Streit um die Gen-Schere Crispr: 130 Forscher fordern Änderung des Gentechnikgesetzes
Offener Brief: Nach dem EuGH-Urteil zur Gen-Schere Crispr warnen Biowissenschaftler vor Folgen für die Forschung - und für die Landwirtschaft.
Auch Pflanzen, die mit modernen gentechnischen Verfahren wie der Gen-Schere „CRISPR/Cas9“ verändert werden, sind nach der alten EU-Richtlinie 2001/18/EC als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) zu prüfen und zu regulieren. Diese im Juli gefällte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs EuGH kritisieren nun 130 Wissenschaftler in einem offenen Brief an die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Anja Karliczek, und ihre Kollegin Julia Klöckner im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft.
Unter der Überschrift „Die Politik ist am Zug“ fordern die Forscher in den bestehenden Gesetzen „zumindest die GVO-Definitionen an den wissenschaftlichen Fortschritt anzupassen“. Nichts zu tun, sei keine Alternative. „Die Anwendung des Genome Editing braucht klare Richtlinien, aber – und das ist essentiell – auf einer deutlich differenzierteren Ebene, als sie pauschal unter die strengen Regularien des Gentechnikgesetzes zu verbannen.“
Naturwissenschaftliche Bewertungen nicht einbezogen
Die Wissenschaftler – darunter Bernd Müller-Röber, Präsident des Verbands Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland, und der Vorsitzende des Wissenschaftlerkreises Grüne Gentechnik, Klaus Dieter Jany – argumentieren, dass sowohl der „Scientific Advice Mechanism“ der Europäischen Kommission als auch die „European Food Safety Authority“ durch Genome Editing entstandene Pflanzen denen gleichstellt, die durch konventionelle Züchtungstechniken erzielt werden können. Es entbehre nicht einer gewissen Ironie, dass beide Institutionen von der Europäischen Kommission eingesetzt seien, deren Schlussfolgerungen vom Europäischen Gerichtshof aber diametral widersprochen werde. Das juristische Urteil habe die naturwissenschaftlichen Bewertungen nicht einbezogen.
Nun sei die Politik am Zug, diesen Widerspruch aufzuheben, auch wenn eine Gesetzesanpassung „schwierig und politisch langwierig“ sei. Die „vielbeschworene Einbeziehung der Bürger“ müsse dabei stattfinden, allerdings „kein zermürbender öffentlicher Schlagabtausch mit Hörschutz gegen die Argumente der anderen Seite“. Ziel müsse es vielmehr sein, „mögliche Vor- und Nachteile für Umwelt und Gesellschaft zu diskutieren“, um den „Einsatz der Techniken effizient, zukunftsorientiert und zum Wohle aller“ zu gestalten.
Ohne Revision keine Chance für das Genome Editing
Nachvollziehbare wissenschaftliche Fakten seien dabei die beste Basis für gesellschaftliche Entscheidungen, so die Verfasser des Briefes. Bleibe das EuGH-Urteil das letzte Wort und die EU-Gesetze auch weiterhin so, wie sie sind, hätten die Anwendungen des Genome Editing in der Europäischen Union kaum eine Chance. Die Folgen wären dauerhafte Nachteile für Forschung und Entwicklung, etwa im Hinblick auf klimaresistente, nährstoffreichere und ertragreichere Nutzpflanzen, sowie Abwanderung von Experten, die in Europa keine Entwicklungsmöglichkeiten mehr sehen.