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Cathy Hummels sitzt vor Verhandlungsbeginn im Landgericht München I im Gerichtssaal.
© Tobias Hase/dpa
Update

Vorwurf Schleichwerbung: Wieso das Urteil zu Cathy Hummels kein Ende im Influencer-Streit bedeutet

Wann müssen Influencer wie Cathy Hummels ihre Beiträge als Werbung markieren? Auch das jüngste Urteil schafft dazu keine Klarheit.

Von Laurin Meyer

Der pinkfarbene Turnschuh sei wie sie, schreibt Cathy Hummels: immer auf Achse und dabei doch modisch. So drückt es die Ehefrau von Profifußballer Mats Hummels selbst in einem ihrer mittlerweile 2500 Beiträge beim sozialen Netzwerk Instagram aus. Auf dem Bild hält sie den Schuh samt Logo des Herstellers Adidas in die Kamera, drapiert auf einer weißen Geburtstagstorte aus Plastik. Der Schuh war angeblich ein Geschenk von Ehemann Mats; mit dem Foto wollte Hummels ihren Geburtstag mit ihren Fans teilen.

Es sind vermeintlich private Beiträge wie diese, die jetzt immer häufiger vor Gericht landen. Der Vorwurf: Schleichwerbung. Ihren Auftritt auf Instagram nutzt die 31-Jährige nämlich nicht ausschließlich privat, sondern auch kommerziell, argumentieren Kritiker. Hummels zählt zu den sogenannten Influencern, deren Geschäftsmodell es ist, Werbung in sozialen Netzwerken zu platzieren. Unternehmen bezahlen sie dafür, Produkte möglichst authentisch in ihren Postings anzupreisen. Wegen insgesamt 15 ähnlicher Bilder hat der Verband Sozialer Wettbewerb (VSW) die 31-Jährige verklagt.

An diesem Montag fiel nun das Urteil. Die zuständige Kammer wies die Zivilklage ab. Informierte Leser wüssten, dass Hummels mit ihrem Instagram-Profil kommerzielle Interessen verfolge, sagte die Vorsitzende Richterin Monika Rhein. Insofern handele es sich auch nicht um unlautere Werbung. Die Kammer betonte aber, dass die Entscheidung nicht generell mit Blick auf andere Blogger oder Influencer verallgemeinert werden dürfe.

Influencer kratzen an der Milliardenmarke

Es geht in dieser Frage um ein großes Geschäft. Schon im kommenden Jahr wird der Influencer-Markt hierzulande voraussichtlich die Milliardenmarke überschreiten. Noch 2017 beliefen sich die Einnahmen der deutschen Influencer auf gut 500 Millionen Euro. Mittlerweile bekommen vier von fünf Influencer neben kostenlosen Produkten auch Geld, wenn sie die Artikel prominent in die Kamera halten. Das will die Softwarefirma Facelift in einer Umfrage ermittelt haben. Mehr als ein Viertel der Influencer kassiert demnach mehr als 500 Dollar pro Kampagne, teils geht es hoch bis zu 25000 Dollar.

Zu den Großen der deutschen Szene gehören Bianca Claßen, Dagi Bee oder Pamela Reif. Die drei kommen zusammen auf mehr als 15 Millionen Instagram-Follower. Jugendliche verehren die Influencer als Stars, ihre Fans verstehen sich als Gemeinschaft. Kauftipps wirken wie Empfehlungen privater Freunde. Werbepartner haben das erkannt und wollen von der Glaubwürdigkeit der Influencer profitieren. „Die Wirkung ist größer als bei konventioneller Werbung“, glaubt Andreas Bersch, Geschäftsführer der Berliner Marketingagentur Brandpunkt. „Der Erfolg lässt sich in der S-Bahn überprüfen“, sagt Bersch. „Früher lasen die Menschen ein Magazin, heute sind sie auf Instagram unterwegs.“

