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Bedroht. Vor der Akademie in Budapest steht die Statue des Sprachwissenschaftlers Gábor Szarvas. Foto: Getty Images/iStockphoto
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Update

Wissenschaftsfreiheit in Ungarn: Akademie-Institute kommen unter Regierungskontrolle

Die Akademie der Wissenschaften soll nach Orbáns Plänen umgebaut werden. Kritiker sehen darin verstärkte Kontrolle der Forschung durch die Politik.

Die seit August geplante Zerschlagung der ungarischen Akademie der Wissenschaften rückt näher. Am Dienstag reichte Minister László Palkovics einen Gesetzesentwurf im ungarischen Parlament ein: Die 15 Forschungsinstitute der Akademie sollen ausgelagert werden.

Da zwei Drittel der Parlamentarier die Regierung Viktor Orbáns unterstützen, ist es hoch wahrscheinlich, dass der Gesetzesvorschlag mit der nötigen einfachen Mehrheit angenommen wird.

Kritiker fürchten um politische Kontrolle der Forschung

Durch den Umbau werden die Institute finanziell und politisch abhängiger von der Regierung. Sie sollen ihre Arbeit ab 1. September im neuen Eötvös Lóránd Forschungsnetzwerk fortführen. Diesem soll nach Plänen des Ministeriums ein 13-köpfiges Gremium vorstehen, in das je sechs Personen von der Akademie und sechs von dem Ministerium delegiert werden. Die Leitung des Gremiums wird von der Regierung und von Palkovics gemeinsam bestimmt.

Außerdem soll ein neuer Nationaler Wissenschaftspolitischer Rat etabliert werden, dem ebenfalls Palkovics vorsitzen soll. Dieser soll der Regierung bei Themen der Forschung, Entwicklung und Innovation beratend zur Seite stehen. Kritiker sehen darin die verstärkte Kontrolle der Forschung durch die Politik.

Minister Palkovics sieht Max Planck und Leibniz als Beispiele

Die Akademie hält daran fest, dass das Institutsnetzwerk unter ihrem Dach verbleiben soll. Eine Untersuchung unabhängiger internationaler Experten bestätigte im April ebenfalls, dass die Arbeit der Institute am besten innerhalb der Akademie funktioniert. Das Thema bewegt die ungarische Gesellschaft auch außerhalb des akademischen Elfenbeinturms. Am Sonntag gab es deshalb wieder Demonstrationen in Budapest.

Proteste gegen die Wissenschaftspolitik vor der Akademie der Wissenschaften in Ungarn. Die Demonstranten halten Bücher hoch.
Im Zeichen der Bücher. Proteste gegen die Wissenschaftspolitik vor der Akademie der Wissenschaften in Ungarn.
© Attila Kisbenedek/AFP

Das Innovationsministerium möchte jedoch mit dem Umbau „Ungarn wettbewerbsfähiger machen“. Minister Palkovics wies in einem früheren Gespräch mit dem Tagesspiegel darauf hin, dass die Akademie nach dem Beispiel der deutschen Leibniz-Gemeinschaft und Max-Planck-Gesellschaft umgebaut werden soll. Beide Institutionen schrieben im Februar einen offenen Brief, in dem sie die Proteste gegen Minister Palkovics’ Pläne unterstützten. Peter Haslinger, Direktor des Herder-Instituts für historische Ostmitteleuropaforschung der Leibniz-Gemeinschaft in Marburg, hat diesen Brief mit initiiert.

"Mit den Leitbild einer unabhängigen Wissenschaft unvereinbar"

"Die Pläne zur umfassenden Neuorganisation der Ungarischen Akademie der Wissenschaften sind aus meiner Sicht mit dem Leitbild einer Wissenschaft unvereinbar, die unabhängig von politischen Eingriffen den eigenem Erkenntnisinteressen folgt", schreibt Haslinger auf Anfrage dem Tagesspiegel. Der Institutsleiter hält es für eine "äußerst bedenkliche Entwicklung", dass die Forschungsinstitute aus der ungarischen Akademie herausgelöst und dem neuen Gremium unterstellt werden sollen. Durch die Zusammensetzung des Gremiums könne dort nämlich ein direkter politischer Einfluss ausgeübt werden, "wenn es um Strukturen, Themen und Ressourcen" gehe.

Mit den Leitprinzipien großer deutscher Wissenschaftsorganisationen, wie der Leibniz-Gemeinschaft, könnten diese neuen Strukturen nicht in Übereinstimmung gebracht werden, vermutet Haslinger. Er findet, schon mit der derzeitigen Arbeitsweise der Ungarischen Akademie sei vieles, das das Leibniz-Modell biete, "sehr gut vereinbar".

Die Akademie habe selber schon vor Jahren eine Umstrukturierung in Gang gesetzt, die laut Haslinger "zu vielversprechenden Zwischenergebnissen" geführt habe und auch international anerkannt wurde. Die Verhandlungen zwischen der Akademie und dem ITM hätten daran ansetzen können.

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