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In etwa sieben Jahren soll die Esa-Raumsonde "BepiColombo", die am 20. Oktober 2018 vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guyana starten wird, den sonnennächsten Planeten Merkur erreichen.
©  DLR

Raumfahrt: "Bis 2100 werden wir außerirdisches Leben finden"

Der Planetenforscher Tilman Spohn spricht über albtraumhafte Missionen und die nächsten Ziele der Menschheit im All.

Professor Spohn, der Milliardär Elon Musk will Menschen zum Mond schicken. Was halten Sie davon?

Das wird so kommen. Die Wissenschaft wird das nicht unbedingt weiterbringen, aber das Bestreben des Menschen, seine Grenzen zu erweitern, gibt es. Wer das Geld hat, wird es auch machen.

Welcher Planet wäre denn der nächste Kandidat für die bemannte Raumfahrt?

Der Mars. Das größte Problem dabei ist kein technisches, sondern ein medizinisches: Wie schaffe ich es, die Leute sicher hin- und wieder zurückzubringen? Die Zeitfenster für Raumfahrten, in denen die Strahlenbelastung einigermaßen verträglich ist, sind relativ klein. Wir wissen heute, wenn einige Missionen zum Mond etwas früher oder später stattgefunden hätten, hätten die Crews das nicht überlebt. Heute kennt man die Sonnenaktivität und somit die Strahlenbelastung viel besser. Deshalb ist man vorsichtiger bei der Planung bemannter Raumfahrten.

Unbemannte Projekte gibt es hingegen zahlreiche in den kommenden Jahren: "Insight" soll das Marsinnere erkunden, die neuen Weltraumteleskope Cheops und Plato suchen nach Leben außerhalb des Sonnensystems und schon im Oktober startet die Esa-Sonde "BepiColombo" zum Merkur. Ist die Planetenforschung in Hochform?

Ja, aber da ist auch etwas Zufall dabei. Auf manche dieser Missionen warten wir schon lange. "Insight" hat zwei Jahre Verspätung und "BepiColombo" wurde sogar um ein Jahrzehnt verschoben. Ich habe die Mission meine gesamte Karriere hindurch begleitet, in verschiedenen Funktionen. Ich hatte sogar mal ein Passwort für meinen Computer, das auf einem Startdatum von 2009 basierte. Bepi war zeitweise ein Albtraum.

Warum hat es so lange gedauert?

Ein Grund war die Technik. Merkur ist der sonnennächste Planet. Tagsüber herrschen bis zu 430 Grad Celsius, nachts minus 170. Die Technik muss diese Bedingungen aushalten. Ein Problem war lange, dass die Solarzellen bei den Temperaturen und der hohen Strahlenbelastung nicht richtig funktioniert haben. Insgesamt werden wir zwei Orbiter in die Nähe des Merkur bringen. Landen wird aber keiner davon. Um sicher landen zu können, bräuchte man so viel Technik, dass kein Platz mehr für Messinstrumente wäre.

Welche Erkenntnisse erhoffen Sie sich?

Merkur interessiert uns besonders als Planet der Extreme: die Temperaturen, die Strahlung ... Außerdem hat er eine merkwürdige Chemie und enthält viel mehr Eisen als die anderen Planeten. Es gibt verschiedene Hypothesen, wie Merkur so geworden ist, und alle haben mit Prozessen in der frühen Phase des Sonnensystems zu tun. Wenn es gelänge, mehr über Merkur herauszufinden, könnten wir besser verstehen, wie unser Sonnensystem entstanden ist.

Der Geophysiker Tilman Spohn (68) leitete von 2004 bis 2017 das Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin-Adlershof. Er gilt als einer der renommiertesten Experten auf diesem Gebiet.
Der Geophysiker Tilman Spohn (68) leitete von 2004 bis 2017 das Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin-Adlershof. Er gilt als einer der renommiertesten Experten auf diesem Gebiet.
© DLR

Sie waren als Wissenschaftler verantwortlich für eines der Instrumente, die bei "BepiColombo" zum Einsatz kommen werden. Warum haben Sie diesen Posten vergangenes Jahr abgegeben?

Bepi fliegt sieben Jahre, ich wusste nicht, ob ich das mit Mitte 70 noch machen will. Das war nicht unbedingt ein Grund zu großer Freude, aber in diesem Geschäft denken Sie langfristig, über Generationen hinweg. Oft kann man das, was man beginnt, nicht selbst zu Ende führen. Insofern ist Planetenforschung ein bisschen wie der Bau des Kölner Doms.

