am St.-Antonius-Hospital in Eschweiler. Darin liege der Reiz von Challenge-Studien, die schon Erkenntnisse zu Krankheiten wie den Pocken, Gelbfieber oder Malaria geliefert hätten. „Vor dem Hintergrund des Infektionsgeschehens sind Challenge-Studien die Überlegung wert“, sagt Janssens. Voraussetzung sei eine eingehende ethische Prüfung.
Am Imperial College London scheinen die Überlegungen bereits abgeschlossen zu sein: „Challenge-Studien können die Entwicklung neuer Medikamente und Vakzine beschleunigen und das Risiko reduzieren“, sagte Peter Openshaw, Direktor des Human Challenge Consortium.
Tödliches Virus
„Die Sicherheit der Freiwilligen ist unsere höchste Priorität“, wird der Studienleiter Chris Chiu in der Mitteilung zitiert. Geplant ist, die Dosis der verabreichten Viren in sehr kleinen Schritten zu erhöhen, bis Infektionen auftreten. Schweren Verläufen durch Infektionen mit großen Virenmengen will man so vorbeugen.
Durch die Auswahl junger Probanden ohne Vorerkrankungen könne das Risiko weiter gesenkt werden. Und die Probanden würden mit antiviralen Mitteln behandelt, sobald ihre Infektion in Rachenabstrichen nachweisbar werde.
„Wir haben es bei Sars-CoV-2 mit einem tödlichen Virus zu tun und das Risiko für die Freiwilligen ist nicht unerheblich“, sagt aber Clemens Wendtner von der München Klinik Schwabing, der auch stellvertretender Vorsitzender der Ethikkommission der Ludwig-Maximilians-Universität München ist.
Es sei eine Illusion anzunehmen, dass Probanden, die trotz Testimpfung schwer erkranken, mit antiviralen Mitteln wie Remdesivir sicher gerettet werden könnten. Die Wirksamkeit des Mittels konnte zuletzt in einer Studie der Weltgesundheitsorganisation nicht sicher bestätigt werden. „Wenn ich diese Studie als Mitglied der Ethikkommission auf dem Tisch hätte würde ich sie ablehnen“, so Wendtner.
Geringer Erkenntnisgewinn
Das Vorhaben muss von der zuständigen Ethikkommission noch geprüft werden. Erst nach Genehmigung durch die britische Arzeneimittelbehörde „Medicines and Healthcare Products Regulatory Agency“ soll es am Anfang des nächsten Jahres starten.
„Ich glaube der wissenschaftliche Beitrag dieser Challenge-Studie wird minimal sein“, sagt Wendtner. Denn die Entwicklung von Impfstoffen, die zum Teil bereits in der Endphase klinischer Studien an zehntausenden Probanden getestet werden, sei schon sehr weit fortgeschritten.
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