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Berlins Hochschulen könnten auch Länderquoten einführen.
©  Thilo Rückeis

Hochschulzugang: Berlin will Hürden zum Studium abbauen – ein bisschen

Die Hochschulen in Berlin sollen bei Bewerbern künftig stärker andere Kriterien als die Abiturnote berücksichtigen. Vor allem Berufspraxis soll mehr zählen.

Wie kommen Studieninteressierte an die Uni, auch wenn sie ein eher durchschnittliches Abitur mitbringen? Gerade an den Berliner Hochschulen ist der geforderte Notenschnitt oft vergleichsweise streng, schließlich bewerben sich für viele Fächer deutlich mehr Interessenten, als Studienplätze vorhanden sind. An der HU etwa brauchte man zum vergangenen Wintersemester für BWL mindestens eine 1,9, für Philosophie eine 1,8.

Jetzt will die rot-rot-grüne Koalition die Hürden in NC-Fächern abbauen, zumindest ein bisschen. Eine entsprechende Novelle des Berliner Hochschulzulassungsgesetzes beschloss am Donnerstag das Abgeordnetenhaus. „Der Weg über ein Einser-Abitur an die Uni sollte auch bei stark nachgefragten Berliner Studiengängen nicht der einzig mögliche sein“, sagt Tobias Schulze, der wissenschaftspolitische Sprecher der Linksfraktion. „Mit dem Gesetz machen wir die Auswahl von Studierenden ein wenig gerechter.“

So müssen die Hochschulen künftig mehr Studienplätze für besondere Gruppen und Härtefälle reservieren. Mindestens 20 Prozent und bis zu 30 Prozent sollen in diesen „Vorabquoten“ vergeben werden. Bisher waren es mindestens fünf Prozent. Zu diesen Gruppen gehören zum Beispiel minderjährige Bewerberinnen und Bewerber aus Berlin und Brandenburg und ausländische Studierende.

Bevorzugt werden sollen auch Bewerber, die ihren Beruf später „in Bereichen besonderen öffentlichen Bedarfs“ ausüben wollen. Dazu muss die Senatsverwaltung aber im einzelnen entsprechende Vorschriften erlassen. Außerdem müssen die Hochschulen erstmals mindestens vier Prozent der Plätze für beruflich Qualifizierte reservieren, die kein Abitur haben. Unis und FHs sollen die Regeln spätestens zum Wintersemester 2021/22 umsetzen, sie gelten für alle Fächer mit einem lokalen Numerus Clausus.

Andere Kriterien als die Note sollen mehr zählen

Die Koalition will die Hochschulen zudem anhalten, mehr als bisher andere Kriterien neben der Abiturnote zu berücksichtigen und diese stärker zu gewichten. Im „Auswahlverfahren der Hochschulen“ soll die Note nur noch die Hälfte zählen, daneben müssen weitere Kriterien berücksichtigt werden. Bisher musste die Abinote hier mindestens 55 Prozent ausmachen, in der Praxis wurde sie oft deutlich stärker gewichtet.

Bei den weiteren Kriterien sollen ebenfalls berufliche Qualifikationen und praktische Tätigkeiten gestärkt werden. So ist vorgesehen, „außerschulische Leistungen oder außerschulische Qualifikationen“ zu berücksichtigen, die etwas über die Eignung für ein Fach aussagen. Andere Kriterien sind Auswahlgespräche oder Eignungstests.

Für die Hochschulen sind Auswahlverfahren nicht verpflichtend

Verpflichtet werden die Hochschulen allerdings auch künftig nicht zu solchen Auswahlverfahren. Wie bisher können „bis zu 60 Prozent“ der Plätze so vergeben werden, der Rest zu gleichen Teilen nur nach Note und nach Wartezeit. Sprich: Theoretisch können die Hochschulen auch weiterhin ganz auf zusätzliche Kriterien verzichten, die Formulierung „bis zu“ lässt diesen Spielraum offen. Aktuell verzichtet darauf zum Beispiel die TU. Die HU berücksichtigt studienrelevante berufspraktische Erfahrungen, die aber nur zu zehn oder zwanzig Prozent einfließen. Etwas differenzierter geht die FU vor, die in vielen Fächern neben berufspraktischen Erfahrungen auch bestimmte Leistungskurse aus der Schule berücksichtigt.

Bewerber dürfen künftig nicht mehr länger als zehn Semester auf ein Studium warten.
Bewerber dürfen künftig nicht mehr länger als zehn Semester auf ein Studium warten.
© Oliver Berg/dpa

Aus den Hochschulen war immer wieder zu hören, dass die Organisation von Auswahlgesprächen schlicht nicht zu leisten ist. Auch jetzt dürfte das für sie schwierig bleiben – weil die Zeitspanne für die Auswahlverfahren oft nur drei Wochen lang ist und die Hochschulen nicht die Ressourcen haben, aufwändige Auswahlverfahren für zehntausende Bewerberinnen und Bewerber in der kurzen Zeit zu organisieren.

Eine Länderquote könnte eingeführt werden

Spannend dürfte eine andere neue Vorgabe werden. Die Wissenschaftsverwaltung behält sich vor, Landesquoten einzuführen, um die Vergleichbarkeit der Abiture zu gewährleisten. Die Gesetzesnovelle orientiert sich hier am Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das einen solchen Ausgleich für die bundesweite Studienplatzvergabe im Fach Medizin forderte. Aus den Hochschulen ist zu hören, dass Landesquoten in kleinen Studiengängen kaum umsetzbar sind: Wie sollten 16 Bundesländer berücksichtigt werden, wenn es nur 20 Studienplätze gibt? Die Senatskanzlei teilt hierzu mit, es müsse noch entwickelt werden, wie der Ausgleich aussieht. Man werde sich am bundesweiten Verfahren orientieren.

Verschärft werden die Regeln für die Wartezeit. Diese ermöglicht es Bewerbern mit einem schwächeren Abitur, unabhängig von der Note nach eben einer bestimmten Zeit des Wartens an einen Studienplatz zu kommen. Nun soll man nicht mehr länger als zehn Semester warten dürfen. Wer diese Frist überschreitet, hat vom Warten keinen Vorteil mehr. Allerdings soll es in Berlin nur einige wenige Studiengänge geben, in denen Bewerber diese Frist überhaupt überschreiten.

Die Studierendenvertretungen hätten sich eine Stärkung der Wartezeit gewünscht: „Sie bleibt das sozialste Kriterium“, sagt Gabriel Tiedje vom TU-Asta. Unverständlich sei auch, dass die Gesetzesnovelle das Thema UniAssist nicht anpacke. Über die Einrichtung müssen sich ausländische Studierende bewerben; die Asten haben die Bewerbungspraxis bei UniAssist wiederholt scharf kritisiert.

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