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Um die Qualität von Promotionen gibt es immer wieder Streit.
© picture alliance / dpa

Plagiierte Dissertationen: Beim Doktor wirkt eine fatale Allianz

Bei Promotionen wird viel Wissenschaftsmüll produziert: Weil Aspiranten titelgierig sind und Professoren nicht hinschauen, meint unser Kolumnist.

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey wird trotz festgestellter Plagiate der Doktorgrad nicht entzogen. Prompt wird die Empörungsmaschine angeworfen.

Doch gemach! Die Maßstäbe bei der Annahme von Arbeiten als Promotion sind in den Fakultäten unterschiedlich. Was an der einen noch durchgeht, langt an der anderen vielleicht noch nicht einmal als Seminararbeit. Das gilt auch für die Aberkennung. Gern werden die Arbeiten von zwei Bundesministerinnen verglichen, wobei die eine (Schavan) den Titel los ist und die andere mit einer milden „Rüge“ davonkommt (Giffey). Da waren die Sitten in der rheinischen Provinz eben strenger als bei einer Exzellenzuniversität in der Metropole.

Auffällig ist, wie viele Politiker noch den Grad eines Doktor erwerben, wenn sie bereits Schritte auf der politischen Leiter gemacht haben. Was hat die Familienministerin getrieben, ihre berufliche Tätigkeit zum Gegenstand einer Dissertation zu machen? Und was hat die Doktormutter veranlasst, ein solches Thema als Promotion anzuerkennen?

Bei den Aspiranten auf einen Doktortitel ist es Ehrgeiz, vielleicht auch Eitelkeit, es anderen gleichzutun. Am wenigsten ist es wohl wissenschaftliche Berufung; dazu sind die Themen in der Regel zu wenig geeignet, das Fach zu befruchten.

Problematisch ist doch, dass der Titel oftmals ein Prestigeobjekt bleibt und für viele Karriereziele inhaltlich nicht bedeutend ist. Solange es die neuen Arbeitgeber aber so fordern, wird das Streben nach dem Titel keinen Abbruch finden.

schreibt NutzerIn Stannium0815

Was bringt Doktoreltern dazu bestimmte Themen zu akzeptieren?

Was aber veranlasst Doktorväter oder -mütter, Themen auszugeben, die entweder zu anspruchsvoll sind und an denen sich die Doktorandin Annette Schavan zu einem von dem Doktorvater nicht erkannten, von Plagiatsjägern aber aufgedeckten und von der Fakultät gemaßregelten Verhalten verleiten ließ? Der Ehrgeiz eines ehemaligen PH-Professors, inzwischen zur Universität versetzt, es den Kollegen „zu zeigen“?

Und was bringt die Doktormutter einer Franziska Giffey dazu, eine Beschreibung der Alltagstätigkeit der Doktorandin als Dissertation zu akzeptieren? Und die Voraussetzungen der Bewerberin? Sie hat eine achtbare Ausbildung an einer auf die Arbeit in der Verwaltungspraxis ausgerichteten Fachhochschule absolviert. Dort ist das Ziel nicht die Vorbereitung auf eine Doktorarbeit.

George Turner, Kolumnist des Tagesspiegels und Berliner Wissenschaftssenator a.D.
George Turner, Kolumnist des Tagesspiegels und Berliner Wissenschaftssenator a.D.
© Mike Wolff

Bei der Betreuerin sind es wohl die falschen Anreize, die von der Hochschulpolitik gesetzt werden. Mit der Abschaffung der Ordinarienuniversität waren alle, die sich Professor nennen dürfen, berechtigt, Dissertationen auszugeben. Bei der Zuweisung von Finanzmitteln wird auf quantitative Momente abgestellt. Wer schleust die meisten Diplomanden durch? Wer hat die größte Zahl an Doktoranden? Der wissenschaftliche Gewinn wird nicht gemessen.

Zwei Interessen treffen aufeinander

So treffen zwei Interessen aufeinander: am Erwerb des Doktortitels interessierte doktorgierige Aspiranten und um den Nachweis zahlenmäßig nachweisbarer Ergebnisse bereitwillige Professoren. Die unheilige Allianz beschert unsauber arbeitenden Doktoranden Ungemach und der Fachwelt Wissenschaftsmüll. Nur die „Betreuer“ der Arbeiten bleiben ungeschoren und machen ungeniert weiter. Der Müllberg wird größer.

Wer mit dem Autor diskutieren möchte, kann ihm eine E-mail senden: george.turner@t-online.de

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