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Die US-Regierung hat sich im Sommer einen Großteil der bis September anvisierten Produktionsmenge des Corona-Mittels Remdesivir gesichert: mehr als 500.000 Behandlungs-Dosen.
© YNA/dpa

Remdesivir-Wirkung überprüft: WHO-Studie stellt Wirksamkeit von Covid-19-Medikament infrage

Mit Remdesivir werden auch in Deutschland Covid-19-Patienten behandelt. Eine vorab einsehbare Studie der WHO belegt jedoch keine Wirkung.

Das antivirale Mittel Remdesivir hat nur geringe oder gar keine Wirkung auf den Krankheitsverlauf von Covid-19-Patienten. Das besagen die vorab veröffentlichten Zwischenergebnisse einer groß angelegten Studie im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation WHO.

Die fachliche Begutachtung der Studie durch unabhängige Experten steht noch aus. Sie wurde bislang nur auf einem Preprint-Server veröffentlicht. Andere Experten zweifeln ihre Aussagekraft an.

Remdesivir schnitt in der Studie nicht besser ab als das Malariamittel Hydroxychloroquin, das HIV-Medikament Lopinavir oder Behandlungen mit einem antiviral wirkenden Hormon aus der Gruppe der Interferone. Die Sterblichkeit, die Notwendigkeit Patienten künstlich zu beatmen und die Aufenthaltsdauer im Krankenhaus blieben mit oder ohne die Medikamentengabe gleich.

(Dieser Satz wurde korrigiert, die "Notwendigkeit ins Krankenhaus eingeliefert zu werden", wurde nicht wie zuvor fälschlich angegeben beurteilt, alle Patienten in der Studie waren bereits hospitalisiert. Statt dessen wurde die Notwendigkeit von Beatmungen mit einbezogen)

Ein internationales Forschungsteam hat Daten ausgewertet, die bei der Behandlung von mehr als 11.000 Covid-19-Patienten in rund 400 Krankenhäusern in 30 Ländern gewonnen wurden. 2750 davon wurden mit Remdesivir behandelt, mehr als 4000 Patienten mit keinem der untersuchten Medikamente. Insgesamt verstarben 1253 der Patienten.

„Keines der eingesetzten Mittel verminderte nachweislich die Sterblichkeit, die Notwendigkeit einer Beatmung oder die Dauer des Krankenhausaufenthaltes“, formulieren die Forschenden in ihrem Veröffentlichungsentwurf. „Die wenig vielversprechenden Gesamtergebnisse reichen aus, frühe Hoffnungen zu entkräften, die sich aus kleineren oder nicht randomisierten Studien ergeben haben.“ Es fehle an wirksameren Behandlungen.

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„Es ist nicht überraschend, dass für Hydroxychloroquin und Lopinavir keine Wirkung gezeigt werden konnte“, sagt Bernd Salzberger, Bereichsleiter Infektiologie am Universitätsklinikum Regensburg. Dass Interferon sogar eher einen negativen Effekt auf den Krankheitsverlauf hat, sei aber überraschend.

Derweil kritisieren andere Experten die Studiengestaltung. „In einer riesigen Studie wie dieser, die in mehreren Ländern mit unterschiedlichen Versorgungssystemen durchgeführt wurde, können die Behandlungen voneinander abweichen und Ergebnisse liefern, die schwierig zu analysieren sind“, sagte der Infektionsmediziner Peter Chin-Hong von der University of California in San Francisco der New York Times. Es gehöre viel zur Versorgung und das Medikament sei nur ein Teil davon.

Auch der Hersteller von Remdesivir kritisiert die Heterogenität im Studiendesign und bezweifelt die Aussagekraft.

Bekannt ist, dass Remdesivir in der Frühphase der Erkrankung eingesetzt werden sollte, in der sich die Viren stark vermehren. In der späteren Phase und bei schweren Verläufen sind es vor allem entzündliche Reaktionen, unter denen die Patienten leiden. Als Wirkstoff, der die Vermehrung der Viren hemmt, kann Remdesivir dann nicht mehr viel bewirken.

Nach Einschätzung des Robert-Koch-Instituts könnte der Einsatz mehr als zehn Tage nach Symptombeginn sogar nachteilig sein. Auch bei Patienten, die mit einer Lungenmaschine beatmet werden erscheine der Benefit fraglich.

In einer Studie mit rund 1000 Patienten, die im Oktober im New England Journal of Medicine veröffentlicht worden war, hatte Remdesivir die Zeit bis zur Erholung von Patienten verkürzt, bei denen bereits die tieferen Atemwege infiziert waren.

„Ich vermute, dass die Anwendung von Remdesivir sich durch die Studie nicht rasch ändern wird“, sagt Salzberger. Eine klinische Wirksamkeit sei vorhanden, hier zeigen alle bisherigen Studien immerhin in die gleiche Richtung: eine raschere Verbesserung des Zustands. „Was uns leider noch fehlt, ist eine Antwort auf die Frage, wie wir sinnvoll die beiden Therapiestrategien Dexamethason und Remdesivir kombinieren“, so Salzberger weiter.

Grundlegende Kritik

Die Solidarity-Studien, in denen die WHO nach Therapien für Covid-19 sucht, werden derweil fortgeführt. Es werden neuere antivirale Wirkstoffe und Substanzen untersucht, die auf das Immunsystem der Patienten wirken, und künstlich hergestellte Antikörper getestet, die das Virus bekämpfen können.

Ein Forschungsteam von der französischen Universität Marseille kritisiert in einem ebenfalls bislang nicht begutachteten Artikel, dass die Studien schwer umzusetzen und „losgelöst von der Realität der Pandemie“ seien. Zwar seien es interessante Ansätze, es fehle aber an Ressourcen sie in hoher Qualität umzusetzen.

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