Astrobiologie: Irdische Mikroben könnten auf dem Saturnmond Enceladus überleben
Im Eismeer des Trabanten gibt es Kohlendioxid und Wasserstoff – mehr brauchen spezielle Bakterien nicht, um Energie zu gewinnen und zu wachsen.
Kilometerweit schießen Geysire Wassereis aus dem eisbedeckten Ozean des Saturnmondes Enceladus in den Weltraum. Als 2015 die Nasa-Raumsonde Cassini durch eine dieser Fontänen flog, fand sie darin all jene chemischen Bestandteile, die es für Leben braucht: Kohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Phosphor, Schwefel, Wasserstoff, aber auch Moleküle wie Kohlendioxid und Methan. Spuren von Lebewesen fand die Sonde zwar nicht, dennoch vermuten Astrobiologen, dass der flüssige Salzwasser-Ozean und heiße Quellen unter der Eisdecke des „Schneeball“-Mondes dafür die besten Bedingungen in unserem Sonnensystem bietet – die Erde ausgenommen. Ein Team von Forschern aus Deutschland und Österreich hat diese Hypothese nun überprüft. Sie ließen evolutionsgeschichtlich sehr alte, irdische Bakterien aus der Tiefsee im Labor unter Bedingungen wachsen, wie sie vermutlich am Grunde des Enceladus-Ozeans herrschen – und tatsächlich wuchsen die Mikroben und vermehrten sich.
Enceladus-Umwelt auf der Erde nachgestellt
Die Idee entstand, weil die Messungen von Cassini auch Methan im Wasser des Enceladus-Ozeans nachwiesen. Wie viele Forscher vermutete auch der Astrobiologe Simon Rittmann vom Fachbereich Ökogenomik und Systembiologie der Universität Wien, dass das Gas womöglich nicht nur durch chemische Prozesse entsteht, sondern auch von Mikroben stammen könnte – etwa Methanothermococcus okinawensis. Dieses Archaebakterium lebt an heißen Quellen am Grunde des japanischen Pazifiks bei einer Temperatur von 60 bis 65 Grad Celsius, dem 50fachen des an der Erdoberfläche herrschenden Drucks und einer Umgebung ohne Sauerstoff. Und um Energie zu gewinnen, verwandelt es Kohlendioxid und Wasserstoff in Methangas.
Also bauten Rittmann und Kollegen die Umwelt des Saturnmondes im Labor nach. Methanotermococcus wuchs und gedieh darin prächtig. Bis zu 72 Prozent des Kohlendioxids konnten die Bakterien in Methan umsetzen, schreiben die Forscher im Fachblatt „Nature Communications“. „Methanogene Bakterien sind unter Enceladus-ähnlichen Bedingungen vermehrungsfähig und ein Teils des in den Wassereisfontänen nachgewiesenen Methans könnte daher prinzipiell biologischen Ursprungs sein“, sagt Rittmann.
Gefahr der Verunreinigung durch irdische Bakterien
Ganz sicher können sich die Forscher aber nicht sein, ob am Grunde des Enceladus-Ozeans wirklich jene Lebensumstände herrschen, wie sie das Forscherteam anhand der Cassini-Daten im Labor simulierte. Künftige Raumfahrtmissionen zu dem Saturnmond könnten nun aber gezielter nach solchen Kohlendioxid- und Methan-Isotopen Ausschau halten, die als typisches Anzeichen für biologische Prozesse gelten.
Dabei müssen Nasa, Esa oder andere Raumfahrtorganisationen allerdings sicherstellen, dass sie nicht versehentlich irdische Bakterien mitschleppen – denn dass zumindest Exoten wie Methanothermococcus okinawensis sich dort ansiedeln könnten, zeigt die Forschung Rittmanns auch. Und welch immensen Schaden eingeschleppte Arten in einem Ökosystem anrichten können, wissen irdische Biologen zur Genüge.
Sascha Karberg