Elche in Brandenburg: Die Rückkehr der hungrigen Riesen
Immer näher trauen sich die imposanten Tiere an die Großstadt Berlin heran. Das bringt ein paar Probleme mit sich. Aber Brandenburg hat dafür einen Plan.
Er war noch jung. Zwei, vielleicht drei Jahre alt. Und mindestens schon der vierte Elch, der in Brandenburg überfahren wurde. Am Dienstag war er auf dem Standstreifen der Autobahn 12 in Nähe der Anschlussstelle Fürstenwalde-West entdeckt worden. Morgens um 7 Uhr hätten mehrere Fahrer den toten Elch gemeldet, teilte die Autobahnpolizei mit. Das Tier habe keine Schussspuren aufgewiesen, so dass man von einem Unfall ausgehen müsse.
Der tote Elch lag auf dem Standstreifen
Der Zeitpunkt sei merkwürdig, oder eher folgerichtig gewesen, sagt Jan Engel vom Landeskompetenzzentrum Forst Eberswalde (LFE): „Denn gerade in der Woche davor waren uns mehrere Elchsichtungen gemeldet worden.“
Elche melden können die Brandenburger oder ihre Besucher inzwischen auch per Online-Formular. Die Daten fließen in den Elch-Managementplan ein, der 2018 überarbeitet werden muss, sagt die Elch-Beauftragte des LFE, Kornelia Dobias. In diesem Jahr habe es bereits 13 Meldungen gegeben, allerdings gehe sie davon aus, dass es sich nicht um 13 verschiedene Elche handele: „Die Tiere werden einfach an verschiedenen Orten von verschiedenen Menschen gesichtet.“
Nachwuchs gibt es noch nicht
Deshalb nehmen die Behörden an, dass derzeit etwa fünf Elche durch Brandenburg streifen, es könnten aber auch drei oder neun sein. Fast sicher sind sich die Experten aber darin, dass die Elche hier noch keinen Nachwuchs bekommen – sprich: Familien gegründet haben.
Und ganz gewiss stamme auch das am Dienstag überfahrene Jungtier aus Polen. Aus Tschechien oder Österreich sei jedenfalls noch kein Elchübertritt nach Brandenburg nachgewiesen worden, sagt Kornelia Dobias und fügt schmunzelnd hinzu: „Direkt aus Skandinavien durch die Ostsee ist auch noch keiner geschwommen. Obwohl Elche gute Schwimmer sind. Bisher kamen wohl alle über Oder und Neisse.“
In Polen gibt es schon 20 000 Elche
In Polen gibt es mittlerweile sage und schreibe 20 000 Elche – die weitaus meisten allerdings in den östlichen Wojewodschaften. Dennoch könnten durchaus noch mehr von ihnen in die Mark kommen und auch deshalb gibt es seit Jahren ein Elch-Management, sagt Ulrich Hardt. Er leitet das Referat Oberste Jagd- und Förstereibehörde im brandenburgischen Landwirtschaftsministerium und ist für alle jagdbaren Arten zuständig. Zu denen zählt auch der Elch, obwohl er wie das Wisent oder das Auerhuhn hierzulande gar nicht gejagt werden darf. Grundsätzlich nicht jagdbare Arten wie Wölfe, Biber oder Kormorane fallen unter das Naturschutzrecht. Elche – wie gesagt – unter das Jagdrecht.
Ein Unfall kann tödlich sein - auch für Menschen
Wie Wölfe dürfen Elche also nicht geschossen werden. Und wie Wölfe können sie tatsächlich auch einige Probleme bereiten, beispielsweise im Straßenverkehr. „Wenn Sie in einem Kleinwagen ein Reh anfahren, landet das für gewöhnlich im Straßengraben“, sagt Ulrich Hardt. „Wenn Sie einen Elch anfahren, landet der im Zweifel auf Ihrem Schoß. Und das kann auch für Sie tödlich sein.“ Schließlich wiegen ausgewachsene Elche durchschnittlich 500 Kilogramm und werden etwa 2,30 Meter groß und 2,70 Meter lang. Hinzu kommt, dass ein Elch im Gegensatz zum Reh nicht flüchtet, wenn sich ihm ein Auto nähert. „Der bewegt sich erstmal nicht, sondern verharrt auf der Fahrbahn und wartet ab, was da auf ihn zukommt“, sagt Kornelia Dobias.
