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Vor allem im Verkehrsbereich soll CO2 einen Preis bekommen.
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Viel heiße Luft: Worüber das Klimakabinett diskutiert

Wie kann man CO2 einen Preis geben? Experten haben den Fachministern dazu mehrere Gutachten vorgelegt. Ein Überblick, was beim Klimakabinett auf dem Tisch liegt

Es wird eine Nachtsitzung für den Klimaschutz. Für diesen Donnerstagabend hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die Fachminister zum Klimakabinett geladen. Beginn: 19 Uhr, Ende: offen.

Merkel will unter anderem mit Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD), Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) diskutieren, wie der CO2-Ausstoß im Verkehrs- und Wärmebereich teurer werden kann. Denn: Die aktuellen Energiesteuern wirken gegen den Klimaschutz. Strom ist mit 30-mal so hohen Abgaben und Umlagen belastet wie Benzin oder Diesel. Das muss angepasst werden. Sonst wird es mit den Klimazielen für 2030 nichts. Deutschland hat sich verpflichtet, bis dahin seine Treibhausgasemissionen um 55 Prozent gegenüber 1990 zu senken.

In den vergangenen Wochen gab es eine Flut an Gutachten zur CO2-Bepreisung, nicht nur aus der Politik, sondern auch aus Verbänden. Im Klimakabinett werden vor allem drei Papiere diskutiert, die jeweils Merkel, Schulze und Altmaier mitbringen.

Das Bundeskanzleramt

Kanzlerin Merkel hat einige der wichtigsten Wirtschaftswissenschaftler des Landes, den Sachverständigenrat, mit der Prüfung eines CO2-Preis-Konzepts beauftragt. Die Wirtschaftsweisen rund um den Essener Ökonomen Christoph M. Schmidt sprechen sich klar dafür aus, dass es einen übergeordneten Emissionshandel für alle Sektoren, also Industrie, Strom, Verkehr und Wärme, geben sollte, und zwar am besten im europäischen Verbund. Allerdings könnte es eine Weile dauern, alle Mitgliedsstaaten zum Mitmachen zu bewegen. Vor 2030 stehen die Chancen für so einen großen Emissionshandel laut Ökonomen eher niedrig.

Nun geht es im Klimakabinett vor allem um die Frage, wie die Klimaziele bis 2030 erreicht werden können. Ausgerechnet dafür geben die Ökonomen aber keine konkrete Empfehlen ab: Kurzfristig könnte man ihrer Meinung nach sowohl eine CO2- Steuer als Abgabe auf Öl, Benzin und Diesel einführen, als auch einen separaten Emissionshandel für den Verkehrs- und Wärmebereich aufzusetzen. Kanzlerin Merkel gilt intern bereits als Anhängerin der zweiten Lösung.

Und auch die fünf Wirtschaftsweisen halten den Emissionshandel eigentlich für die bessere Idee – auch wenn sie im Gutachten neutral blieben. Durch die staatlich festgelegte Obergrenze an CO2-Zertifikaten ist die Emissionsmenge begrenzt. Unternehmen können die Zertifikate untereinander handeln. Je weniger Zertifikate, desto teurer wird es. Die Ökonomen sagen außerdem: Es gibt ja bereits den Emissionshandel für Industrieanlagen und Kraftwerke. Nehmen wir also das Instrument, das existiert. Eine CO2-Steuer wäre für Deutschland hingegen Neuland. Besonders heikel aus Sicht der Ökonomen: Der Staat müsste festlegen, was die Tonne CO2 kosten soll. Das aber sei wie Topfschlagen, sagt der Wirtschaftsweise Schmidt, man tappe im Dunkeln und habe Glück, wenn man trifft.

Ein weiteres Anliegen der Wirtschaftsweisen ist die Reform des deutschen Steuer- und Abgabensystems. Auf gut einem Dutzend Seiten beschreiben die Ökonomen im Gutachten den „Flickenteppich“ aus klimapolitischen Maßnahmen, die teilweise ihre Wirkung verfehlen. Ein Beispiel: Die Höhe der Kraftfahrzeugsteuer bemisst sich zwar auch nach dem CO2-Ausstoß, dieser wird jedoch in einem standardisierten Verfahren ermittelt. Der tatsächliche CO2-Ausstoß fließt nicht ein und bietet daher auch keinen Anreiz, das Auto weniger zu nutzen.