Der Trend geht zu Nano-Influencern

Der Marktwert der digitalen Stars richtet sich nicht nur nach der Anzahl der Follower. Auch das sogenannte Engagement der Nutzer ist ausschlaggebend: Wie häufig gefällt den Fans ein Beitrag? Wie oft werden Bilder kommentiert? Aus Faktoren wie diesen können Werbepartner den Preis eines Influencers berechnen – den sogenannten Media Value. Seine Höhe beschreibt den Geldbetrag, den ein Unternehmen ausgeben müsste, um die gleiche Reichweite mit eigenen Werbeanzeigen zu erzielen. Wer mit einem Beitrag auf Instagram genauso viele Nutzer erreichen will, wie Fitness-Bloggerin Pamela Reif es schafft, wäre derzeit 12500 Euro los.

Der Trend geht inzwischen zu sogenannten Micro- oder Nano-Influencern – also Personen mit deutlich weniger Followern, weil die weniger kosten. Für das laufende Jahr haben viele Unternehmen angekündigt, die kleinen Influencer den Stars vorzuziehen. Das zeigt eine Umfrage des Bundesverbandes Digitale Wirtschaft (BVDW). Die Firmen erhoffen sich von den Kleinen, noch gezielter werben zu können. Damit wächst der Kreis an potenziellen Influencern in den sozialen Medien enorm an. Die Zahl der Instagram-Nutzer mit mehr als 10000 Follower dürfte in Deutschland schätzungsweise im fünfstelligen Bereich liegen.

Vereine verschicken Abmahnungen

In dieser Masse an Werbern scheinen wiederum andere ein Geschäft mit der unsicheren Rechtslage entdeckt zu haben: Abmahnvereine durchforsten die Netzwerke, fordern Geld und verklagen Influencer, sobald sie Schleichwerbung vermuten. Ein prominentes Beispiel ist der VSW, der auch im aktuellen Fall gegen Hummels vorgeht. Allein beim Berliner Landgericht trat der Verein im vergangenen Jahr in 108 Verfahren auf. In wie vielen davon es tatsächlich um Schleichwerbung ging, ist nicht bekannt.

Eine der Abmahnungen landete bei Vreni Frost. Insgesamt 178,50 Euro sollte die Berliner Influencerin im März vergangenen Jahres zahlen und eine Unterlassungserklärung unterschreiben. „Ich dachte erst, das sei ein schlechter Scherz“, sagt Frost auf Anfrage. Für keinen der vom VSW beanstandeten Beiträge sei sie bezahlt worden.

Aus Sicht der Influencerin führt das Treiben des Verbands zu mehr Intransparenz. Aus Angst vor Abmahnungen würden viele Influencer jetzt alle Beiträge pauschal als Werbung kennzeichnen – egal, ob bezahlt oder nicht. Und dadurch könne der Nutzer nicht mehr unterscheiden: Was ist gekaufte Werbung und was eine echte Empfehlung? Der VSW beruft sich auf das Presserecht: „Insbesondere das für die herkömmlichen Printmedien geltende Trennungsgebot von Werbung und redaktionellen Texten fand in den sozialen Medien keine Beachtung“, sagt VSW-Geschäftsführer Ferdinand Selonke. Werbetreibende würden hier bewusst die Unerfahrenheit und das vermeintliche Näheverhältnis der Jugendlichen nutzen.

Zuletzt hat der Verband vor Gericht aber eine Niederlage eingefahren. Die einstweilige Verfügung gegen einen der Instagram-Beiträge von Frost wurde zurückgenommen. Auf dem Bild trug die Influencerin einen Pullover von Chanel und verlinkte die Marke – als Serviceleistung für ihre Fans, wie sie sagt. Vor Gericht konnte Frost glaubhaft versichern, dass sie dafür kein Geld bekommen hat. In anderen Fällen haben Gerichte anders entschieden: Das Landgericht in Karlsruhe argumentierte etwa, dass Influencer auch mit unbezahlten Beiträgen ihr Geschäft fördern. Noch fehlt dazu ein Grundsatzurteil.

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