Schnitzel aus der Petrischale: Wiesenhof investiert in Kunstfleisch-Firma
Der Geflügelkonzern Wiesenhof beteiligt sich an einem Start-up, das Fleisch im Labor herstellt. Ist das wirklich eine Alternative?
Es ist vor allem ein gutes Gewissen, das Ido Savir Verbrauchern verkaufen will. Sein Versprechen: Fleisch, für das kein Tier sterben musste. Und zwar richtiges Fleisch. Kein Soja- oder Tofu- Schnitzel, sondern zum Beispiel Hähnchenfilet. Statt im Stall, lässt Savir das im Labor heranwachsen: aus Stammzellen, die zuvor lebenden Hühnern entnommen worden sind. „Clean Meat“ nennt Savir das – sauberes Fleisch.
Damit will der Chef des Unternehmens Supermeat nicht nur eine Alternative zur Massentierhaltung schaffen, es soll auch noch besser für die Umwelt und gesünder für den Menschen sein. Ein großes Versprechen, an das offenbar der Fleischkonzern hinter der Marke Wiesenhof glaubt, die PHW Gruppe. Deutschlands größter Produzent von Geflügelfleisch hat jetzt eine Minderheitsbeteiligung an Supermeat erworben. Zusammen mit zwei Beteiligungsfirmen stellt Wiesenhof dem Start-up aus Israel drei Millionen Dollar zur Verfügung.
Das Unternehmen geht eine strategische Partnerschaft ein
Das lässt aufhorchen. Ein Unternehmen, das seit Jahrzehnten im großen Stil Geflügel schlachtet, investiert in eine Alternative. Und nicht nur das. „Wir sehen unsere Beteiligung als strategische Partnerschaft“, sagt PHW-Vorstandschef Peter Wesjohann. Man wolle auf diese Weise „einen Beitrag zur Entwicklung von Fleisch aus Zellkulturen leisten“. Wesjohann sagt, er gehe davon aus, dass es in einigen Jahren eine Nachfrage nach künstlich erzeugtem Fleisch geben wird – ähnlich wie nach veganen Fleischersatzprodukten.
Dahinter dürfte ein großes Geschäft stehen, das sich der Konzern nicht entgehen lassen will. Schließlich könnte man mit dem Fleisch aus dem Labor eine viel größere Zielgruppe ansprechen als zum Beispiel mit Sojaschnitzel: all diejenigen Menschen nämlich, die Massentierhaltung an sich zwar ablehnen, aber trotzdem nicht gleich zu Vegetariern werden oder höhere Preise für Biofleisch zahlen wollen oder können.
Ob in der Kühltheke des Supermarkts tatsächlich in Zukunft Fleisch aus dem Labor liegt, dürfte daher vor allem vom Verbraucher selbst abhängen. Aber wird der sich tatsächlich an den Gedanken gewöhnen können, dass sein Schnitzel in der Petrischale herangewachsen ist, statt auf der Weide oder im Stall? Dazu kommt, dass bislang offen ist, wie das Labor-Fleisch für den Massenmarkt produziert werden kann. Bislang ist es nämlich viel zu teuer. Ein Stück Hühnchenfleisch aus Stammzellen zu produzieren, kostet derzeit etwa 9000 Dollar.
In drei Jahren könnte Kunstfleisch im Supermarkt liegen
Deshalb hat auch noch kein Unternehmen das Kunstfleisch in den Supermarkt gebracht – obwohl in den USA diverse Start-ups daran arbeiten. Memphis Meat hat zum Beispiel Testessern bereits Chicken Nuggets und Ente a l‘orange aus Stammzellen vorgesetzt – sagt aber, im Supermarkt dürfte man die Produkte frühestens 2021 finden. Der Zeitplan von Supermeat sieht ähnlich aus. Das Unternehmen hofft, in drei Jahren Restaurants mit dem künstlich erzeugten Hühnchenfleisch beliefern zu können. „Der nächste Schritt wäre, in weiteren zwei bis fünf Jahren die Produktion auf einen industriellen Maßstab zu vergrößern, um Supermärkte und den Lebensmittelhandel zu versorgen“, sagt Geschäftsführer Savir.
Bleibt aber die Frage, wie die Firmen bis dahin die Kosten so stark drücken wollen, dass das Labor-Fleisch auch für den Massenmarkt erschwinglich wird. Gerald Wehde vom Bioland-Verband meint, dass das nur funktionieren dürfte, wenn man die Stammzellen klont. „Dann bekommen Sie aber ein massives Akzeptanzproblem“, sagt er. „Kaum ein deutscher Verbraucher wird Klon-Fleisch kaufen wollen.“ Hinzu kommt, dass auch die Firmen, die ihr Fleisch im Labor wachsen lassen, Hühner, Enten oder Rinder halten müssen, um ihnen Stammzellen zu entnehmen. „Die Vorstellung, dass diese Unternehmen sich einen Zoo aus Tieren als Stammzellenlieferanten halten, ist pervers“, meint Wehde.
Tierschützer halten Kunstfleisch für eine sinnvolle Entwicklung
Bislang ist er jedoch einer der wenigen Kritiker von „Clean Meat“. Bei dem Thema stehen nämlich auf einmal Parteien auf einer Seite, die sich über Jahrzehnte bekämpft haben. So können sowohl die Fleischindustrie als auch Vegetarier und Tierschützer dem Labor-Fleisch etwas abgewinnen. Bei der Tierrechtsorganisation Peta heißt es zum Beispiel, man halte die Produktion von kultiviertem Fleisch für eine sinnvolle Entwicklung. In Fleisch aus Mastbetrieben würden immer wieder Rückstände von Antibiotika festgestellt: ein Problem, das man beim Filet aus der Petrischale nicht hat. Sebastian Joy vom Vegetarierverband ProVeg spricht ebenfalls von einer „interessanten Alternative“. Weil die Entnahme der Stammzellen für die Tiere Experten zufolge weitgehend schmerzlos sei, könnte das einen „enormen ethischen Fortschritt“ bedeuten, so Joy.
Dazu kommt, dass auch Investoren an den Trend zum Kunstfleisch glauben. Microsoft-Gründer Bill Gates hat bereits mehreren Start-ups aus diesem Bereich Geld gegeben. Auch Milliardär Richard Branson hat investiert. Er sagt: „Ich glaube, dass wir in 30 Jahren keine Tiere mehr töten müssen.“
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