Dafür wirken Sie bei der Nasa-Mission "Insight" noch mit. Im November soll der "Marsmaulwurf" landen, den Sie in Berlin-Adlershof entwickelt haben. Was ist seine Aufgabe?

Wir wollen herausfinden, wie viel Wärme noch aus dem Inneren des Mars kommt, welche Energie er also noch zur Verfügung hat. Dafür bauen wir ein geophysikalisches Observatorium auf. Es besteht aus einem Seismometer, einem Magnetfeldmessgerät und einem Wärmeflussgerät. Wir bohren bis fünf Meter unter die Oberfläche und messen dort die Temperaturzunahme und die Wärmeleitfähigkeit. Tiefer dürfen wir nicht, für den Fall, dass Mikroben in dieser Tiefe schlummern. Die wollen wir nicht mit irdischen Bakterien in Kontakt bringen.

Warum nimmt man an, im Marsboden seien Mikroben?

In der Frühphase des Mars herrschten Bedingungen, die die Entstehung von Leben erlaubt hätten. Wir wissen, dass Wasser über seine Oberfläche geflossen ist, das dann verloren ging. Die Frage ist, ob das Leben ausgestorben ist oder sich nur in den Boden verzogen hat? Das soll die "ExoMars-Mission" der Esa ab 2020 klären.

Heißt das, die Chancen, Leben außerhalb der Erde zu finden, sind auf dem Mars am größten?

Der Mars ist der Erde klimatisch am ähnlichsten. Zwar hat die Venus eine vergleichbare Größe und Masse, aber das Klima auf dem Mars entspricht in etwa den trockenen Kaltwüsten der Erde, zum Beispiel der Atacama. Diese Frage nach außerirdischem Leben ist in den letzten Jahren sehr in den Vordergrund geraten. Der Mars hat dafür großes Potenzial. Vor drei Jahren hätte ich noch gesagt, das größte.

Jetzt nicht mehr?

Inzwischen denken einige, dass Europa und Enceladus, Monde des Jupiters und Saturns, größere Chancen auf Leben bieten. Aber wenn es um die Frage geht, welchen Planeten wir Menschen einmal besiedeln könnten, konzentriert sich die Forschung eher auf den Mars.

Glauben Sie, dass es außerhalb unseres Sonnensystems Leben gibt?

Schwer zu sagen. Inzwischen entdeckt man immer mehr Planetensysteme. Ich erwarte, dass darunter Planeten mit zumindest primitivem Leben sind. Aber ob es in entdeckbarem Abstand noch einen weiteren Planeten mit intelligentem Leben gibt, da bin ich mir nicht sicher. Außerdem muss auch die Entwicklungsphase passen: Wie groß ist die Chance, dass wir einen davon entdecken, solange die Menschheit auf der Erde existiert? Zudem müssten die Bewohner eine etwa gleiche technologische Entwicklungsstufe haben, um mit uns kommunizieren zu können.

Wie kann man solche Exoplaneten überhaupt entdecken?

Mit großen Teleskopen. Von einigen Planeten kennen wir die Masse, von anderen den Radius. Wir hätten gern beides, um die Dichte ermitteln zu können. Das soll Plato leisten, ein neuartiges Teleskop der Esa, das 2026 in Betrieb gehen soll. Aus der Dichte können wir chemische Merkmale ableiten und ob es ein Planet ist, auf dem es Wasser geben kann, das theoretisch Leben ermöglicht. Der endgültige Nachweis von Leben wird aber bei Exoplaneten immer schwierig sein: Man kann ja nicht einfach hinfahren.

Was wird die Planetenforschung bis zum Jahr 2100 erreicht haben?

Wir werden bis dahin Leben außerhalb der Erde gefunden haben, wahrscheinlich eher in unserem Sonnensystem als in einem anderen. Am ehesten wohl auf Enceladus. Wir werden Proben vom Mars und anderen Planeten auf die Erde gebracht haben. Und vielleicht sind bis 2100 auch schon Menschen auf dem Mars gelandet.

Vom 17. bis 21. September findet an der TU Berlin der EPSC, Europas größte Konferenz von Planetenforschern, statt. Mehr als tausend Wissenschaftler aus aller Welt diskutieren über die nächsten großen Ziele der Raumfahrt.

Florian Schumann

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