zum Hauptinhalt
Aus der Wirtschaft in die Politik? Andreas Eckert würde im Herbst gerne auf dem FDP-Ticket in den Bundestag ziehen.
©  Mike Wolff

Interview mit Unternehmer Andreas Eckert: „Wir brauchen junge Testosteron-Bolzen“

Andreas Eckert, Unternehmer und Wirtschaftsförderer spricht im Interview mit dem Tagesspiegel über seine politischen Ambitionen, die Berliner Gründerszene und die Aristokratisierung der Wissenschaft.

Herr Eckert, was wollen Sie im Bundestag?

Das wäre gewissermaßen eine natürliche Verlängerung meiner bisherigen Tätigkeiten. Ursprünglich, als Journalist und UN-Diplomat, war ich immer interessiert an politischen Fragen. Erst die Gründerei hat mich davon abgelenkt. Als wir 1992 hier in Buch angefangen haben mit den ersten Produkten zur Behandlung von Augenkrebs, mussten wir damit in die Welt, in Deutschland gab es nur sieben Kliniken.

Das ist immer noch keine Erklärung für Ihre politische Ambition.
Warten Sie es ab. Mein Interesse kam zurück, als ich bei der Finanzierung von Gründungen immer wieder auf ein merkwürdiges Paradox stieß: Wir haben in Deutschland sehr viele Wissenschaftler etwa in den Lebenswissenschaften, doch es kommt an Produkten ziemlich wenig auf den Markt. Die Apotheke der Welt ist Deutschland schon lange nicht mehr. Uns fehlen die Firmen, die Wertschöpfung schaffen. Es hilft ja nicht, wenn sie hier etwas Tolles publizieren, aber sie machen keine Erfindung daraus, kein Patent und keinen Verwertungsvertrag.

In Berlin diskutieren wir seit Jahrzehnten über die mangelhafte Verknüpfung von Wissenschaft und Wirtschaft.
Aber das ist kein Berliner, sondern ein deutsches Phänomen. Und ein deutsches Problem, denn die Dinge, an denen hier geforscht wurde, landen häufig in einer US-amerikanischen Wertschöpfungskette. Das müssen wir ändern. Aus diesen Gründen bin ich bei der Einsteinstiftung, der Technologiestiftung und bei Berlin Partner engagiert, die ja alle das gleiche Ziel haben: Aus Wissenschaft Wertschöpfung generieren. Aber da stößt man irgendwann an Grenzen.

Und deshalb wollen Sie auf dem FDP-Ticket in den Bundestag?
Sie brauchen eine Bühne, um das Thema zu bespielen, dazu Partner und im Ergebnis eben eine Verlängerung auf der bundespolitischen Ebene. Ich verspreche mir schlicht größere Gestaltungsspielräume. Und ich weiß inzwischen auch, wie viel von guter Gesetzgebung abhängt. Zum Beispiel Daten: Über viele Jahre haben wir vor allem das Thema Datenschutz diskutiert und dabei die Funktion der Daten als Rohstoff übersehen.

Sie stammen aus einem sozialdemokratischen Elternhaus, wie kommen Sie da auf die FDP?
Mich spricht an der FDP das Ethos der Freiheit an. Gestalten statt Gängeln. Und nicht so missionarisch unterwegs zu sein wie andere.

Bekommen Sie in Berlin einen Listenplatz, der für den Bundestag reicht?
Die FDP scheint mir offen für Neues. Aber das wird demnächst entschieden, nach der Bundeswahlversammlung am 10. März wissen wir mehr.

Können Sie als FDP-Abgeordneter Aufsichtsratschef der Berlin Partner bleiben?
Das wäre vermutlich schwierig. So weit sind wir aber noch lange nicht.

Wie geht es Berlins Wirtschaft derzeit?
Sie hat sich prima entwickelt und wächst schneller als der Bundesdurchschnitt. Ihr Vorteil: Die niedrigen Lebenshaltungskosten ziehen junge Leute und Bildungsnomaden aus aller Welt an, die für die digitale Transformation händeringend gesucht werden. Und wenn man die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) im Zuge des Brexit von London nach Berlin holen könnte, wäre das ein echter Quantensprung.

Bemüht sich die Berliner Politik darum?
Die Wirtschaftspolitik in Berlin konzentriert sich momentan vor allem auf die Umsetzung der Energiewende.

Aber die Gesundheitswirtschaft ist das größte Cluster der Wirtschaftsförderungspolitik in Berlin-Brandenburg.
Es ist ja auch einiges passiert, Pfizer und Sanofi sind gekommen und andere auch, doch es fehlt die industrielle Wertschöpfung. Die EMA könnte helfen. Für Berlin spricht ganz klar die Konzentration der Wissenschaftseinrichtungen. Das ist für die zweite Kernaufgabe der EMA wichtig, für die Weiterentwicklung der technischen Regeln.

Auch ohne EMA wird sich Berlin wegen des Megathemas Digitalisierung und der damit verbundenen Start-up-Szene dynamisch entwickeln.
Ja, vor allem wegen der schon erwähnten Bildungsnomaden. Sie sind die Hefe der Digitalwirtschaft. In den Coworking-Spaces sitzen junge Leute aus der Ukraine oder Portugal und spielen auf Laptops. Irgendwann kommt der Scout von der Bundesbahn vorbei und sucht jemanden, der eine App entwickelt. Inzwischen gibt es in Berlin 60 bis 70 solcher Orte, wo neue Formen von Arbeits- und Beschaffungsmärkten zu beobachten sind.

