Asyl in Berlin: Charité organisiert Psychotherapien für Flüchtlinge
Am Lageso eröffnen Charité-Ärzte eine Clearingstelle. Dort sollen Flüchtlinge auf psychische Krankheiten untersucht werden - Tausende könnten betroffen sein.
Die Berliner Charité übernimmt die psychologische Erstbetreuung tausender Flüchtlinge. Am Mittwoch eröffneten Ärzte der Universitätsklinik dafür eine Clearingstelle am Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) in Berlin-Moabit. Zeitgleich wurden fast alle Berliner Asylbewerberunterkünfte angeschrieben und auf das Angebot hingewiesen: Noch am Mittwochmorgen besuchte ein iranischer Flüchtling die Clearingstelle, andere Asylbewerber vereinbarten Termine. Sollten sich bald massenhaft Flüchtlinge begutachten lassen, wäre dieses Projekt bundesweit einmalig. Bislang arbeiten einzelne Psychotherapeuten und Psychiater in vielen Heimen, eine zentrale Anlaufstelle aber fehlt fast überall.
Charité-Ärzte sprechen Arabisch
Am Lageso wechseln sich vier Psychiater und drei Psychologinnen ab, einige, aber nicht alle Mitarbeiter sprechen Arabisch. Ab Montag soll dauerhaft ein Farsi-Übersetzer vor Ort sein. Einer der Leiter ist Charité-Psychiater Malek Bajbouj, 45 Jahre alt. Er selbst spricht Arabisch, ist in Dortmund aufgewachsen, seine Eltern stammen aus Syrien. Bajbouj schließt nicht aus, dass jeder siebte Flüchtling psychologische Hilfe braucht. „Selbst wenn es nur jeder Zehnte ist, wäre das eine riesige Herausforderung“, sagte der Arzt. „Die ganz schweren Fälle haben sich aber eher nicht auf den Weg gemacht
Nebenan residiert Behandlungszentrum für Folteropfer
Die Clearingstelle fungiert als Eintrittspforte, nicht unbedingt als Behandlungspraxis. Die Ärzte und Therapeuten entscheiden in ersten Gesprächen, ob sich in Einzelfällen etwa ein Sozialarbeiter um den Patienten kümmern kann oder ob eine lange Therapie in einer Klinik nötig sein wird. Am Lageso residiert auch das bekannte Behandlungszentrum für Folteropfer – auch dahin werden einige Flüchtlinge wohl verwiesen werden müssen.
Die Bundespsychotherapeutenkammer hatte kürzlich mitgeteilt, dass schätzungsweise die Hälfte der Flüchtlinge psychologische Hilfe brauche. In den meisten Städten und Gemeinden fehlt es allerdings nicht nur an Medizinern, Sozialarbeitern und Pflegekräften, sondern vor allem an Übersetzern für Arabisch und Farsi – die unter Flüchtlingen der vergangenen Jahren am meisten verbreiteten Sprachen. Auch in Berlin gebe es Mehrbedarf, sagte Charité-Psychiater Bajbouj, doch im Vergleich zu den Flächenländern gebe es immerhin überhaupt Übersetzer.
Hannes Heine