zum Hauptinhalt
Vor dem Hauptgebäude der TU Berlin steht ein Testzelt, über der Eingangstür hängt ein Banner mit der Aufforderung "Jetzt impfen lassen!".
© Burchard/Tsp

Vor dem Start ins Wintersemester: An Berlins Hochschulen droht weiterhin eingeschränkte Präsenz

Wiedersehen für alle auf dem Campus? Zum Semesterstart zeichnen sich unterschiedliche Szenarien ab. An der HTW wollte ein Fach "100 Prozent digital" starten.

„Ein Wintersemester in Präsenz“ – das ist das große Versprechen nicht nur der Berliner Hochschulen nach drei digitalen Corona-Semestern in Folge. Es startet an den Fachhochschulen am 4. und an den Unis am 18. Oktober.

Doch wie es ablaufen soll, wird zumindest an den Universitäten noch diskutiert, die Fachhochschulen sind wegen ihres früheren Semesterstarts etwas weiter. Klar ist, dass die 3G-Regel gelten soll, also nur Geimpfte, Genesene und Getestete Zutritt zu den Hochschulgebäuden beziehungsweise zu Hörsälen und Seminarräumen haben.

Doch schon an der Frage, wie 3G überprüft werden soll, scheiden sich die Geister. „Wir haben an unseren beiden Standorten 61 Eingangstüren, die können wir nicht kontrollieren – deshalb setzen wir auf Stichproben in den Lehrveranstaltungen“, sagt Susanne Meyer, Erste Vizepräsidentin an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR).

Kontrollen lieber durch den Wachschutz

Mitarbeitende eines Wachschutzunternehmens bitten dann in einzelnen Seminaren oder Vorlesungen um die 3G-Nachweise – Impfpass- oder Zertifikat, ärztliche Bescheinigung über eine durchgemachte Corona-Infektion oder einen negativen Schnelltest. „Das gilt für alle im Raum, weil es nicht zu Verdachtsstichproben kommen soll“, sagt Meyer.

Wahlweise dürften auch die Lehrenden die Nachweise überprüfen, die Vizepräsidentin setzt aber auf Freiwilligkeit: „Manche würden dies lieber dem Wachschutz überlassen, um ihre Beziehung zu den Studierenden nicht zu belasten.“

An der Technischen Universität ist dagegen vorgesehen, „dass der Dozent in Veranstaltungen mit bis zu 40 Teilnehmenden eine Einlasskontrolle macht“, wie Hans-Ulrich Heiß, Vizepräsident für Lehre, sagt. Für größere Veranstaltungen werde ein Wachschutz beauftragt.

Die Idee, geimpfte und genesene Studierende mit einem Bändchen am Handgelenk auszustatten, um die Kontrolle zu erleichtern, sei vom Tisch. Die Ungeimpften hätten sich stigmatisiert fühlen können.

[Lesen Sie dazu unseren Bericht auf Tagesspiegel Plus (€): Mit Kontrollbändchen zurück auf den Campus]

Heiß geht davon aus, dass an der TU gut zehn Prozent der Studierenden täglich einen negativen Test vorweisen müssen. Auf diese Quote verweist wie berichtet eine Umfrage von Ende August bis Anfang September, nach der an zehn Berliner Hochschulen zum Start des Wintersemesters deutlich über 80 Prozent vollständig geimpft sein werden. An der TU sind es sogar 86,3 Prozent der rund 10.600 an der Umfrage Teilnehmenden.

Zweifel an Aussagekraft der Impf-Umfrage

Die HWR hat an der Umfrage nicht teilgenommen, weil die Hochschulleitung wegen der Freiwilligkeit nicht mit aussagekräftigen Ergebnissen für die Semesterplanung rechnete. Vizepräsidentin Meyer vermutet, dass eher geimpfte als ungeimpfte Studierende teilgenommen haben, was das Ergebnis von im Mittel 13,5 Prozent Ungeimpften nicht repräsentativ sein lasse. Erkenntnisse über den Impfstatus ihrer Studierenden erhofft sich Meyer jetzt von den Stichproben. Wachschutz und Lehrende würden eine Statistik der Überprüfungsergebnisse führen.

Studierende stehen im Foyer des Hauptgebäudes der HWR Berlin, andere durchqueren es
Zurück an die Hochschule - hier ein Archivbild aus dem Foyer der HWR Berlin.
© HWR Berlin

Die Ungeimpften sollen als Studierende gleichberechtigt bleiben und nicht etwa mit einer 2G-Regelung ausgeschlossen werden, aber ihre Schnelltests werden sie wohl privat bezahlen müssen. Zu hören ist, dass die Senatskanzlei Wissenschaft bislang nicht gewillt ist, für die Gebühren, die Testzentren ab dem 11. Oktober erheben, generell aufzukommen.

Vielmehr solle der Druck aufrechterhalten werden, sich impfen zu lassen, statt mindestens an jedem zweiten Unitag voraussichtlich 25 Euro pro 48 Stunden gültigem Test zu zahlen. Zwischen Hochschulen und Senat sei jedoch eine Ausnahmeregelung für internationale Studierende im Gespräch, die mit einem in der EU nicht zugelassenen Vakzin wie Sinovac oder Sputnik geimpft sind. Für sie sollen so lange die Testkosten übernommen werden, bis sie nachgeimpft seien, erklärt Heiß.

