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Schrille Töne. Widerstand gegen Fracking in Niedersachsen.
© dpa

Glyphosat und Fracking: Angstmacherei statt sachlicher Argumente

Die Zulassung von Glyphosat wird verlängert - es ist nur eine Gnadenfrist. Beim Fracking haben sich die schrillen Töne der Kampagnenführer bereits gegen die Wissenschaft durchgesetzt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ralf Nestler

Es ist eine späte Entscheidung: An diesem Donnerstag läuft die Zulassung für das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat in der EU aus. Nachdem die Mitgliedsstaaten sich nicht einigen konnten, ob das Herbizid weiter verkauft und verwendet werden darf, sollte am Montag die EU-Kommission darüber entscheiden. Doch nach dem Brexit-Entschluss der Briten hatte das oberste EU-Gremium andere Sorgen. Am Dienstag kündigte nun Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis an, es werde eine Zulassungsverlängerung um 18 Monate geben. Es ist eine Gnadenfrist, mehr nicht.

Die Debatte um das Herbizid hat längst eine Stufe erreicht, auf der die schrillen Töne der Kampagnenführer dominieren und Sachargumente weitgehend ignoriert werden. Das kennt man von anderen verpönten Themen wie Grüne Gentechnik oder Fracking. Studie um Studie wird angefertigt, doch die Einschätzungen der Experten werden nur dann als Argumente aufgegriffen, wenn sie ins Bild passen. Widersprechen sie der Parteilinie oder dem, was der lautstarke Teil der Öffentlichkeit einfordert, werden sie nicht weiter beachtet.

Frackingverbot für Schiefergestein

Dementsprechend fiel der Koalitionskompromiss zum Fracking aus, der im Schatten der Brexit- Aufregung am vergangenen Freitag vom Bundestag gebilligt wurde. Das Verfahren, bei dem tief liegende Gesteine mittels Wasserdruck, Sand und Chemikalien aufgebrochen werden, um mehr Erdgas und Erdöl zu fördern, wurde seit Jahrzehnten in Deutschland angewandt. Nach einem faktischen Moratorium soll es nun wieder genutzt werden dürfen, aber nur in „konventionellen“ Lagerstätten, wo die Kohlenwasserstoffe in Sandstein liegen, und unter strengeren Auflagen als zuvor. Für „unkonventionelle“ Lagerstätten wurde ein Frackingverbot beschlossen. Dazu gehören Schiefer, Kalkmergel und Kohleflöze, die Gas und Öl führen können und als Hoffnungsträger galten, um den Rückgang der Erdgasproduktion auszugleichen. Ausnahme: In unkonventionellen Lagerstätten sollen vier „Erprobungsmaßnahmen“ möglich sein, damit Forscher klären, welche Folgen die Technologie für die Umwelt hat – vorausgesetzt die jeweilige Landesregierung genehmigt das.

Die US-Umweltbehörde sieht keine systematische Beeinträchtigung des Grundwassers

Kontrolle ist gut, aber es gibt bereits viele Daten zu Risiken und Nicht-Risiken von Fracking. In Deutschland sind bisher keine Schadensfälle bekannt geworden. Anders sieht es in den USA aus, wo es vereinzelt Unfälle gab. Angesichts von tausenden Bohrungen ist das nicht überraschend. Hinweise auf eine systematische und weitreichende Beeinträchtigung des Grundwassers durch das Verfahren gibt es nach Einschätzung der US-Umweltbehörde aber nicht. Nicht zu vergessen: Die Sicherheitsanforderungen sind hierzulande deutlich strenger.

So verwundert es nicht, wenn die Staatlichen Geologischen Dienste der Bundesrepublik sagen, Fracking sei sicher und umweltverträglich, wenn die technischen Standards eingehalten werden. Von den Studien, die – unter anderem im Auftrag des Umweltbundesamts – in den vergangenen Jahren angefertigt wurden, kommt keine zu dem Fazit, es handele sich um eine „Risikotechnologie“, die verboten werden sollte.

Ein völliger Verzicht auf Glyphosat befördert die Erosion

Vor diesem Hintergrund muss der Fracking-Beschluss zumindest als wissenschaftsignorant bezeichnet werden. Nicht anders verhält es sich mit der Forderung, Glyphosat zu verbieten. Bis auf eine Institution, die so ziemlich alles unter Krebsverdacht stellt, was sie näher anschaut, sagen alle anderen Experten: Bei sachgemäßer Anwendung des Herbizids sind keine Erkrankungen zu befürchten. Zweifelsohne setzt ein überbordender Einsatz der Biodiversität zu und gehört reglementiert. Ein völliger Verzicht erfordert jedoch häufigeres Pflügen und Grubbern, was fruchtbaren Boden schneller erodieren lässt.

Diese Fakten waren sicher im Bundesumweltministerium bekannt. Zumindest kündigte Barbara Hendricks (SPD) im April einen Kompromiss an: weitere Glyphosatzulassung, aber unter strengen Anforderungen. Unterdessen hat sie eine andere Meinung. Solange nicht zweifelsfrei geklärt sei, dass die Chemikalie gesundheitlich unbedenklich ist, soll sie nicht weiter zugelassen werden.

Vorsorgeprinzip wird zum Verhinderungsprinzip

Dieses Vorsorgeprinzip, einst eine segensreiche Errungenschaft der Umweltbewegung, wird in der Politik zunehmend als Verhinderungsprinzip angewandt: Was ich – aus welchen Gründen auch immer – ablehne, stelle ich unter Risikoverdacht. Je mehr mitmachen, umso schneller kommt das Verbot.

Es fällt allerdings auf, dass noch keiner gegen Mobilfunk vorgeht. Auch da ist eine Krebsgefahr nicht völlig ausgeschlossen.

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