Geschichte der Haustiere: Als Amerika auf den Hund kam
Die ersten Hunde der Neuen Welt kamen vor den Schlitten gespannt aus Sibirien. Später verdrängten europäische Rassen die Tiere.
Hunde waren wohl auch die besten Freunde der Ureinwohner Amerikas. Eine Legende der Cheyenne, die westlich der Großen Seen Nordamerikas lebten, erzählt von Hunden, die in der Nacht das Lager bewachten und tagsüber die Habseligkeiten der Menschen transportierten. Auch die Herkunft der Tiere beschreibt die Erzählung: Mitglieder des Stammes hätten Welpen von Wölfen aufgezogen und die Tiere so gezähmt.
Hundeshauptstadt Bonn
Der Mythos ist offenbar wahr, aber nur zum Teil: Archäologische Funde und Felszeichnungen legen nahe, dass Hunde im Leben amerikanischer Ureinwohner eine wichtige Rolle spielten. Wolfswelpen zu zähmen gelang dort aber wohl nicht. "Das schließen unsere Erbgut-Analysen aus", sagt Angela Perri von der Durham University in England. Demnach waren die Ahnen der Hunde der amerikanischen Ureinwohner Schlittenhunde aus dem Nordosten Sibiriens, berichten die Forscher im Fachblatt Science.
Wann genau der Mensch den Wolf zähmte und zum Haushund weiterzüchtete, ist unklar. Den ältesten sicheren Hinweis auf einen echten Haushund fanden Arbeiter 1914 in einem Steinbruch im heutigen Bonner Stadtteil Oberkassel: In einem Doppelgrab waren vor mehr als 14 000 Jahren eine Frau und ein Mann gemeinsam mit einem Hund bestattet worden. "Natürlich können Hunde schon viel früher domestiziert worden sein, nur haben wir bisher keine sicheren Hinweise dafür gefunden", sagt Angela Perri, die bis vor Kurzem am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig arbeitete.
Schlittenfahren vor 9000 Jahren
Auch der Ursprung von Hunden auf anderen Kontinenten ist ungewiss: Sichere Hinweise datieren Archäologen für Afrika, Australien und Südamerika auf einen Zeitraum von vor 4000 bis 6000 Jahren – nur Nordamerika macht eine Ausnahme. Im US-Bundesstaat Illinois konnten Forscher südlich der Großen Seen die Überreste eines Hundes mit der Radiokohlenstoff-Methode auf ein Alter von 9900 Jahren bestimmen. Perris Forschungsteam ging nun der Frage nach, ob es sich dabei um einen Nachkommen der ersten Hunde handelt, von der die Legende der Cheyenne berichtet.
Dazu untersuchten die Forscher Erbgut aus Überresten von 71 Hunden, die vor der Ankunft der Europäer in Nordamerika lebten. Es zeigte sich, dass sie nicht von Wölfen des Kontinents abstammen. Sie sind vielmehr eng verwandt mit erst kürzlich von russischen Forschern identifizierten Hunden, die vor rund 9000 Jahren auf dem Gebiet der heutigen Schochow-Insel lebten. Diese gehörte damals zum Festland. In Größe und Statur ähneln die Tiere stark denen, die Menschen auch heute noch Lasten auf Schlitten durch arktische Gefilde ziehen lassen. Im sibirischen Dauerfrostboden sind sogar noch Schlittenkufen aus dieser Zeit erhalten. Offenbar gelangten die Nachfahren dieser Hunde also mit den Menschen nach Nordamerika, die über die Beringstraße zwischen Sibirien und Alaska den Kontinent besiedelten.
Hunde, die keine Spuren hinterließen
Heute gibt es diese Hunderassen nicht mehr. "Im Erbgut der heute in Amerika lebenden Hunde finden wir so gut wie keine Spuren dieser Ur-Hunde mehr", erklärt Perri. Das liegt wohl an den Hunden, die die Europäer seit dem Ende des 15. Jahrhunderts nach Amerika brachten und die die amerikanischen Ur-Hunde verdrängten. Warum sie nicht überlebten, ist unklar. Infektionskrankheiten, die von den Hunden der europäischen Eroberer nach Amerika gebracht wurden, könnten eine Rolle gespielt haben. Auch gibt es Hinweise darauf, dass bei hungernden Kolonisten immer wieder die Ur-Hunde des Kontinents auf den Teller kamen. "Es waren wohl eine Reihe von Gründen, denen die Hunde der Indianer zum Opfer fielen", vermutet Angela Perri.