Studieren ohne Abitur: Auch ohne Abitur an der Uni erfolgreich
Nicht-traditionelle Studierende haben kaum schlechtere Noten als klassische, brechen aber öfter ab
Wer ohne Abitur studieren will, verdient Bewunderung, sieht sich aber auch mit Vorbehalten konfrontiert. Der Schulstoff aus der Oberstufe könnte fehlen, akademisches Arbeiten schwerfallen. Wie sich beruflich Qualifizierte, denen der Hochschulzugang zunehmend erleichtert wird, an der Uni machen, wurde jetzt erstmals systematisch erforscht. Die Ergebnisse zeichnen ein differenziertes Bild: Berufserfahrene ohne Abitur haben ein höheres Abbruchrisiko, aber wenn sie durchhalten, ist ihr Notenschnitt ähnlich wie bei Studierenden mit Abitur.
Das Team um Studienleiter Andrä Wolter von der Humboldt-Universität und Christian Kerst vom Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung hatten zwei Datenquellen: die amtliche Hochschulstatistik und das Nationale Bildungspanel, durch das eine Stichprobe von 17.000 Studienanfängern seit dem Wintersemester 2010/11 fortlaufend befragt wird. Mit dabei ist auch eine Gruppe von rund 600 „nicht-traditionellen“ Studierenden ohne Abitur. Hinzu kamen eine qualitative Studie mit Leitfadeninterviews und zwei Gruppendiskussionen.
Im Vergleich sind die beruflich Qualifizierten häufiger vom (vermuteten) Studienabbruch betroffen: Von jenen, die 2010 ein Studium aufnahmen, hatten 2015 gut die Hälfte (53 Prozent) einen Abschluss, 18 Prozent studierten noch und 26 Prozent „sind weder der einen noch der anderen Gruppe zuzurechnen“ und werden als „Schwund“ klassifiziert. Zur Erklärung heißt es, sie könnten das Studium abgebrochen, unterbrochen oder es an einer in der Auswertung nicht zählenden Fernhochschule beendet haben. Bei den Studierenden, die ein Abi vom Gymnasium, vom Fachgymnasium oder von der Gesamtschule mitbrachten, schafften im selben Zeitraum 55 Prozent einen Abschluss, 28 Prozent studierten noch und nur 17 Prozent gehörten zum „Schwund“.
Finanzielle Probleme können zum Abbruch führen
Als Ursachen für den vermehrten Studienabbruch nennt Wolter die schwierige Vereinbarkeit von Studium, Beruf und Familie, finanzielle Probleme – und „größere Schwierigkeiten bei der Bewältigung von Leistungs- und Lernanforderungen“. Zwei weitere Gruppen schneiden allerdings ähnlich ab wie die beruflich Qualifizierten: Bei denjenigen, die über den zweiten Bildungsweg an die Hochschule kamen (also das Abitur nachgeholt haben), gibt es binnen fünf Jahren 24 Prozent „Schwund“, bei einem Hochschulzugang von der beruflichen Schule 21 Prozent.
Ein Vergleich der Noten im dritten Semester zeigt, dass die Nicht-Traditionellen gut integriert sind. In Erziehungswissenschaften, Pädagogik und Sozialwesen etwa liegt ihre Durchschnittsnote bei 2,0, bei den klassischen Abiturienten bei 1,8 und bei den anderen Gruppen bei 1,9 bis 2,0. In den Ingenieurwissenschaften gibt es noch weniger Unterschiede: 2,6 ohne Abitur, 2,5 mit Abitur. Andere Auswertungen zeigten, dass die Abstände auch bei den Examensnoten klein sind, heißt es.
Damit übertreffen die Leistungen der Hochschüler ohne Abitur ihre eigenen Erwartungen. Nach eigener Einschätzung verfügt nur ein Drittel am Beginn des Studiums in hohem oder sehr hohem Maße über die im Studium benötigten Kenntnisse in Mathematik, Deutsch und Englisch. Bei Studierenden mit allgemeiner oder fachgebundener Hochschulreife sind es dagegen fast drei Viertel, die sich das Studium von den schulischen Voraussetzungen her zutrauen.
Die Erfolge der mit rund drei Prozent aller Studierenden noch kleinen Quereinsteiger-Gruppe erklären die Forscher mit einer „klaren Studienmotivation“. Aufgrund ihrer Biografien brächten seien sie besonders ziel- und leistungsorientiert, organisationsfähig und an ihren Fächern interessiert. - Informationen zum Studium ohne Abitur hier.