Das Bundesumweltministerium

„Wer sich klimafreundlich verhält, wird belohnt“, lautet die Botschaft von Umweltministerin Schulze. Erreichen will sie das über eine CO2-Steuer, also eine zusätzliche Abgabe auf Benzin, Diesel und Heizöl. Gleich drei Gutachten hat Schulze in Auftrag gegeben, unter anderem beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Der Fokus der Wissenschaftler liegt darauf, die soziale Auswirkung einer CO2-Steuer zu untersuchen. Sie schlagen einen Einstiegspreis von 35 Euro pro Tonne CO2 vor. Der Preis soll sukzessive angehoben werden. 2023 liegt er bei 80 Euro pro Tonne, 2030 bei 180 Euro pro Tonne. Durch den Einstiegspreis wird Diesel um 11 Cent pro Liter teurer, Benzin um 10; der Preis je Liter Heizöl erhöht sich durch die Abgabe um 11 Cent.

Zur Entlastung gibt es eine „Klimaprämie“ für jeden Bürger in Höhe von 80 Euro pro Jahr. Die CO2-Steuer wäre damit „belastungsneutral“ für private Haushalte. Das bedeutet: Belastungen durch die Steuer und Entlastung durch die Klimaprämie würden sich im Durchschnitt die Waage halten. Damit will Schulze die Akzeptanz der Bürger für ein solches Instrument gewinnen, um etwaigen Protesten vorzubeugen. Gerade der Koalitonspartner hat immer wieder auf die „Gelbwesten-Proteste“ in Frankreich verwiesen als Argument gegen die CO2-Steuer. Ein weiteres Argument aus Sicht der Union mit Blick auf den Koalitionsvertrag: keine Steuererhöhungen.

Schulze betont immer wieder, dass der CO2-Preis nur ein Baustein für mehr Klimaschutz sein könne. Im Wirtschaftsministerium scheint man mittlerweile anderer Meinung zu sein.

Das Bundeswirtschatfsministerium

Wirtschaftsminister Altmaier ließ den fünf Wirtschaftsweisen höflich den Vortritt, aber das Gutachten, das seine eigenen Berater wenige Tage später vorlegten, hatte es in sich. Wie zuvor die vom Kanzleramt beauftragten Sachverständigen sprach sich der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium zwar für eine zunächst nationale CO2-Bepreisung aus, ohne sich auf die Variante CO2-Steuer oder Emissionshandel festzulegen. Aber die Ökonomen sind fest entschlossen, ansonsten Tabula rasa zu machen: Alle Steuern, Abgaben und Förderungen, die der Wirkung eines künftigen CO2-Preises in die Quere kommen könnten, sollen weg. Es gäbe somit keine Kaufprämie für E-Autos mehr und keine Förderung für Erneuerbare. Sogar einen staatlich gesteuerten Kohleausstieg bräuchte man nicht, denn der CO2-Preis würde die Kohlekraftwerke ohnehin aus dem Markt drängen. Altmaier hat sich noch nicht eindeutig zum Votum seiner Berater geäußert. Aber käme die Bundesregierung deren Vorschlägen nach, stünde ein radikaler Neustart der Klimapolitik an. Nicht mehr der Staat, sondern der Markt gäbe die Richtung vor.

So geht es weiter

Einen Beschluss über CO2-Steuer oder Emissionshandel wird das Klimakabinett an diesem Donnerstag wohl noch nicht fällen. Es trifft sich mindestens noch zwei Mal, etwa, um über das Klimaschutzgesetz zu sprechen. Auch hier haben die Minister unterschiedliche Vorstellungen. Ende September soll es dann die finale Entscheidung darüber geben, wie die Bundesregierung die Klimaziele 2030 erreichen will. Und ob es kurzfristig eine CO2-Steuer oder einen Emissionshandel geben wird. Möglicherweise auch keins der Instrumente, falls sich das Klimakabinett am Ende doch nicht einigen kann.

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