VW-Cheflobbyist Steg: „Wir verfolgen die mutigste Strategie zur Elektromobilität weltweit“
Früher war er Regierungssprecher, heute ist Thomas Steg Volkswagen-Cheflobbyist. Im Interview erklärt er, wie VW „Elektromobilität für Millionen“ schaffen will.
Herr Steg, Sie waren gerade im Bundesfinanzministerium, um über die zusätzliche Förderung von Elektroautos zu sprechen. Haben Sie etwas erreicht?
Der Bundesfinanzminister führt seit vielen Monaten intensive Gespräche mit allen Herstellern. Olaf Scholz weiß, dass die Autoindustrie vor einem tiefgreifenden Wandel steht. Er will nach meinem Eindruck Bedingungen festlegen für eine steuerliche Förderung von batterieelektrischen Fahrzeugen und Plug-in-Hybriden, die längerfristig angelegt sind. Das ist ein richtiger Ansatz. Eine über Jahre verlässlich errichtete Förderkulisse schafft Vertrauen. Dann wissen alle, dass es Deutschland ernst meint mit der Elektromobilität.
Wie ernst meint Volkswagen es denn?
Volkswagen hat sich klar entschieden. Wir verfolgen die mutigste und entschlossenste Strategie zur Elektromobilität weltweit. Wir wollen eine neue Welt erschließen, investieren in den nächsten Jahren rund 30 Milliarden Euro. Das Angebot an Elektromodellen vergrößert sich ab Ende 2019 beziehungsweise Anfang 2020 massiv. Mit dem Einstieg in den Massenmarkt müssen sich aber auch die Rahmenbedingungen ändern. Wir haben mit dem Finanzminister zum Beispiel darüber gesprochen, wie ein Gebrauchtwagenmarkt für Elektrofahrzeuge entstehen kann. Wie es mit E-Dienstwagen weitergeht, vor allem aber, denn das ist das Wichtigste, wie die notwendige Ladeinfrastruktur rasch aufgebaut werden kann.
Bei Ihren Wettbewerbern ist der massive Vorstoß nicht so gut angekommen...
Unsere Vorschläge sollten einen Anstoß geben und den Handlungsdruck verdeutlichen. Den hat die Politik selbst mit der CO2- und Klima-Regulierung erzeugt. Ohne Elektromobilität werden wir diese gesetzlichen Vorgaben nicht erfüllen können. Wir brauchen deshalb ein einheitliches Verständnis der drei großen deutschen Hersteller im Hinblick auf ihre Prioritäten. Das Gespräch zusammen mit dem VDA hat für die notwendige Klarheit und Einigkeit gesorgt: Zur Elektromobilität gibt es mindestens bis 2030 keine gleichrangige Alternative. Weder die Brennstoffzelle noch synthetische Kraftstoffe werden bis dahin serienreif sein. Es war wichtig, diesen Konsens herbeizuführen.
Der Verkehrsminister hat das Konzept der Technologieoffenheit prompt vehement verteidigt.
Nach unserer Verständigung mit BMW, Daimler und dem VDA wird vermutlich auch das politische Berlin zu dem Urteil kommen, dass eine einheitliche Position der deutschen Hersteller hilfreich ist. Im Übrigen wird auch der Volkswagen-Konzern im nächsten Jahrzehnt weiter Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren im Programm haben. 2030 werden noch über die Hälfte aller Fahrzeuge einen Verbrennungsmotor haben. Und im Premiumbereich werden Plug-in-Hybride in den kommenden Jahren zumindest in Europa eine wichtige Rolle spielen.
Volkswagen hat sich dem Verdacht ausgesetzt, im eigenen Interesse zu handeln...
Die Elektromobilität ist im Interesse von Umwelt und Gesellschaft. Offensichtlich haben einige Kritiker unsere Vorschläge falsch interpretiert oder missverstanden. Wir haben den Fokus vor allem auf den Aufbau der Infrastruktur und die Förderkulisse gelegt, die für alle Hersteller gelten soll. 2019 und 2020 werden Schlüsseljahre für die Elektromobilität sein, weil die Infrastruktur aufgebaut werden muss.
Aber die Förderung von Kleinwagen, die Sie fordern, würde vor allem VW helfen.
Im ersten Schritt wird sich die Elektromobilität in den großen, relativ teuren Fahrzeugen durchsetzen. Aber nach 2022/23 brauchen wir auch E-Autos für den Einstieg, die weniger als 20.000 Euro kosten – zum Beispiel auch für Pflege- oder Zustelldienste, die kurze Strecken zumeist innerstädtisch fahren. Und dabei besonders auf Anschaffungs- und Betriebskosten der Fahrzeuge schauen müssen. Wir wollen Elektromobilität für Millionen.
Hier erwarten Sie Unterstützung, auch weil sich mit Kleinwagen weniger Geld verdienen lässt?
Wir haben über die Produktion eines solchen E-Modells unabhängig davon entschieden, wie die deutsche Steuerpolitik bei Markteinführung aussieht. Autos mit Verbrennern in diesem Segment können nicht beliebig beim CO2-Ausstoß optimiert werden. Das ist technisch und betriebswirtschaftlich nicht sinnvoll. Man braucht daher in Zukunft auch Kleinstwagen mit Elektroantrieb, aber vielleicht reichen in vielen Fällen auch kleinere Batterien und geringere Reichweiten von etwa 200km. Die Förderung könnte zum Beispiel an eine gewerbliche Nutzung dieser kleinen E-Fahrzeuge geknüpft werden.
Verkehrsminister Scheuer wünscht sich einen „Elektro-Käfer“. Baut VW diesen Kleinwagen zusammen mit e.GO?
Wir planen ein Einstiegsfahrzeug in der ID.-Familie nach 2023/24, das in Emden gebaut werden soll. Da haben wir eigene Pläne – aber es wird noch ein paar Jahre dauern, bis ein solches Auto auf den Markt kommt.
Volkswagen hat mit Northvolt und anderen eine Batterie-Allianz gegründet. Wann entscheiden Sie, ob Volkswagen in die Zellproduktion einsteigt?
Wir stehen nicht unter akutem Zeitdruck. Um verlässlich in der ersten Welle der Elektromobilität planen zu können, haben wir mehrere koreanische und chinesische Zell-Lieferanten, die auch in Europa produzieren. Die Verträge laufen längerfristig. Den Einstieg in eine eigene Zellproduktion prüfen wir weiterhin. Ein deutscher Standort hätte aktuell aber bei den Lohnkosten, noch mehr aber bei den Stromkosten ein erhebliches Problem. Wir bräuchten auf jeden Fall bei den Stromkosten eine Entlastung, etwa durch eine Befreiung von der EEG-Umlage.
Thomas Steg (58) ist seit 2012 Generalbevollmächtigter für Außen- und Regierungsbeziehungen bei Volkswagen. Der Cheflobbyist des Autokonzerns war von 2002 bis 2009 stellvertretender Sprecher der Bundesregierung, sowohl unter Gerhard Schröder (SPD) als auch während der ersten Amtszeit von Angela Merkel (CDU). SPD-Mitglied Steg wurde im Januar 2018 wegen umstrittener Abgastests an Affen von Volkswagen beurlaubt. Nach Abschluss einer internen Sonderprüfung nahm Steg seine Funktion im Juni 2018 wieder auf. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.