Medizinische oder FFP2-Maske im Seminar

Wie die 3G-Regelung kontrolliert wird, entscheidet jede Hochschule selbst. Fest steht aber nach der Berliner Infektionsschutzverordnung, in welcher Situation welche Masken getragen werden müssen: Offiziell gilt, dass in Räumen, in denen ein Abstand von 1,5 Metern eingehalten werden kann, die medizinische Maske ausreicht.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können]

Wird es wegen größeren Andrangs enger, müssen FFP2-Masken getragen werden. So will es die HWR auch umsetzen. „Die Studierenden müssen für alle Fälle leider immer zwei Maskenarten dabei haben, es sei denn, sie tragen durchgehend FFP2“, sagt Susanne Meyer. So müsse bei zuvor angekündigten Präsenzveranstaltungen niemand weggeschickt werden.

Die TU will das Schema Abstand plus OP-Masken-Pflicht durchziehen, was allerdings dazu führe, „dass sich die Kapazität der Räume auf einen Bruchteil reduziert“, sagt Hans-Ulrich Heiß. In den Audimax passten statt über 1000 nur noch 144 Studierende. Geplant sei deshalb, größere Lehrveranstaltungen weiterhin digital und mit aufgezeichneten Vorlesungen anzubieten.

„Dafür versuchen wir, alle kleineren Veranstaltungen, etwa die Tutorien, in Präsenz stattfinden zu lassen“, sagt Heiß. Das gelte auch für Vorlesungen mit Seminarcharakter für 30 bis 40 Studierende in den Geisteswissenschaften. Werde die vorher von den Lehrenden angemeldete Vorlesungsgröße überschritten, müssten sie „parallel streamen“ oder eine zweite Präsenz-Kohorte bilden.

HWR: In Regelstudiengängen 40 bis 60 Prozent Präsenz

Etliche Szenarien also, in denen das versprochene Präsenzsemester doch größere digitale Anteile enthalten kann – und zweifellos wird. An der HWR Berlin gibt es sogar eine sehr niedrig angesetzte Zielgröße der Präsenzangebote von „mindestens 30 Prozent“.

Bei der Semesterplanung habe man sich an die bis Ende August vom Senat vorgegebene Abstands- und Maskenregel sowie Empfehlungen der Hochschulrektorenkonferenz gehalten, erläutert Vizepräsidentin Meyer. De facto aber werde in den dualen Studiengängen und in den Polizeistudiengängen zu 100 Prozent in Präsenz unterrichtet – und ansonsten in der Regel zu 40 bis 60 Prozent.

Ein Student sitzt mit FFP2-Maske in einem Bibliotheksraum der Freien Universität Berlin am Laptop.
Bitte mit Maske, das gilt auch in Hörsälen und Seminarräumen. FFP2-Masken sollen für mehr Präsenz sorgen.
© FU Berlin

Die Unis verfahren dabei unterschiedlich. Während die TU auf den Abstand pocht und wohl einen höheren Digitalisierungs-Anteil in Kauf nimmt, will die Humboldt-Uni mit durchgängig zu tragenden FFP2-Masken offenbar mehr Präsenz ermöglichen. So könne man auf die Abstandsregel und damit auf begrenzte Personenzahlen in Uniräumen verzichten, erklärte HU-Präsidentin Sabine Kunst jetzt im Akademischen Senat (AS).

Wie die 3G-Regel durchgesetzt wird, diskutiert die HU noch. Lehrende werde freigestellt, ob sie selber kontrollieren wollen oder nicht. Zusätzlich könnte Sicherheitspersonal herangezogen werden. Im AS wurden aber Bedenken laut, zu viel uniformiertes Personal könne zu Konflikten mit Studierenden führen.

BWL an der HTW - nach Plan zunächst "100 Prozent digital"

Die Freie Universität hat sich für Stichproben entschieden – durch Sicherheits- oder Hochschulpersonal. In den Räumen setzt man auf FFP2-Masken, wo Abstände nicht eingehalten werden können. „Durch die nun mögliche Unterschreitung des Mindestabstands in Präsenzlehrveranstaltungen können im Wintersemester fast alle Räumlichkeiten wieder genutzt werden“, erklärt ein Sprecher. Ausgenommen seien nur „vereinzelte Lehrräume, die über keine ausreichenden Lüftungsmöglichkeiten verfügen“. Die Vision bleibe ein Semester „mit möglichst viel Präsenz auf dem Campus“.

100 Prozent Präsenz werden aber nirgendwo garantiert. Eine BWL-Studentin der Hochschule für Technik und Wirtschaft beklagt auf Twitter sogar das Gegenteil: „Meine Kurse nächstes Semester werden laut Belegungsverzeichnis zu 100 Prozent online durchgeführt.“

Auf Nachfrage erklärt die Hochschule, dass an der HTW über die Hälfte aller Sitzungen in Präsenz stattfinden sollen. Digital müssten sie in Ausnahmefällen ablaufen, wenn Lehrende einer Risikogruppe angehörten, bei großer Teilnehmerzahl oder wenn Raumkapazitäten fehlen. Grundsätzlich sollten durch den Einsatz von FFP2-Masken möglichst viele Kurse in Präsenz stattfinden.

Rückfrage bei Stefanie Döring, der twitternden BWL-Studentin, die sich auch im Asta der HTW engagiert: Ist sie also ein krasser Ausnahmefall? Nein, sagt Döring, der ganze Fachbereich Wirtschaft sei betroffen, man habe geglaubt, „einfach digital weitermachen zu können“. Das sei angesichts der Präsenz-Versprechen von Politik und Hochschulen ein Unding. „So werden Studierende verunsichert.“

Dörings Protest zeigt unterdessen Wirkung: Die Hochschulleitung habe dem Asta versichert, dass der Präsenzanteil im Fachbereich noch steigen solle.

Zur Startseite