Für die braucht man keine Wirtschaftsförderungsgesellschaft.
Doch, auch das Digitale muss unterstützt werden. Denken Sie an die zusätzlichen 100 Digitalprofessuren, die Sebastian Turner angeregt und Michael Müller aufgegriffen hat. Die Umsetzung der Initiative fällt nicht vom Himmel. Und was den klassischen Technologietransfer angeht, müssen wir neue Instrumente finden. Insofern ist der Ansatz mit dem Berliner Institut für Gesundheitsforschung inklusive Charité und Max-Delbrück-Zentrum durchaus bahnbrechend: Die öffentliche Hand gibt 300 Millionen sowie ein direktes Mandat und Frau Quandt packt private Gelder drauf.

Klappt aber offenbar nicht so gut, was die Produktentwicklung und Firmengründung betrifft.
Man darf das Geld nicht nur Akademikern geben, sondern muss das System öffnen. In der Charité und im Max-Delbrück-Zentrum gibt es rund 300 Professuren und Arbeitsgruppenleiter, die den Kurs bestimmen, die Anträge für die richtig großen Beträge stellen dürfen. Diese 300 Personen sind selten jünger als 40 Jahre, meist auf Fußnotenforschung sozialisiert und beruflich satt. Zum Gründen, für verrückte Wertschöpfungsideen, brauchen Sie hungrige junge Leute. Jeder müsste sich um Mittel und Projekte bewerben dürfen, unabhängig von Akademikergrad. Dann dreht sich die Charité Richtung Wertschöpfung. Sie müssen die Aristokratisierung, die ständische Schließung aufbrechen. So brutal, wie das die Amerikaner machen.

In den USA haben Sie den Gründergeist Ende der 1980er Jahre aufgesogen und dann nach der Wende Eckert & Ziegler gegründet. Wie geht es dem Unternehmen heute?
Gut. Wir sind profitabel, selbstfinanzierend, mittlerweile 700 Leute und zahlen regelmäßig Dividenden. Allerdings hatte die Medizintechnik, das Herzstück der Gruppe, zuletzt Gegenwind. Wir liefern oft in Schwellenländer, waren die Ersten, die Tumorbestrahlungsanlagen in Ländern wie Äthiopien, Botswana oder Venezuela installiert haben. Nun sind weltweit die Öl- und Gaspreise eingebrochen. Vielen aufstrebenden Regionen, auch Russland oder Brasilien, fehlen die staatlichen Einnahmen. Zum Glück haben sich 2016 der Iran und Kuba geöffnet. So weisen wir unter dem Strich in dem Bereich wieder eine schwarze Null aus.

Eckert & Ziegler entsorgt auch leicht radioaktiven Klinikmüll. Wie hat sich dieser Bereich entwickelt?
Wir haben 2009 einen Betrieb in Braunschweig übernommen, der auf die Rücknahme von schwach radioaktiven Abfällen spezialisiert ist, etwa Kittel oder Fläschchen aus der Nuklearmedizin. Leider ist das Unternehmen ins Visier von Aktivisten geraten, die ihn zur politischen Mobilisierung auf der Anti-Akw-Schiene instrumentalisiert haben. Dabei ist das völlig hanebüchen – wir haben mit Kernbrennstoffen nichts am Hut.

Sie wollten den Betrieb in Braunschweig vergrößern, was die Stadt durch ihren Bebauungsplan verhindert hat.
Der Bebauungsplan ist mittlerweile endgültig vom Tisch, die Situation hat sich enorm entspannt. Vor ein paar Tagen hat der Rat der Stadt erstmals sogar entschieden, uns und andere betroffene Betriebe aktiv in die Beratungen einzubinden. Eine sehr erfreuliche Entwicklung.

Sie bezeichnen sich selbst als „Seriengründer“. An wie vielen Firmen sind Sie persönlich oder über die AG beteiligt?
Die Eckert Wagniskapital hält derzeit direkt oder indirekt Beteiligungen an neun Firmen, die meisten davon Neugründungen. Die AG hat derzeit zwischen 30 und 40 Tochtergesellschaften.

Wann taugt eine Idee zum Unternehmen?
Sie müssen prüfen, wie groß der Markt ist. Dann schauen Sie auf die Patentsituation, wie viele Konkurrenten es gibt und wer als Käufer infrage käme. Und Sie brauchen die richtigen Leute.

Was unterscheidet den amerikanischen Gründer vom deutschen?
In Deutschland glauben viele an die magische Kraft von Bildungspatenten, die man sich ersitzt und abheftet. Die Amerikaner sind antiintellektualistisch. Sehr viele erfolgreiche Gründer in den USA sind Drop-outs.

Was fehlt also der hiesigen Gründerszene Ihrer Meinung nach?
Vielleicht junge Testosteron-Bolzen, die aus Freude und Abenteuerlust gründen und nicht mit 30 im öffentlichen Dienst verschwinden wollen? Auf jeden Fall Frauen. Da ist viel Potenzial.

Haben Sie schon Mitarbeiter verloren, die sich selbstständig gemacht haben?
Ja, zum Teil richtig gute Leute. Ich finde das in Ordnung. Viele wissen zwar gar nicht, was sie da tun. Aber man muss das einfach mal gemacht haben. Gründen ist probieren und suchen.

Zur Startseite