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Blick in die Universitätsbibliothek der Technischen Universität.
© Ulrich Dahl/TU Berlin

Kritik an fehlenden E-Learning-Konzepten: Berliner Universitäten können auch Digitalisierung

Lehre, Forschung und Verwaltung zu digitalisieren, ist eine vielschichtige Aufgabe. Berlin ist ihr aber gewachsen. Ein Gastkommentar des TU-Präsidenten.

Den Berliner Hochschulen fehlen übergreifende Digitalisierungsstrategien, die neben Lernplattformen und sonstigen digitalen Lehrangeboten auch die Digitalisierung der Forschung und der Verwaltung umfassen. Das hat Anfang am Montag Olga Burkova, Vizepräsidentin der HAW Hamburg für Digitalisierung, als Gast im Wissenschaftsausschuss des Abgeordnetenhauses kritisiert. Auch die angekündigte gemeinsame Strategie der Berliner Hochschulen stehe noch aus, stellte Burkova wie berichtet in einer Anhörung zum Stand der Digitalisierung fest. Insgesamt liegen Unis und Fachhochschulen beim E-Learning und bei der digitalen Verwaltung im bundesweiten Vergleich zurück, einsamer Leuchtturm ist die gemeinsame Open-Access-Strategie der Universitäten. Auf die Defizitanalyse im Wissenschaftsausschuss erwidert hier der Präsident der Technischen Universität, Christian Thomsen.

Die Debatte im Wissenschaftsausschuss um die „Digitalisierungsstrategie der Berliner Hochschulen“ hat uns erneut gezeigt, dass Digitalisierung eine komplexe Herausforderung für uns alle ist. Sie betrifft viele Bereiche, ist dynamisch und endet nicht. Digitalisierung an Hochschulen ist nicht auf ein Wissensgebiet, eine Fakultät oder einen Verwaltungsbereich beschränkt, sondern durchdringt die Organisation als Ganzes.

Schaut man sich Universitäten wie die TU Berlin an, dann sind die Eckdaten mit 34.000 Studierenden, 8400 Beschäftigten und einem Etat inklusive Drittmitteln von rund 500 Millionen Euro Ausdruck dieser Komplexität. Unsere Herausforderung ist, dass wir Digitalisierung in Form und Inhalt gleichermaßen und nachhaltig implementieren müssen, um modern und attraktiv zu bleiben.

Im Inhalt – also in Forschungsprojekten und Studiengängen – sind wir Deutschlandweit spitze. Das aus der TU Berlin heraus initiierte Einstein Center Digital Future hat in kürzester Zeit laufen gelernt. Seit seiner Gründung vor drei Jahren konnten wir in Berlin 38 zusätzliche Berufungen im Bereich der Digitalisierung verwirklichen. Wir finden weltweit Nachahmerinnen.

Sodann kamen die nationalen Zentren für Big Data (BBDC), für maschinelles Lernen (BZML), für die Grundlagen des Lernens und der Datenverarbeitung (BIFOLD) und für die vernetzte Gesellschaft (Weizenbaum-Institut) hinzu. Viele Millionen Euro Fördermittel fließen in diese Projekte.

Promotionen in der Datenwissenschaft werden gefördert

Aber auch bei den Doktorandenprogrammen ist Berlin Vorreiterin. Unsere Research School, die jährlich zehn Stellen für eine gemeinsame Spitzenpromotion in der Datenwissenschaft zwischen einer Berliner Universität und einem Partner-Helmholtz-Zentrum anbietet, steht schon jetzt Pate: Die Helmholtz-Gemeinschaft hat das Programm nun erweitert.

Mit dieser Strategie fördern wir Talente auf Professuren, Doktorandenstellen und im Studium. Unsere Universitäten sind damit Motoren der Digitalisierung, für Wissensvermittlung, Berufsqualifizierung und Wirtschaftswachstum. Schlaue Köpfe, mutiges Handeln und die Bereitschaft der Politik, das zu unterstützen, sind dafür essentiell.

Christian Thomsen, Präsident der Technischen Universität Berlin, gestikuliert im Gespräch.
Christian Thomsen, Präsident der Technischen Universität Berlin, leitet den Digitalisierungsbeirat.
© Fabian Sommer/dpa

Das Ergebnis: Es gibt keinen anderen Standort in Deutschland, an dem man in der Digitalisierung so unterschiedliche Studieninhalte, Forschungsprojekte, –geräte und Experten antreffen kann, wie an der Spree. Wie sieht es nun mit der Vermittlung des Wissens aus – also mit unserer Form? Ich selbst habe Ende der 90er Jahre als Physiker, Dekan und Vizepräsident das E-Learning vorangetrieben. Mehrere Millionen Euro flossen in Echtzeit-Experimente, die Studierende von zu Hause aus steuern konnten, oder in eine schlagkräftige Einheit für digitale Innovationen in der Lehre.

Lernplattformen und Chats sind Standard

Im Rückblick schauen wir auf eine Welt, in der es noch keine Cloud, keine virtuelle Realität und kein Smartphone gab. Heute sind wir mit anderem konfrontiert. Digitale Lernplattformen für Lernmaterial mit Upload- und Downloadfunktion, Chats, Blogs und Dialogforen sind Standard an Berliner Universitäten. Video-Aufzeichnung von Lehrveranstaltungen laufen seit Jahren – allein an der TU Berlin sind es 900 Vorlesungen, die sich 96.000 Nutzer anschauten. Digitale Feedback-Werkzeuge und digitale Prüfungen werden eingesetzt.

Erst kürzlich kauften wir rund 200 weitere Laptops für sichere Online-Klausuren. Auch die Raumplanung für Tausende von Lehrveranstaltungen erfolgt bei uns jedes Semester digital über mathematische Optimierungssoftware. Seit Januar 2020 wird die gesamte Studierendenbetreuung über SAP abgewickelt. Damit und mit den Services für die Verwaltung betreibt die TU Berlin das größte SAP-Projekt an einer deutschen Hochschule.

Innerhalb unseres Exzellenzverbundes Berlin University Alliance (BUA) wollen die FU Berlin, die HU Berlin und wir im Bereich E-Learning eng zusammenarbeiten, die Angebote gemeinsam ausdehnen und Lernplattformen universitätsübergreifend öffnen. Ebenso werden im Rahmen der BUA die IT-Dienste nach und nach synchronisiert und zuweilen gemeinsam betrieben, wie es bei Cloudservices, Internettelefonie oder der Anschaffung von gemeinsamen Softwarelösungen für Lehre und Wissenschaft bereits sichtbar ist.

Die Beispiele zeigen, dass wir im Inhalt vorn sind und in der digitalen Vermittlung wie auch der Kooperation noch Luft nach oben haben. Das wissen wir. Die TU Berlin gehört nach wie vor zu den wenigen deutschen Universitäten, die einen Vizepräsidenten für Digitalisierung haben. Das Ressort kombinieren wir mit Studium und Lehre sowie Nachhaltigkeit – eine unserer weiteren wichtigen Entwicklungslinien. Digitalisierung bleibt eine vielschichtige Führungsaufgabe.

Christian Thomsen

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