Demenzforschung: Bluttest zur Früherkennung von Alzheimer
Gegen Alzheimer gibt es bisher keine wirksamen Medikamente. Ein Bluttest könnte jetzt die Forschung an neuen Therapien voranbringen.
Mehr als 1,7 Millionen Deutsche waren 2018 von Demenz betroffen, die meisten von ihnen aufgrund einer Alzheimererkrankung. Durch die steigende Lebenserwartung wird diese Zahl in den nächsten Jahren vermutlich weiter steigen und eine wirksame Therapie gibt es nicht. Das liegt vermutlich vor allem daran, dass die bisherigen Therapieversuche mit neuen Wirkstoffkandidaten viel zu spät einsetzen.
Ein neuer Bluttest könnte jedoch helfen, den Krankheitsverlauf von Alzheimer schon viele Jahre vor den ersten Gedächtnisverlusten zu studieren.
Überreste von Hirnzellen reichern sich im Blut an
Auf der Suche nach Molekülen (insbesondere Eiweißstoffen), die als frühzeitiges Anzeichen von Alzheimer dienen könnten (Biomarker genannt), untersuchten Forscher am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen, der Universitätsklinik Tübingen und dem Hertie-Institut für klinische Hirnforschung die Blutproben von 405 Personen, bei denen Alzheimer aufgrund einer Genveränderung schon im mittleren Alter auftritt.
Damit verfolgen die deutschen Wissenschaftler einen ähnlichen Ansatz wie einige andere Forschergruppen, die in den letzten Jahren versucht haben, Früherkennungstests für Alzheimer zu entwickeln. Im Gegensatz zu ihnen konzentrierten sich die Forscher aber nicht auf das Amyloid-Protein, das bei Alzheimer gehäuft im Gehirn und auch im Blut auftritt, sondern auf "das, was es im Gehirn anrichtet, also den Tod von Nervenzellen", erklärt Studienleiter Mathias Juncker. Dabei entsteht unteranderem ein Proteinbruchstück namens NfL, ein Neurofilament. Es wird im Blut nicht sofort abgebaut und eignet sich deshalb gut als Biomarker und als Basis für einen Test.
Der Nervenzellverlust deutet sich bis zu 16 Jahre im Voraus an
Offenbar reichert sich NfL bei den Studienteilnehmern schon bis zu 16 Jahre vor dem errechneten Eintreten der Demenzsymptome im Blut an, schreiben die Forscher im Fachblatt "Nature Medicine". Entscheidend war dabei nicht die absolute Konzentration, sondern deren zeitliche Entwicklung: In den Jahren vor Auftreten der Demenz stieg die Konzentration besonders stark an, nach dem Ausbruch der Krankheit war die Änderungsrate geringer.
Da es auch bei anderen neurodegenerativen Erkrankungen, etwa Multipler Sklerose, zur Anreicherung mit dem Filament kommt, eignet sich der Test nur bedingt zur Diagnose von Alzheimer. Er spiegelte aber den Krankheitsverlauf sehr genau wider und ermöglicht Prognosen. So konnten die Forscher Beeinträchtigungen der Gedächtnisleistung und den Verlust von Hirnmasse zwei Jahre im Voraus korrekt abschätzen. Das mache den Test zu einem „ausgezeichneten Werkzeug, um in klinischen Studien neue Alzheimertherapien zu erforschen“, meint Juncker.
Sarah Reim