Eine Elchkuh wurde nie gefunden
Möglicherweise deshalb, weil sich dieses Verhalten für den Elch seit Jahrtausenden bewährt hat? Es gab jedenfalls nicht viel, was ihn erfolgreich von vorn hätte angreifen können – bis zur Erfindung von Zügen und Autos. Letztere wurden den Elchen in Brandenburg bereits mehrmals zum Verhängnis: Im Jahr 2000 beispielsweise stand einer um 4.30 Uhr auf der Landstraße zwischen Byhleguhre und Burgim Spreewald. Der Fahrer eines leeren Linienbusses konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen.
2012 wurde ein Elch von einem VW Polo überfahren, als er den östlichen Berliner Ring überquerte. Der Fahrer musste ins Krankenhaus, der Elch überlebte den Zusammenstoß zwar, wurde aber kurz darauf von einem Lastwagen überrollt. Erst im Dezember 2016 wurde eine Elchkuh bei Lübben angefahren und verletzt. Sie floh und wurde nie gefunden.
Wildschutzzäune sind teuer
„Wir haben sehr intensiv geprüft, welche Maßnahmen zur Minimierung der Gefahr im Straßenverkehr ergriffen werden können“, sagt Ulrich Hardt. „Letztlich sind es aber bislang so wenig Elche, dass es unangemessen wäre, sehr viel höhere und stärkere Wildschutzzäune an den Autobahnen zu bauen.“ Zumal der auf der A 10 überfahrene Elch nach den Untersuchungen der Experten entweder einen mindestens 1,50 Meter hohen Zaun übersprungen oder die Autobahnauffahrt genommen haben müsse.
Der beste Schutz sei deshalb vorsichtige, angemessene Fahrweise, wenn man wisse, dass in der Gegend Elche gesichtet wurden, sagt Ulrich Hardt. Und Elche nutzen auch die eigens für Tiere angelegten Autobahnbrücken. Bei Teupitz auf der A 13 wurde ein Elch fotografiert, als er über eine sogenannte Grünbrücke lief.
Vierzig Kilo Grünmasse frisst ein Elch am Tag
Der andere Problemkreis, den Brandenburgs Behörden im Zusammenhang mit den Elchen im Auge haben, betrifft deren Fressverhalten. Zwar reißen sie keine Schafe wie die Wölfe, aber sie fressen ungeheure Mengen. Dreißig bis vierzig Kilo Grünmasse verdrückt ein Elch am Tag – und ganz besonders liebt er zarte, junge, frische Triebe. „Elche sind sogenannte Konzentratselektierer“, sagt Kornelia Dobias: „Gras oder Heu sind ihnen nicht energiereich genug.“
Sie können also gerade frisch angepflanzten Bäumen sehr gefährlich werden und von diesen gibt es nicht wenige, da Brandenburg auf Waldverjüngung und -erneuerung setzt. Hinzu kommen rechtliche Probleme: Wer bezahlt diese Wildschäden dann den Waldbesitzern?
Vorsicht in der Brunftzeit
Aus all diesen Gründen sind Brandenburgs Forstbehörden sehr daran interessiert, möglichst genau über die Entwicklung des Elchbestands informiert zu sein. „Es wäre schön, wenn jeder, der einen sieht, es uns melden würde“, sagt Ulrich Hardt: „Ein Foto wäre noch besser, aber bitte aus sicherer Entfernung.“ Zwar seien Elche eher scheu und wichen den Menschen aus, aber reizen sollte man die Tiere nicht. Vor allem nicht jetzt, wo die Brunftzeit beginnt.