Studie zur „weiblichen Selbstinszenierung“: Frauen bei Instagram und Youtube: Sexy, passiv, unterrepräsentiert
Nur ein Drittel der Protagonisten in Musikvideos, bei Instagram und Youtube sind weiblich, so eine Studie. Und die kümmern sich vor allem um Beauty und Mode.
Maria Furtwängler und ihre Tochter Elisabeth lassen nicht locker. Über ihre MaLisa-Stiftung haben sie im Jahr 2017 Geschlechterdarstellungen im deutschen Film und Fernsehen untersuchen lassen. Jetzt haben sie nachgelegt: „Weibliche Selbstinszenierung in den neuen Medien“ heißt die Überschrift zu den Studien, die am Montag in Berlin vorgestellt und diskutiert wurden.
Neue Medien, das heißt in diesem Fall Youtube, Instagram und Musikvideos. Die Präsenz junger Menschen ist dort enorm, die Chance auf eigene Darstellung und eigene Stimme, sich und seine Identität zu zeigen, ist es nicht minder. Aber schon im Verhältnis der Geschlechter zeigt sich, was in der Vorgängeruntersuchung „Audiovisuelle Diversität?“ Faktum war: Wie bei Film und Fernsehen kommen in den 100 beliebtesten Musikvideos und Youtube-Kanälen plus den Top-100-Instragramerinnen und -Instagramern auf eine Protagonistin zwei Protagonisten. Frauen sind auf den Plattformen unterrepräsentiert.
Youtube herausgegriffen, verschärft sich die Disparität weiter. 69 Prozent der Hauptakteure sind männlich, 29 Prozent weiblich. Und beide Geschlechter zeigen sich verstärkt mit Formaten und Themen, die den Gender-Stereotypen folgen. Youtube-Akteurinnen sind vorneweg bei Beauty, Mode, Beziehung, Haushalt und Food. Männer bedienen deutlich mehr Themen von Unterhaltung über Musik bis zu Games, Comedy und Politik.
Sie deklarieren in der Mehrheit ihre Tätigkeiten als Beruf, den sie im öffentlichen Raum ausüben. Die Rampensau ist männlich. Frauen agieren meist im privaten Umfeld, 71 Prozent von ihnen zeigen sich in ihrer Wohnung. Und sie inszenieren sich emotionaler: 67 Prozent der Frauen thematisieren ihre Gefühle, was nur 44 Prozent der Männer tun.
In den Musikvideos – und damit bei Youtube – werden Frauen mehrheitlich sexy und passiv dargestellt. Der Anteil der weiblichen Künstler in den Top 100 liegt seit Jahren bei knapp einem Drittel.
„Mädchen, die Influencerinnen folgen, legen größeren Wert darauf, schlank zu sein“
Die Mehrheit der Jugendlichen glaubt allerdings, das Gender-Verhältnis sei ausgeglichen. So viel zu Wahrnehmung und Wirklichkeit. Drei Viertel der Mädchen möchten aussehen wie die Sängerinnen, ein gleich hoher Anteil der Jungen hätte gerne eine Freundin, die aussieht wie die Akteurinnen im Video. Dass Frauen darin oft stark sexualisiert – entsprechend sind sie gekleidet – und dem Mann untergeordnet dargestellt werden, wird nicht überraschen.
Was überraschen kann: Auf Youtube ist die Diversität der Akteurinnen und Akteure größer, sichtbarer. Nach den Ergebnissen der Studie haben 32 Prozent der Youtuberinnen einen Migrationshintergrund, bei den Youtubern sind es sogar 49 Prozent.
Zur Selbstinszenierung von Mädchen auf Instagram: Besonders erfolgreich sind demnach Frauen, die sich im Wesentlichen mit Mode, Ernährung und Beauty beschäftigen. Dabei entsprechen sie in ihrer Erscheinung einem normierten Schönheitsideal: Sie sind dünn und langhaarig, gerne wird der Körper in die S-Form gebogen. Die Vielfalt verschwindet, weibliche Selbstinszenierung findet hier in einem begrenzten Korridor statt. Muss sie wohl auch, die befragten Youtuberinnen berichten von Schwierigkeiten, aus dem Themenumfeld Beauty Richtung Comedy oder Politik auszubrechen. Die Erwartungen der Community seien eben fixiert, wer diesen nicht entspricht, muss mit kritischen, ja bösartigen Kommentaren rechnen.
Wie sieht es mit der Rezeption solcher Selbstinszenierung aus? Konsumentinnen und Konsumenten sehen Influencerinnen und Influencer als Vorbilder, die sie nachahmen wollen. Auf Youtube legen die Kanalbetreiberinnen großen Wert auf Authentizität, bei Instagram soll alles natürlich und spontan wirken – und das bei aufwendigem Posing und zeitintensiver Inszenierung. Der Effekt hat seine Effekte. „Mädchen, die Influencerinnen folgen, legen größeren Wert darauf, schlank zu sein“, heißt es in der Studie. Sie würden ihr Aussehen zunehmend als unzureichend empfinden. In Folge optimieren hundert Prozent der Follower von Dagi Bee ihre Haut.
Rapperin Eunique pocht auf ihre "Macht"
Krasse Fakten. Interpretation möglich, dass der Feminismus seine Kinder frisst? Der Studienvorstellung schloss sich eine Podiumsdiskussion an mit Model/Influencerin Stefanie Giesinger, der (Youtube-)Rapperin Eunique und dem Funk-Moderator Tarik Tesfu an. Giesinger sagte, sie es ein schönes Gefühl, Vorbild zu sein. Tesfu mahnte eine größere Offenheit und Ehrlichkeit der Macherinnen und Macher darüber an, wie diese Kanäle produziert und gesteuert werden. Alle drei sahen ihre Verantwortung, Rapperin Eunique sprach sogar von "Macht". Aber diese Macht hätten sie sich selbst erkämpft, ihr Startpunkt waren 50 Follower. "Wir haben eine Stimme." Die soll laut und deutlich und die eigene sein. Die Zwillinge Lisa und Lena, sie haben 14 Millionen Follower, sagten: "Social Media ist eine Fake-Welt". Das müsse jedem/jeder klar sein und klar gemacht werden. Eine weitere Studie könnte zeigen, ob die Community aus Akteuren und Konsumenten das wirklich will.
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